O-Ton

Kulturmagazin mit Charakter

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Aktuelle Aufführungen

Bad im Klischee

WAS FRAUEN WIRKLICH WOLLEN
(Sabine Misiorny, Tom Müller)

Besuch am
28. Juli 2023
(Premiere)

 

Stößels Komödie im Wuppertaler Brauhaus, Wuppertal

Stößels Komödie ist nicht totzukriegen. Seitdem sie ihre letzte feste Spielstätte im Zuge der Pandemie aufgeben musste, kehrt sie nun als Stößels Komödie on Tour zurück. Kristof Stößel hatte es ja angekündigt, und die „Wiederauferstehung“ findet an bereits bekanntem Ort statt. Im Wuppertaler Brauhaus gab es bereits verschiedene Gastspiele der Komödie, und eigentlich war der jetzige Auftritt als Open-Air-Veranstaltung geplant. Das Schöne am Brauhaus ist bekanntlich, dass es auch über einen Nebensaal verfügt, auf den man im Sommer 2023 ausweichen kann. Stößels Komödie hat ihre Anziehungskraft offenbar zurückgewonnen. Es sieht aus wie in alten Zeiten. Da wird ein neues Stück bekanntgegeben, und die Menschen strömen in Scharen. Zur heutigen Premiere gibt es im Saal keinen freien Platz mehr. Dabei stehen die Stuhlreihen dicht gedrängt vor der Bühne. Die Laune ist entsprechend gut.

Melanie Spielmann und Eric Haug – Foto © O-Ton

Vielleicht kann man Komödien in drei Kategorien einteilen. Da gibt es die mit Tiefgang, bei denen einem das Lachen auch schon mal kurzfristig im Hals steckenbleibt. Bei der Boulevard-Komödie bleibt wenigstens der Witz auf erträglichem Niveau – und dann gibt es noch die Schenkelklopfer-Komödien, die eigentlich kein Mensch braucht. Sabine Misiorny und Tom Müller, die Autoren wohnen der Premiere bei, haben mit Was Frauen wirklich wollen – und Männer zu wissen glauben! nach ihrem Bekunden einen „kabarettistischen Beziehungs-Spaß“ geschrieben, der für das Stößel-Ensemble wie maßgeschneidert erscheint. Der Stoff bleibt an der Oberfläche, bietet den Darstellern aber genügend Material, um ihr Können auszuspielen.

Ungewöhnlich ist dieses Mal die Konstellation. Auf der Bühne sind ein Tapeziertisch mit zahlreichen Requisiten, ein Kleiderständer und zwei Stühle aufgebaut. Später wird ein Barhocker dazukommen. Hier steht Franziska auf einem Flohmarkt, um überflüssiges Hab und Gut nach einer Neuausstattung ihrer Wohnung zu veräußern. Der einzelne Barhocker allerdings wird gerade von ihr erworben, weil er als einzelnes Möbelstück gut in ihr Leben passt. Denn Franziska ist Single. An der Längsseite des Saals ist in einer Nische ein Hochtisch mit zwei Barhockern aufgebaut, an dem zwei Schauspieler sitzen, die wahlweise nach vorne kommen, um verschiedene Rollen zu übernehmen. Prinzipiell eine schöne Idee, zumal die Nebenbühne später in die Handlung einbezogen wird. Auf der Bühne berichtet Franziska von ihren verschiedenen Versuchen, den Traummann zu finden. Hier wird jedes uralte bis moderne Klischee bedient, ohne dass sich neue Erkenntnisse hinzugesellen. Das ist grundsätzlich ja auch nicht Bedingung, wenn in der Überhöhung der Wirklichkeit beispielsweise neue Komik entsteht. Im Brauhaus gibt es allzu Bekanntes. Der fremdgehende Ehemann, das Muttersöhnchen, der Macho, der Psycho-Freak – alle sind sie hier in szenischen Auftritten versammelt und sie bedienen die Klischees ebenso wie die besten Freundinnen oder die Mutter. Kurz und gut: Hier wird niemand intellektuell überfordert.

Ilka Schäfer – Foto © O-Ton

Warum man den Besuch dieses Stücks Menschen empfehlen muss, die nichts anderes wollen, als sich gut unterhalten zu lassen, die Welt mit ihrem Elend mal außen vorlassen und herzhaft lachen wollen, liegt eindeutig an den Leistungen des Ensembles. Die Aufgaben des Licht- und Ton-Technikers Martin Jansen sind am Abend sehr überschaubar, allerdings hat er im Vorfeld die gesamte Technik von Null an ein- und aufbauen müssen. Und das funktioniert alles hervorragend. Da können die Darsteller sich von Anfang an im rechten Licht sonnen. Allen voran Melanie Spielmann, die im weiten Kleid und Turnschuhen Franziskas Geschichte erzählt, deren Ende allzu vorhersehbar ist. Aber was sie in zwei Stunden leistet, ist mehr als aller Ehren wert. Schließlich hat sie nicht nur Text und Spiel zu beherrschen, sondern auch die Aufgabe, die beiden Kollegen zu ihren Rollen zu bitten. Sie ist also diejenige, die das Stück so gut kennen muss wie kein anderer, und sie ist glänzend vorbereitet. Da wird es zur Lust, sie zu erleben. Ebenfalls ein besonderer Gewinn ist – wie immer – Ilka Schäfer. Die „Kodderschnauze mit Herz“ hat ihre Schlagfertigkeit über die Jahre souverän ausgebaut. Da wird jeder Satz zur gesetzten Pointe, immer gut mit Lebenserfahrung unterfüttert. Ihr Kontakt zum Publikum ist Legende.

Kristof Stößel, der für die Regie verantwortlich zeichnet und sich die Hauptrolle mindestens bei der Premiere normalerweise nicht nehmen lässt, hat Verpflichtungen in Hannover. So bekommt Eric Haug die Chance, die Männerrollen dieses Abends zu übernehmen. Er nutzt sie – nicht so richtig. Zwar erfüllt er die Anforderungen, spielt die Männer, wie es von ihm erwartet wird, badet in Stereotypen, glänzt mit Dialekten, aber zum Format von Stößel fehlt ein großer Schritt. Und bei einer Traumszene, in der der Moderator einer Fernsehshow Franziska über ihre Neurosen informiert, wird dann auch vorsichtshalber die Stimme Stößels eingespielt. Da fehlt ein Stück, das von den beiden Damen gekonnt überspielt wird.

Und so bedankt sich das Publikum überaus herzlich und lange für einen Theaterabend, der viele Lacher bereithält und die Menschen gutgelaunt in die Nacht entlässt. In wechselnden Besetzungen ist das Stück noch bis zum September im Wuppertaler Brauhaus zu erleben.

Michael S. Zerban