O-Ton

Kulturmagazin mit Charakter

Auf dem Mozartfest spFoto © Fabian Gebert

Aktuelle Aufführungen

Faszination Stimme

REGULA MÜHLEMANN, TATIANA KORSUNSKAYA
(Diverse Komponisten)

Besuch am
17. Juni 2022
(Einmalige Aufführung)

 

Kaisersaal der Residenz zu Würzburg

Nach allen innovativen Programm-Bekundungen um das Motto des diesjährigen Würzburger Mozartfests und sein etwas irreführendes, provokantes Thema „Freigeist Mozart“ tut es richtig gut, einmal einen „konventionellen“ Liederabend erleben zu dürfen, noch dazu in einem bestens besuchten Kaisersaal der Residenz, mit einer wunderbaren Sängerin, der Sopranistin Regula Mühlemann, immerhin mehrfach ausgezeichnet, zuletzt mit dem Opus-Klassik 2020. Sie bringt einen Strauß Frühlingslieder von Schubert und Schumann mit, erntet aber den meisten Beifall bei bravourösen Mozart-Arien und bei der danach fälligen, mitreißenden Zugabe, dem Frühlingsstimmenwalzer von Johann Strauß. Solche Begeisterung aber löst nicht unbedingt ihre Begleiterin am Klavier, Tatiana Korsunskaya, aus, Dozentin für Kammermusik, Liedbegleitung und Korrepetition an den Hochschulen Luzern und Bern. Sie beginnt zwar träumerisch verspielt und schnell bei Schuberts Im Frühling, aber in der Folge gerät ihr Anschlag oft zu stark, auch zu schematisch, hat ihre großen Momente in wirbelnden Kaskaden bei Versunken, in aufgewühlten Betonungen wie in Rastlose Liebe, aber insgesamt klingt vieles zu kraftvoll, zu trocken; es fehlen fein zurückhaltende Töne, weichere Farben, auch ein einhaltendes Ritardando, um die schwankenden Gefühle auszudrücken, und manches gerät, etwa bei Die Blume der Ergebung bei flüssigen Läufen fast etwas fahrig. Doch mit Fortschreiten des Abends kann sie, vor allem bei Mozart, feinen Glanz und Duftiges, Perlendes entwickeln. So bildet ihr Spiel dennoch die Basis für einen faszinierenden Liederabend.

Auf dem Mozartfest spFoto © Fabian Gebert

Die charmante Sängerin in ihrem geschmackvollen Kleid fühlt sich sichtlich wohl in dem prachtvollen Saal, steht scheinbar entspannt vor dem Flügel und unterstreicht mit Gestik, Lächeln und Mimik den Inhalt der vertonten 22 Gedichte, ein anspruchsvolles, ambitioniertes, umfangreiches Unterfangen. Ihre große, klare, hellglänzende Stimme mit den mühelosen Spitzentönen, einer schönen Mitte und einer angenehm schlanken Tiefe kann sich frei entfalten, gestaltet die Vokale etwas offen, so dass der Text nicht immer so ganz verständlich zu vernehmen ist; im Mittelpunkt ihres Vortrags aber steht eher das Strahlen ihres Soprans als die vertiefte Ausdeutung der geschilderten Gefühle. Wenn sie aber, wie bei Frühlingsglaube große Linien gestalten kann, setzt sie ihre reine, freie Stimme in vielen Schattierungen ein, und beim kecken Wenn ich ein Vöglein wär in Der Knabe zeigt sie andere, bewegte, forsche Seiten ihrer Interpretation. Innig Sehnsuchtsvolles wie in Heimliches Lieben gelingt ihr mit leichten, schimmernden Höhen. Der Schumann-Lieder-Block beginnt mit starker Betonung, relativ schlicht kommt das Träumerische in Schneeglöckchen daher, und Kennst du das Land verströmt viel poetische Verklärung und auch dramatischen Nachdruck. Frisch erklingt Frühlings Ankunft und bis zum Höhepunkt der Rückert- und Goethe-Vertonungen mit Singet nicht in Trauertönen, bestens differenziert gestaltet mit der strahlenden Beschwörung des Zaubers der Nacht, kann man noch sanft melancholische Anwandlungen in Der Himmel hat eine Träne geweint genießen. Da ist das Publikum schon ganz in den Bann der schönen Stimme gezogen, und bei Mozarts Arie der Susanna Deh vieni, non tardar aus Le nozze di Figaro gerät es ganz aus dem Häuschen ob der klar klingenden, fein gestalteten Legati, der engelgleichenden Höhen. Das steigert sich noch bei der Arie der Julia aus Idomeneo; da bezaubern die zarten Zeffiretti und schmeichelnden Lüftchen durch die lichten Höhen und locker dahinlaufenden Koloraturen. Auch Schon lockt der helle Frühling KV 580 betört mit ruhigen, reinen Linien beim Anflug von Traurigkeit, dann aber wendet sich die Stimmung hin zu Freudigem und einem mitreißenden Feuerwerk glänzender Koloraturen und bravouröser Stimmakrobatik; nicht immer kommt das Klavier da ganz mit.

Die vielen Bravo-Rufe des begeisterten Publikums erfordern natürlich noch Zugaben: Der Frühlingsstimmenwalzer von Johann Strauß ruft einen erneuten Jubelsturm hervor, zu Recht. Da ist die Sängerin ganz in ihrem Element, beschwingt, mit tollen Triller-Verzierungen, allen Facetten des Neckischen, dem Anrufen der Natur, dem Dahinschweben der Stimme und herrlichen Höhen-Gipfeln lässt sie die Frühlingsstimmung ganz unmittelbar miterleben.

Renate Freyeisen