O-Ton

Kulturmagazin mit Charakter

Foto © Bettina Stöß

Aktuelle Aufführungen

Kurzweilige Komödie

DIE HOCHZEIT DES FIGARO
(Wolfgang Amadeus Mozart)

Besuch am
19. März 2023
(Premiere der Neueinstudierung)

 

Wuppertaler Bühnen, Opernhaus Wuppertal

Als am 13. April 2019 das Regieteam um Joe Hill-Gibbins Wolfgang Amadeus Mozarts Le nozze di Figaro – Commedia per musica in quattro atti – kurz auf Deutsch: „Die Hochzeit des Figaro“ – auf die Bühne des Wuppertaler Opernhauses hob, stellte diese viel beachtete Produktion die erste Kooperation der Stadt mit der English National Opera in London dar. Eine Spielzeit später konnte sie folglich dort auf der Insel erlebt werden. Aufgrund des damaligen Erfolgs hier entschied man sich mit Recht, sie wieder zurückzuholen. Denn die Premiere der Neueinstudierung kommt richtig gut an. Neue Proben sind vorher erforderlich gewesen, da einige Gesangsrollen und die Person am Dirigentenpult neu besetzt sind. Doch keine Sorge: Alles andere bleibt beim Alten.

Das Bühnenbild besteht lediglich aus einem von Johannes Schütz geschaffenen, weißen, nach vorne offenen, hochfahrbaren Kasten, an dessen Rückwand sich vier weiße Türen befinden. Darin, davor, dahinter und darunter geschieht das verworrene Intrigengeflecht bis hin zum Happy End. Unspektakulär sind auch die von Astrid Klein kreierten auf den heutigen Zeitgeist gemünzten Kostüme. Sie unterscheiden sich durch die edlen Stoffe, die die high society trägt, und Alltagsklamotten beziehungsweise Dienstkleidung der Dienerschaft. Der Schwerpunkt liegt auf der Nachzeichnung der Charaktere der Personen. Nichts soll davon ablenken. Gibbins legt das Gewicht in erster Linie auf das komödienhaft Unterhaltsame, weniger, wenn gar nicht auf den, zum Nachdenken auffordernden, tiefer gehenden provozierenden Realismus mit seinen Absurditäten. So bleiben kurze Gelächter und leises Gekicher im Auditorium nicht aus, als es für rund drei Stunden um „Sex and Crime“ geht. Etwa will der eifersüchtige Graf Almaviva mit einer Holzfälleraxt die Tür zum Gelass zerdeppern, hinter der er den Schürzenjäger Cherubino vermutet. Wenn hinter den Türen ungeniert geknutscht und lasziv getanzt wird, wird an Erotik nicht gespart. Die Szene mit dem Urteilsspruch des Richters kommt wie ein kurzweiliger Slapstick daher, an der man sich ergötzt. Exzellent ist die Choreografie von Jenny Ogilvie. Es gibt keinen Stillstand, alles ist lebhaft in Bewegung. Mit ausdrucksvollen Gesten werden die Inhalte der Rezitative und Arien visualisiert. Hinzu kommen spielfreudige Darsteller. So kommt der zwischenmenschliche Wirrwarr voll zur Geltung.

Sebastian Campione schlüpft glaubhaft in die Rolle des Figaro. Seine Wut gegenüber dem Grafen und sein Spott über Cherubino ist echt. Nur ist sein Bass ein wenig zu grob, manchmal etwas kraftlos und in den ganz hohen wie tiefen Tonlagen nicht ganz ausgewogen. Ralitsa Ralinova mit ihrem in allen Lagen beweglichen Sopran und ihrem aufreizend-forschen Auftreten stellt eine überzeugende Susanna dar. Zwar ist ihr Parlando hin und wieder zu flach, und nach Intervallsprüngen nach oben sind die Töne etwas schrill. Doch gelingen ihr andererseits einige Arien wie Deh vieni non tardar, o gioia bella mitreißend schön. Simon Stricker ist der treulose Graf Almaviva und besticht mit einem sicheren, flexiblen Bariton. Réka Kristóf übernimmt die Rolle seiner bemitleidenswerten Frau, die ihr sattelfester, tragfähiger Sopran gesanglich glaubhaft ausdrückt. Ihre Arien wie Dove sono i bei momenti lassen hinsichtlich Ausdruckskraft und Emotionalität Keine Wünsche offen. Iris Marie Sojer mimt gekonnt den Frauenhelden Cherubino. Dank ihres tragfähigen wie ausgeglichenen Mezzosoprans hebt sie außerdem gesanglich die Gestalt plausibel hervor. Auch die anderen Solorollen und der von Ulrich Zippelius einstudierte Opernchor singen und spielen vortrefflich.

Hinzu kommt hörenswerte Musik. Unter der Leitung von Wuppertals Generalmusikdirektor Patrick Hahn überzeugt das Sinfonieorchester Wuppertal durch nuancierte, ebenmäßige Klänge und feine Phrasierungen. Mozarts gekonnte musikalische Anspielungen und seine tiefgründige Mehrschichtigkeit des Orchestersatzes können leicht nachvollzogen werden. Auch stimmt bis auf wenige Stellen die dynamische Balance zwischen Bühne und Orchestergraben. Nur wirken manche schnelle Abschnitte wie die Ouvertüre etwas gehetzt. Hier mangelt es an einer ruhig atmenden inneren Ruhe. Deswegen hapert es bei einer Handvoll Passagen an einer genauen Synchronizität zwischen Gesang und Musik.

Die zahlreichen Zuhörer spenden bereits zwischendurch nach gelungenen Arien viel Beifall. Riesig ist schließlich die Begeisterung nach dem letzten Ton, die in stehende Ovationen mündet. Sie finden erst nach dem Fall des Vorhangs ein Ende.

Hartmut Sassenhausen