Kulturmagazin mit Charakter
Aktuelle Aufführungen
MORDPLÄNE MIT HIMBEERDAME
(Teresa Sperling, Stefan Voglhuber)
Besuch am
20. Dezember 2024
(Premiere am 12. Dezember 2024)
Es ist kalt und dunkel. Die Fußgängerzone ist mit Lichtern geschmückt. Auf dem Johannes-Rau-Platz vor dem Rathaus Barmen ist ein schnuckeliger Weihnachtsmarkt aufgebaut. Ein fast schon märchenhaftes Ensemble. Direkt gegenüber dem Rathaus liegt das Gesellschaftshaus Concordia, ein denkmalgeschütztes Gebäude, über dessen wechselvolle Geschichte es einen ausführlichen Beitrag bei Wikipedia gibt. „Das Gebäude mit der schmuckvoll verzierten Fassade fällt vor allem durch die beiden großen, originalen Konsolen-Figuren über dem kunstvollen Portal auf.“ Und im Inneren geht es mondän weiter. Ein roter Teppich bedeckt den Boden des marmornen Treppenhauses, über den man nach oben in die Gesellschaftsräume gelangt. Allein schon das Haus zu betreten, ist ein besonderes Erlebnis. Bis heute atmet das Haus seine historische Zweckbestimmung, als es zu Beginn des 19. Jahrhunderts in seiner ursprünglichen Form entstand, um für die Bürgerschaft als Ort der Erholung, Entspannung und Unterhaltung, aber auch des politischen Netzwerkens zu dienen.
„Die Stößels sind aber vornehm geworden“, schallt es scherzhaft durch das Treppenhaus. Denn hier findet sich eine neue Wirkungsstätte von Stößels Komödie. Auf dem ersten Treppenabsatz wird man mit einer Himbeer-Praline empfangen, ehe man sich im Theatersaal einfindet. Da fragt man sich, warum Kristof Stößel diesen wunderbaren Spielort nicht vor zehn Jahren gefunden hat, und hofft gleichzeitig, dass er und sein Ensemble hier nun endlich heimisch werden können. Das erste Stück, das hier am 12. Dezember vor ausverkauftem Haus zur Premiere kam, ist Mordpläne mit Himbeerdame, das zum ersten Mal in Nordrhein-Westfalen aufgeführt wird. Am 11. März 2022 führten die Autoren Teresa Sperling und Stefan Voglhuber das Stück im bayerischen Fraunberg zum ersten Mal als Zweipersonenstück auf.
Die Geschichte ist durchtrieben, aber handlungsarm. Der passionierte Tierpfleger Anton zieht sich morgens und abends in einem Geräteschuppen um, um seine Großmutter vor ihrer Tierhaar-Allergie zu schützen. Eines Tages taucht hier Claudia auf. Gern wäre sie Konditorin geworden, aber ihr Mann macht aus ihr eine Bäckerei-Fachverkäuferin, als er ihren elterlichen Betrieb übernimmt. Was sie nicht davon abhält, in aller Heimlichkeit die wohlschmeckendsten Torten zu backen. Wenn sie nicht gerade zutiefst erschüttert über ihren Ehemann ist, der offenbar die Nächte lieber im Wirtshaus verbringt. Bei ihrer ersten Begegnung mit Anton im Geräteschuppen erlebt sie, wie Anton über das Walkie-Talkie von seiner Großmutter gegängelt wird. Als sie erneut zusammentreffen, hat Claudia inzwischen erfahren, dass ihr Mann nicht die Kneipe liebt, sondern auf Freiersfüßen wandelt, während Anton begriffen hat, dass die so pflegebedürftige Oma ihn an der Nase herumführt und in seiner Abwesenheit quietschfidel durchs Leben springt. Bei einem gemeinsamen Besäufnis erörtern Anton und Claudia, wie man sich der beiden entledigen könnte. Anton zaubert ein Fläschchen eines starken Schlafmittels hervor, mit dem Tiere eingeschläfert werden können. Als die beiden am nächsten Morgen verkatert wieder aufeinandertreffen, ist die Großmutter verstummt, und der Ehemann liegt im Tiefschlaf auf dem Sofa. Anton bekommt die Aufgabe, ihn „im Gegenzug“ zu töten.
Eric Haug hat die Regie übernommen. Er hat den „Geräteschuppen“ mit etlichen Umzugskartons, einem Tisch mit zwei Stühlen und nötigen Requisiten vollgestellt. Vor der Bühne ist auf einem Podest ein Sessel aufgebaut. Denn Haug belässt es nicht bei dem Zweipersonenstück, bei dem eine dritte Stimme von der Festplatte kommt, sondern lässt die Großmutter tatsächlich auftreten. Ein gelungener Schachzug, wie sich gleich zeigen wird. Mit Bravour meistert der Schauspieler und Regisseur Raum und Spiel auf der Bühne. Er verschwindet nicht, wie üblich, nach der Premiere, sondern übernimmt in den folgenden Aufführungen auch gleich noch die Technik.
Ohne die Leistung Haug schmälern zu wollen: Mit den Darstellern hat er leichtes Spiel. Maria Liedhegener spielt eine grandiose Großmutter. Schrill, spielfreudig und wirklich komisch wirkt sie so, als gebe es kein Alter. Da erweist sich die Entscheidung, die Stimme von der Festplatte durch die echte Oma zu ersetzen, als wahrer Glücksgriff. Safak Pedük spielt ihre schauspielerischen Fähigkeiten als Claudia voll und ganz aus. Nichts wirkt albern oder aufgesetzt, kleine, unglaublich präzise Gesten lassen die Darstellung zum Genuss werden. Wunderbar wird der running gag, Sprichwörter falsch zusammenzusetzen, herausgespielt, ohne sich auch nur einen Moment abzunutzen. In Jan Philip Keller findet sie, wie nicht anders zu erwarten, einen kongenialen Spielpartner. Er gibt den Anton dankenswerterweise nicht als Trottel, sondern als einen ein wenig kauzigen, aber liebenswürdigen Typen.
Wer den Schenkelklopfer sucht, wird an diesem Abend nicht fündig werden. Stattdessen ruft die Aufführung eher ein amüsiertes Dauergrinsen hervor, was einer Komödie ohnehin besser zu Gesicht steht. Das Publikum ist begeistert und feiert das Ensemble lange.
Aufführungen gibt es noch bis zum 26. Januar. Die Empfehlung: Unbedingt hingehen, um einen wirklich unterhaltsamen Abend mit fabelhaften Schauspielern zu erleben.
Michael S. Zerban