O-Ton

Kulturmagazin mit Charakter

Foto © Andreas Herold

Aktuelle Aufführungen

Zauberflöte ohne Zauber

DIE ZAUBERFLÖTE
(Wolfgang Amadeus Mozart)

Besuch am
14. November 2019
(Premiere)

 

Hochschule für Musik Würzburg, Operntheater in der Bibrastraße

Die Zauberflöte zählt sicher zu den beliebtesten Werken auf der Opernbühne, nicht nur wegen der märchenhaften und teilweise komischen Handlung, sondern auch wegen der populären und scheinbar so eingängigen Melodien; doch Mozart verlangt von den Sängerinnen und Sängern einiges, vor allem viel Ausdruck. Das zeigt sich besonders, wenn junge Stimmen, die sich noch in der Ausbildung befinden wie an der Opernschule der Hochschule für Musik Würzburg, sich an den scheinbar so leichten Partien versuchen.

In ihrer Inszenierung hat Regisseurin Katharina Thoma dem durchaus Rechnung getragen, aber sie kann die stimmlichen Probleme nicht ganz ausräumen. Doch sie kommt den Akteuren entgegen: Sie verlegt die Handlung in das vertraute Umfeld der Mitwirkenden, an die Hochschule an der Bibrastraße, deutlich zu sehen am Bühnenbild von Sibylle Pfeiffer mit der Hof-Fassade. Gleich zur Ouvertüre, die von Yuuko Amanuma am Pult des groß besetzten und bis auf einige Patzer bei den Bläsern gut klingenden Hochschul-Sinfonieorchesters behäbig angegangen wird, sieht man die Studierenden durcheinander wuseln. Sie wollen sich anmelden, wissen noch nichts Genaues, machen sich untereinander bekannt, und eine junge Dame wird sogar von ihrer Mutter begleitet. Das muntere Völkchen wird bald den Ernst des Lebens kennen lernen, also den Alltag an der Hochschule mit Prüfungen, Stress, Frust und Erfolgen. Das ist der Grundgedanke der Inszenierung.

POINTS OF HONOR

Musik



Gesang



Regie



Bühne



Publikum



Chat-Faktor



Doch dabei bleibt auch Raum für Träume und Albträume, für Entwicklung von Gefühlen wie Liebe, Hass und Verzweiflung. So ist der Prinz Tamino hier ein Eleve aus einem fremden Land, ohne Ahnung, was ihn erwartet, verwirrt von den neuen Eindrücken, und er verwickelt sich gleich vor dem Eintritt in die Hochschule in ein riesiges Papiermonster mit Noten; drei Damen helfen ihm aus der Klemme, und auch Papageno, ein lockerer Bursche, der so allerlei anliefert, um sich Essen und Trinken zu verdienen, möchte ihn aufmuntern. Auch wenn sich die drei Damen ein wenig lustig machen über die Unsicherheit des „Prinzen“, wecken sie im Auftrag der Mutter eines Mädchens namens Pamina sein Interesse an dem lieblichen Geschöpf mittels eines Bildes. Er macht sich gleich auf die Suche nach der Schönen zusammen mit Papageno. Der findet sie, als sie gerade in einem Übungsraum von ihrem übergriffigen Klavierlehrer Monostatos bedrängt wird, verjagt diesen und weckt bei ihr das Interesse an ihrem Verehrer Tamino. Der wird inzwischen von drei Legenden der Musik, von Bach, Beethoven und Mozart – hier anstelle der drei Knaben – in die Grundlagen der Kunst der Klänge eingewiesen. Papageno aber lässt sich auch von keinem missgelaunten Pförtner abweisen, kann als Trumpf gegen ihn die Noten der Zauberflöte aufschlagen, ein klingendes Geschenk der drei Damen. Pamina, in Panik wegen ihres Klavierlehrers, will aus der Hochschule fliehen, doch Sarastro, der Leiter dieser Institution, hält sie zurück, und Tamino erblickt nun zum ersten Mal seine Pamina in echt, und seine Liebe entflammt stark. Doch zuerst steht eine Aufnahmeprüfung an. Der unterzieht sich Tamino konzentriert, während der Naturbursche Papageno mit alledem nichts anfangen kann. Pamina, die eingeschlafen ist, wird von Monostatos entdeckt, und der versucht, sich ihr wieder zu nähern. Da aber erscheint die Königin, ihre Mutter, gibt Sarastro die Schuld an allem und will ihre Tochter durch Erpressung dazu bringen, den obersten Leiter dieser Institution zu ermorden. Doch Pamina kann das nicht. Monostatos wird endlich von Sarastro verjagt, und das Lehrerkollegium unter seiner Führung legt Roben an und beschwört in einer weihevollen Zeremonie die geltenden Prinzipien, nämlich Menschlichkeit und Vergebung. Die harten Prüfungen aber bringen Pamina an den Rand der Verzweiflung, weil sie mit Tamino keinen Kontakt mehr aufnehmen kann; sie will sich etwas antun, aber auch Papageno ist völlig verstört, weil ihm seine Papagena immer wieder entwischt. Letztlich jedoch geht alles gut aus, die heiligen Hallen bleiben erhalten, und die Liebespaare dürfen sich erlöst in die Arme fallen.

