O-Ton

Kulturmagazin mit Charakter

Videobotschaft von George Soros - Foto © Susanne Diesner

Menschenrechtspreis der Tonhalle Düsseldorf 2018

Menschenrechte haben einen Preis

Zum dritten Mal wurde in der Tonhalle Düsseldorf der Menschenrechtspreis verliehen. Man mag über Sinn und Unsinn von Preisverleihungen denken, wie man will, die Notwendigkeit, über Menschenrechte und andere Werte zu sprechen, ist größer denn je. Und wenn man dazu großbürgerlichen Firlefanz braucht, ist das egal. Eine Polemik.

Leon Botstein und Ádám Fischer bei der Preisübergabe – Foto © Susanne Diesner

Auf der Videoleinwand, die über den Köpfen des Orchesters in der fast vollständig ausverkauften Düsseldorfer Tonhalle aufgehängt ist, ist das Konterfei eines alten Mannes zu sehen. Stümperhaft ist seine kurze Ansprache zusammengeschnitten, mit der er sich für den Erhalt eines Preises bedankt, den er offenbar nicht kennt, von jemandem, den er ganz offensichtlich nicht kennt.

Als kleiner Junge ist George Soros mit seiner Familie vor den Nazis aus Budapest geflohen, wuchs in Amerika auf, absolvierte eine äußerst erfolgreiche Karriere als Börsenspekulant und scheffelte Milliarden. Er gründete, wie es sich gehört, eine Stiftung. Die Open Society Foundation verteilt viele dieser Milliarden weiter an Menschen und Organisationen, die sich für Menschenrechte und Demokratie weltweit einsetzen. Ein legaler Weg, dem Staat das Geld vorzuenthalten und selber zu entscheiden, was damit geschieht. Und hier, wie man, oberflächlich betrachtet, meinen möchte, zu Recht. Denn Soros‘ finanzieller Einsatz für Rede- und Pressefreiheit sowie das Recht auf Bildung weltweit würde wohl von keiner Regierung so geleistet werden.

Ádám Fischer setzt sich mit Vehemenz für Menschenrechte und gegen Rassismus ein. Als er 2015 zum Chefdirigenten der Tonhalle Düsseldorf berufen wurde, hatte er eine gute PR-Idee. Preisverleihungen sind immer eine gute PR-Idee. Medien übernehmen so etwas gern unreflektiert, die Ausrichter eines solchen Preises können als Gutmenschen glänzen, die Empfänger fühlen sich gebauchpinselt. Bei Fischer musste es ein Menschenrechtspreis sein. Die Gesellschaft der Freunde und Förderer der Tonhalle lobten den Preis in unterer fünfstelliger Höhe aus, Fischer wurde zugestanden, den Preisträger auszuwählen. Im ersten Jahr waren es die Ärzte ohne Grenzen, im zweiten Jahr die Bürger von Lesbos. In diesem Jahr benannte er eine Einzelperson. „Ich bin zutiefst davon überzeugt, dass es meine Verantwortung und die Verantwortung von uns allen ist, den weniger Glücklichen zu helfen“, sagt er bei seiner Laudatio in Bezug auf die eigene Prosperität und die seines Auserwählten.

„George Soros ist ein durchaus umstrittener Mann. Durch Börsengeschäfte ist er märchenhaft reich geworden. Es gibt nicht wenige Kritiker, die seine Rolle als Spekulant moralisch bedenklich finden“, sagt Fischer vollkommen berechtigt zu Beginn seiner Ansprache. Warum also muss ein diskussionswürdiger Mensch den Menschenrechtspreis der Tonhalle erhalten? Um einen wirtschaftlich erfolgreichen Landsmann Fischers reinzuwaschen? Das Geld kann es sicher nicht gewesen sein. Denn das gibt Soros sofort weiter, wie er in seiner Dankesrede erzählt. An die Stiftung Igazgyongy Alapitvany, die vor allem in den armen Gemeinden Ostungarns wirkt. Dabei legt sie einen besonderen Schwerpunkt auf die Unterstützung von Kindern und Familien. „Ich bewundere besonders das Programm der Stiftung zur Kunsterziehung, das zur Integration der Kinder der Roma-Gemeinschaft beiträgt“, begründet Soros seine Entscheidung.

Eine sicher gute Entscheidung, die vielleicht besser Dirigent Fischer getroffen hätte. Denn dann hätte die ungarische Stiftung nicht nur die vergleichsweise bescheidene Summe bekommen, sondern sich einen Menschenrechtspreis auf die Fahnen schreiben können. Und das wäre für die Arbeit der Stiftung sicher ein größerer und nachhaltigerer Gewinn gewesen. Stattdessen müssen zwei Abgeordnete der Stiftung im Publikum aufstehen, quasi als lebender Beweis, dass es eine solche Stiftung gibt. Es hätte die Organisatoren der Veranstaltung sicher nicht viel mehr Mühe gekostet, die Damen wenigstens auf die Bühne zu bitten, um einen Einblick in ihre Arbeit zu gewähren. Und vielleicht wäre sogar der Eindruck ein bisschen gemildert worden, dass sich hier einfach zwei alte Männer noch einen netten Gefallen tun. Und gleich noch einen dritten mit ins Boot nehmen. Dirigent Leon Botstein bekommt als Mitglied des Stiftungsrates der Open Society Foundation auch noch Gelegenheit, den Preisträger zu bejubeln, ehe er den Preis in Form eines buntbedruckten Pappkartons in Empfang nimmt. Seiner Sache hat der Chefdirigent der Tonhalle eher geschadet als genutzt.

Etwas mehr Fingerspitzengefühl zeigt Fischer in der Auswahl des anschließenden „Menschenrechtskonzertes“, wenn er die Eroica, die dritte Sinfonie Ludwig van Beethovens, auf das Programm setzt. Die zeigt zwar keinen direkten Zusammenhang mit dem abendlichen Thema der Menschenrechte, zieht aber jede Menge Publikum an. Und das ist schließlich das A und O einer PR-Veranstaltung. Die Düsseldorfer Symphoniker haben sichtlich Spaß an der ausgewählten Musik und lassen sich gern von ihrem Dirigenten zu einer furiosen Aufführung verleiten, die bei den Menschen im Saal für helle Begeisterung sorgt.

Über Menschenrechte wird an diesem Abend übrigens nicht so viel gesprochen. Ist auch ein eher unerfreuliches Thema und will nicht so recht zu einer Feierstunde passen, vor allem, wenn man, wie Ádám Fischer es immerhin im Vorwort des Programmheftes versucht, den Blick nach Osteuropa lenkt. Oder sich, um nicht mit dem deutschen Finger auf andere zu zeigen, im eigenen Land umblickt. Wenn die Veranstalter aus ihrer PR-Idee eine ernsthafte Veranstaltung machen wollen, haben sie in den kommenden Jahren sicher ausreichend Gelegenheit dazu. Auch ohne Alte-Männer-Seilschaften zu bedienen.

Michael S. Zerban