O-Ton

Kulturmagazin mit Charakter

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Aktuelle Aufführungen

Gehaltvolles Weihnachtskonzert

MAGNIFICAT
(Johann Sebastian Bach, Heinrich Schütz)

Besuch am
23. Dezember 2022
(Einmalige Aufführung)

 

Amici del canto, Kulturzentrum Immanuel, Wuppertal

Der Wuppertaler Kammerchor Amici del canto ist seit 2008 weit über die Stadtgrenzen hinaus bekannt. Damals von Martin Lehmann, der außerdem künstlerischer Leiter der Wuppertaler Kurrende war, ins Leben gerufen, liegt sein Schwerpunkt auf sehr anspruchsvollen A-cappella-Werken der Musikgeschichte bis zur Moderne. Vier Jahre später wechselte der heutige Chef des Dresdner Kreuzchors zum Windsbacher Knabenchor. Dennis Hansel-Dinar übernahm seinen Posten und ist seitdem für hochkarätige Chorkonzerte verantwortlich. Höchste Intonationssicherheit und perfekte harmonische Klangbilder selbst bei komplexer, fremdtonaler, zeitgenössischer Literatur sind sein Markenzeichen. Diese Qualitäten erster Güte der semiprofessionellen Sänger lassen sich mit denen von Profichören messen. So wundert es nicht, dass die Veranstaltungen der Amici auf großen Zuspruch stoßen. Auch machen ihre nicht alltäglichen Programmzusammenstellungen neugierig. Es verwundert also nicht, dass die Musikfreunde in Scharen nach Wuppertal in den Ortsteil Oberbarmen strömen und fast jeden Sitzplatz im Kulturzentrum Immanuel – allseits bekannt als Immanuelskirche – belegen, um sich einen Tag vor Heiligabend anspruchsvoll auf das Fest der Feste einstimmen zu lassen. Bis auf kleine Ausnahmen kommt das Publikum voll auf seine Kosten.

Zweigeteilt ist der kurzweilige Abend. In der ersten Konzerthälfte kommen zunächst die Nummern zwei bis neun aus Johann Sebastian Bachs erster Kantate des Weihnachtsoratoriums – Bach-Werke-Verzeichnis 248 – zur Aufführung, dann die mit SWV 380 versehene Motette Also hat Gott die Welt geliebt von Heinrich Schütz, anschließend acht Teile aus seiner Weihnachtshistorie – Schütz-Werke-Verzeichnis 435 – und zu guter Letzt der Eingangschoral Jauchzet frohlocket aus Bachs oben angeführter Kantate. Diese Abfolge ist zwar ungewöhnlich, aber nachvollziehbar schlüssig. Nach der Pause wird Bachs zweite Fassung seines Magnificats in D-Dur, BWV 243, präsentiert. Die Musikforscher sind sich noch nicht sicher, ob die Urfassung in Es-Dur anno 1723 am Fest Mariä Verkündigung oder im selben Jahr zu Weihnachten aus der Taufe gehoben wurde. Irgendwann werden sie sich bestimmt einigen.

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Bisher stimmte bei Amici del canto der erste Ton eines jeden Konzerts perfekt. Doch nun, bei der Motette Das Wort ward Fleisch von Schütz ganz zu Anfang vor der Bach-Kantate, ist stimmlich nicht alles lupenrein, sind Einsätze ungenau. Dient das Stück ausnahmsweise zum warm werden? Denn fein abgestufte, akkurate Gesänge kommen erst danach von der Orgelempore. Nun klingt auch jede Chorgruppe für sich wie eine einzige Stimme. Ausgewogen werden Choräle gesungen. Sehr leidenschaftlich, ein klein wenig zu angespannt, werden die ähnlich eines Turba-Chors gehaltenen Abschnitte intoniert. Vorzüglich disponiert präsentieren sich die Gesangssolisten. Ist Tenor Leonhard Reso ein erstklassiger Evangelist, brilliert Elisa Rabanus mit einem strahlenden Sopran. Auch der seriöse Bass von Thomas Bonni ist variabel tragfähig. Diesem hohen Niveau steht Mezzosopranistin Dorothe Ingenfeld in nichts nach. Die eine oder andere Arie wie Bereite dich, Zion kann man sich nur weniger dramatisch, dafür etwas sinnlicher vorgetragen vorstellen.

Begleitet werden die Sänger von der Kammerphilharmonie Wuppertal. Von ihrem künstlerischen Leiter Werner Dickel – Professor am Wuppertaler Standort der Hochschule für Musik und Tanz Köln – glänzend vorbereitet, spielt sie nuanciert auf. Außerdem begleitet die Continuo-Gruppe die Sänger sehr mitatmend. Eindeutig überfordert sind dagegen die Trompeter während des gesamten Konzerts. Aus ihren Instrumenten hätten strahlend-jubilierende, prägnante Töne kommen sollen. Stattdessen stören überwiegend falsche wie unsaubere Töne und Kiekser das Wohlbefinden der Trommelfelle und die ansonsten spannenden, hochmusikalischen Darbietungen erheblich. Dabei ist auf Dennis Hansel-Dinar jederzeit Verlass. Umsichtig und präzise lotst er die Musiker und Sänger durch die Partituren.

Natürlich darf, wie bei Weihnachtskonzerten üblich, zwischendurch das Publikum mitsingen, das sich nicht zweimal bitten lässt. Beseelt wird Es ist ein Ros‘ entsprungen, Engel auf den Feldern singen und Maria durch ein Dornwald ging angestimmt. Zu dem gemeinsamen Schlusslied O du fröhliche kommt es mit Verspätung. Denn kaum ist der letzte Ton des Magnificats verklungen, haben zunächst langanhaltender, überschwänglicher Beifall, Fußgetrampel auf den Emporen und Begeisterungsrufe Priorität.

Hartmut Sassenhausen