Foto © Andreas Herold

Einige Schwierigkeiten aber ergeben sich aus den Übergängen zwischen der Realität und den eher märchenhaften Situationen. Die Traumvisionen erhalten einen gewissen optischen Reiz, wenn die heutige Zeit verschwindet und sich im Hintergrund Bilder auftun – übrigens ausgediente Kulissen aus dem Münchner Gärtnerplatztheater; die Königin der Nacht ist hier eine elegante Dame, begleitet von drei irgendwie fernöstlich durch Moritz Haakh gewandeten Dienerinnen; ansonsten aber überwiegt die normale Alltagskleidung; nur die Jünger Sarastros schlüpfen, wenn sie ihre Institution repräsentieren, in feierliche lange Gewänder. Der Chor, einstudiert von Mario Gebert, eine bedrohliche Masse, imponiert durch harmonischen Klang.

Unter den solistischen Leistungen ragt Sangmog Lee als Tamino hervor; er verfügt über einen relativ fülligen Tenor, kann ausdrucksstark gestalten, bewegt sich allerdings etwas schwerfällig und hat beim Sprechen noch Probleme mit dem Deutschen. Auch Misun Kim als Königin der Nacht bringt eine erstaunlich große, dramatische Stimme mit, beherrscht sicher die extremen Spitzentöne und die Koloraturen, und sie überzeugt sehr mit hoheitlicher Ausstrahlung. Sehr schön klingen auch die Ensembles der drei Damen, angeführt von einer überragenden Hyun Min Kim als erster Dame, und die zweite Dame, Megan Henry, und die dritte Dame, Tamara Nüssl, fügen sich bestens in das sehr quirlige Trio ein. Die drei Knaben, Rebecca Suta, Sarah Kähs und Alexandra Aykaeva, bieten eine ausgewogen stimmige Leistung. Uli Bützer als witziger Papageno gefällt vor allem durch seine sehr lockere Darstellung der Rolle, singt recht natürlich, und Margarita Pazara als seine stimmlich angenehme Papagena steht ihm mit ihrer Spielfreude nicht nach. Simon Kuhn, ein sehr korrekt auftretender Sarastro, verfügt über einen nicht allzu dunklen Bass, Marcel Hubner gestaltet den Monostatos überzeugend mit sicherem Tenor, während Jakob Ewert als Sprecher, erster Priester und zweiter Geharnischter sowie Jae Sung Kim als zweiter Priester und erster Geharnischter hauptsächlich mit der lebendigen Darstellung ihrer Rollen beschäftigt sind. Stefanie Wagner kann das unschuldige, naive Mädchen Pamina sehr glaubhaft verkörpern, für die widerstrebenden Gefühle ihrer Figur aber hätte man ihr weniger Lautstärke, dafür mehr Ausdruckskraft gewünscht.

Das Publikum im nicht ganz gefüllten Opernhaus honoriert die Leistungen der sehr engagierten Beteiligten mit viel Beifall.

Renate Freyeisen