O-Ton

Kulturmagazin mit Charakter

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Aktuelle Aufführungen

Bunt bebilderte Bildungsreise

PROMETHEUS/EGMONT
(Ludwig van Beethoven)

Besuch am
18. Mai 2017
(Premiere)

 

Ruhrfestspiele Recklinghausen,
Festspielhaus

Dass sich Beethoven von dem Prometheus-Mythos und Goethes Egmont-Stoff faszinieren ließ, überrascht nicht. Schließlich gelten sowohl Prometheus, der Rebell gegen göttliche Willkür und der Freund der Menschheit, als auch Egmont, der niederländische Freiheitskämpfer gegen die spanische Tyrannei Philipps II., als Schlüsselfiguren des „Sturm und Drang“. Das konnte allerdings nicht verhindern, dass seine Ballettmusik Die Geschöpfe des Prometheus nahezu völlig in Vergessenheit geraten wäre, hätte er nicht ein Thema in seiner Eroica-Symphonie verewigt. Und von seiner Schauspielmusik zu Goethes Drama Egmont ist, von der Ouvertüre abgesehen, heute auch nicht mehr viel zu hören.

Christopher Hampton und Alexander Wiegold schufen eine zweiteilige Textcollage zu den beiden Stoffen und unterlegten sie in Zusammenarbeit mit dem Musikkonzept Wien für die Ruhrfestspiele Recklinghausen mit den vollständigen Musiken Beethovens. Für den Live-Klang sorgt das Orchester Wiener Akademie unter Leitung seines Gründungsdirigenten Martin Haselböck. Schade, dass ausgerechnet von den renommierten Gästen nur wenig Impulse ausgehen. Die Musik verströmt wenig Glanz und Kraft, wobei der matte Eindruck nicht nur der extrem trockenen Akustik des Festspielhauses anzulasten ist. Die Furcht vor unangemessenem Pathos motiviert Haselböck offenbar zu einer geradezu anämisch fettfreien Musizierhaltung. Drei Gesänge der Verlobten Egmonts, die die Hinrichtung des Freiheitskämpfers verhindern will, singt Marie Arnet sauber und unprätentiös, aber wenig textverständlich.

POINTS OF HONOR

Musik  
Gesang  
Regie  
Bühne  
Publikum  
Chat-Faktor  

Auf der Bühne geschieht in der „szenischen Lesung“ auch nicht viel, sieht man von den Video-Spielereien des Wiener Kunst- und Designkollektivs Atzgerei ab. Die Texte, eine Collage aus Prometheus-Dichtungen von Aischylos über Ovid und Goethe bis Kafka und Shelley im ersten Teil und Ausschnitten aus Goethes Egmont nach der Pause, rezitiert der Schauspieler Sebastian Koch prononciert, ein wenig nüchtern, aber ohne jede aufgesetzte Dramatik. Zusammen mit der matten Musikkulisse ergab sich ein recht braves Bild der beiden Heroen.

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Von Regie kann angesichts des Lesungs-Szenarios keine Rede sein, so dass die aufwändigste Aufgabe für den „Regisseur“ Alexander Wiegold in der Zusammenstellung der Texte bestanden haben dürfte. Und auch die Kostümbildnerin Birgit Hutter kann sich mit schlichten Kleidern für die Sopranistin und zwei Anzügen für Herrn Koch begnügen, einen weißen für den Prometheus-Teil und einen schwarzen für den Egmont.

Die Verquickung der beiden Rebellen, zumal mit der Musik Beethovens, verlangt nach erheblich bühnenwirksameren Lösungen. Es scheint, dass sich auch hier ein bedenklicher Trend fortsetzt, sich allzu sehr auf optischen Firlefanz zu verlassen. Was die auf einen aufgeschlagenen Bücherdeckel projizierten Videoeinspielungen angeht, sehen wir eine bunte Mischung aus Urmenschen, Feuersbrünsten und abstrakten Kreationen, die das Auge wachhalten. Mehr nicht.

Insgesamt eine kultivierte Nachhilfestunde in Sachen Prometheus und Egmont für beflissene Bildungsbürger. Das Publikum reagiert mit langanhaltendem Beifall.

Pedro Obiera