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Mehr als zwei Monate lang ist auch in diesem Jahr wieder das Klavierfestival Ruhr zu erleben. Intendantin Katrin Zagrosek stellte jetzt das Programm vor, das an 25 Spielstätten in 17 Städten aufgeführt werden wird. Von Martha Argerich bis zu den Schülern einer Duisburger Grundschule reicht das Spektrum des darzubietenden Könnens. Durchweg privat finanziert, kann das Festival auch heuer wieder auf Förderer aus der Wirtschaft bauen.
Katrin Zagrosek, Intendantin Klavierfestival Ruhr – Foto © Matthias Baus
Mich begeistert, welch großes Interesse uns bei den Musikfreunden in der Region und auch bei Sponsoren und Kooperationspartnern begegnet“, sagt Katrin Zagrosek, Intendantin des Klavierfestivals Ruhr. „Es ist ein Beweis dafür, dass unser Angebot hier und jetzt große Relevanz hat. Ich freue mich auf viele spannende Begegnungen mit Menschen und musikalischen Werken beim Festival 2025.“
Über 100 Künstler werden vom 10. Mai bis zum 16. Juli an 25 Spielstätten in 17 Städten auftreten. 59 Pianisten sind angekündigt, darunter wie üblich so ziemlich alles, was Rang und Namen hat. Aber auch das Musikvermittlungsprogramm des Festivals soll dafür sorgen, möglichst viele Menschen für die musikalische Kultur im Ruhrgebiet zu begeistern. „Als eines der größten und bedeutendsten Klavierfestivals der Welt verbindet es internationalen Anspruch mit beeindruckendem und vielfach preisgekröntem lokalem Bildungsengagement“, weiß Guido Kerkhoff, Vorstandsvorsitzender einer der drei Hauptförderer.
In der Philharmonie Essen wird das Festival am 10. Mai mit einer Schubertiade kammermusikalisch eröffnet. Pianistin Alice Sara Ott und ein Streichquartett werden den Bariton Benjamin Appl bei Liedern von Schubert, Beethoven und Williams begleiten. Den ersten Solo-Abend wird der in Nordamerika hochangesehene Jeremy Denk im Robert-Schumann-Saal in Düsseldorf bestreiten. Im Mittelpunkt seines Programms stehen die Werke von Komponistinnen wie Tania Leon, Cecile Chaminade, Amy Beach oder Meredith Monk.
Beim Klavierfestival Ruhr dürfen die „großen“ Namen nicht fehlen. Allen voran die 83-jährige Martha Argerich, die zu ihrem 31. Auftritt seit ihrem Debüt 1989 gemeinsam mit der Pianistin Akane Sakai am 13. Juni im Konzerthaus Dortmund erscheinen wird. Elisabeth Leonskaja wird in Gevelsberg auftreten, Khatia Buniatishvili ebenfalls in Dortmund spielen, Hélène Grimaud wird in der Historischen Stadthalle in Wuppertal erwartet und Yuja Wang tritt mit dem Mahler Chamber Orchestra in der Essener Philharmonie auf, um nur einige zu nennen. Bei den Herren tritt Kim Armstrong in den Vordergrund. „Es war immer meine Traumvorstellung, Malerei und Musik zusammenzubringen“, wird er zitiert. Im Essener Museum Folkwang bekommt er nun Gelegenheit dazu. In unterschiedlichen Räumen des Museums werden unterschiedliche Tasteninstrumente für ihn bereitstehen, um Werke aufzuführen, die „den Geist der sie umgebenden Exponate aufgreifen sollen, sie widerspiegeln, weiterführen“. Wer es weniger experimentell mag, wird in den üblichen Konzertsälen auf die Virtuosen Daniil Trifonov, Seong-Jin Cho, Vikingur Òlafsson, Leif Ove Andsnes, Rafał Blechacz, András Schiff und Igor Levit treffen.
Ungewöhnliche Projekte steigern die Attraktivität des Festivals
Ebenfalls ein herausragendes Programm wissen Pierre-Laurent Aimard und seine musikalischen Begleiter in der Gebläsehalle des Duisburger Landschaftspark Nord anzubieten. Gleich in sechs Konzerten wird der „Musiker des Unsichtbaren und Unerhörten“, wie Jean-Rodolphe Kars den Komponisten Olivier Messiaen nannte, in den Mittelpunkt rücken. Mit Messiaen, genauer mit seinen Visions de l’Amen, werden sich auch Schüler aus dem Duisburger Stadtteil Marxloh im Rahmen eines Musikvermittlungsprojekts befassen.
Wer sich nicht nur für die Virtuosität bekannter Pianisten interessiert, sondern auch ein offenes Ohr für ungewöhnliche Musik hat, sollte sich die Reihen Klavier & Elektronik und Jazz-Piano anschauen. Mit dem Jazz- und Electronic-Duo Svaneborg Kardyb rückt eine neue Spielstätte in den Blickpunkt. „Nikolaj Svaneborg kommt vom skandinavischen Jazz, Jonas Kardyb von Roots, Blues und Folk. Unsere Musik ist daher eine Summe aus unseren individuellen Beiträgen. Wir probieren aus, was für Klänge und Strukturen unsere Zweierkombination hervorbringt, und in langen Sessions bilden sich dann Ideen heraus wie Saatkörner, aus denen Stücke werden“, erzählen die Dänen, die in Unna im Säulenkeller – Zentrum für internationale Lichtkunst – auftreten werden. Volker Bertelmann, der, seitdem er 2023 den Oscar für seine Filmmusik gewann, besser unter seinem Künstlernamen Hauschka bekannt ist, wird sich in der Heilig-Kreuz-Kirche in Gelsenkirchen ans Klavier setzen.
Am 4. Juni sollte man sich Zeit für ein gleichermaßen ungewöhnliches Projekt nehmen, das dann in der Neuen Aula der Folkwang-Uni in Essen zur Aufführung kommt. Kirill Gerstein hat das aus Armenien stammende Gurdjieff-Ensemble unter Leitung von Levon Eskenian eingeladen, gemeinsam mit einer Klasse der Duisburger Grundschule Sandstraße zu musizieren. Unter dem Motto „Musik in Zeiten des Krieges“ werden dann Werke von Claude Debussy armenischen Tänzen und Volksmusik gegenübergestellt.
Für Lars von Lackum, Vorstandsvorsitzender eines Immobilienunternehmens, das ebenfalls zu den Hauptförderern des Festivals gehört, ist wichtig, „hochklassige Musik für alle Menschen in der Region zugänglich zu machen, unabhängig von kultureller und sozialer Herkunft; für Menschen, die regelmäßig Konzerte besuchen ebenso wie für Neugierige, die mit Klaviermusik bisher noch gar nichts am Hut hatten.“ Das dürfte mit der diesjährigen Programm-Mischung zweifelsohne gelingen.
Michael S. Zerban