O-Ton

Kulturmagazin mit Charakter

Foto © Nik Schölzel

Aktuelle Aufführungen

Zwischen Kriegsrecht und Moral

PRINZ FRIEDRICH VON HOMBURG
(Heinrich von Kleist)

Besuch am
20. März 2019
(Premiere am 16. Februar 2019)

 

Mainfranken-Theater Würzburg

Seit 2016 ist Markus Trabusch Intendant des Mainfranken-Theaters in Würzburg. Und er teilt das Schicksal so vieler Intendanten in diesen Jahren: Neben der künstlerischen Arbeit muss er sich als Bau-Manager beweisen. Seit 1964 gibt es den Theaterbau neben der Residenz. Und so ist er nicht nur in die Jahre gekommen, sondern zeigt neben dem Sanierungsbedarf auch die Notwendigkeit, den Platzmangel des Dreispartenhauses durch einen Erweiterungsbau zu beheben. Das ficht Trabusch nicht an, in der Doppelfunktion als Schauspieldirektor auch weiter selbst zu inszenieren.

Mit seiner neuesten Arbeit widmet sich Trabusch einem Klassiker und mutet dem Publikum damit einiges zu. Denn Prinz Friedrich von Homburg von Heinrich von Kleist ist nicht nur in der Altertümlichkeit der Sprache äußerst sperrig, sondern auch nicht unbedingt von gesteigertem Bewegungsdrang auf der Bühne beseelt. Kurzum, das Stück läuft jeglicher Vorstellung von modernem Unterhaltungstheater zuwider. Auch inhaltlich fallen aktuelle Bezüge nicht zwingend ins Auge. Ein nach historischen Maßstäben gemäß Kriegsrecht ordentlich zum Tode verurteilter Militär stellt sich trotz Rückendeckung seiner Kameraden und höherer Stellen seiner Strafe – und ist damit der moralische Gewinner. Trabusch interessiert sich besonders für die Profilierung der Charaktere.

POINTS OF HONOR

Musik



Schauspiel



Regie



Bühne



Publikum



Chat-Faktor



Und während er sich maliziös der Personenführung widmet, sehen Bühnenbildnerin Isabelle Kittnar und Kostümbildnerin Katharina-Maria Diebel die Aktualität des Werkes im Kriegsbezug. Damit sich das erschließt, muss man allerdings Hintergrundwissen in der Fotografie mitbringen. 2011 erregte Fotograf Richard Mosse viel Aufsehen mit seiner Serie Infra. Er versuchte, die Gräuel des Bürgerkriegs im Kongo – einer der vergessenen Kriege – adäquat zu dokumentieren, indem er spezielles Filmmaterial verwendete, das die Infrarot-Schichten eines Bildes sichtbar werden ließ. Kittnar und Diebel versuchten, diesen Effekt auf der Bühne nachzuempfinden. Zwar ist das Foto-Panorama der spartanischen Bühne durchaus eindrucksvoll, aber in der Farbigkeit wirkt die Bühne über weite Strecken eher wie in einem Blutrausch oder um es milder auszudrücken: unter einem roten Schleier zugedeckt. Durchbrochen wird diese Eintönigkeit von Mariella von Vequel-Westernach, die mit ihrem Licht und großzügigem Nebeleinsatz nicht nur dezidierte Höhepunkte setzt, sondern der Szenerie insgesamt eine hochprofessionelle Note verleiht, die man so bei einem Stück dieser Größenordnung nicht erwartet hätte. Insbesondere die einzige „Kriegsszene“ gerät unter diesem Licht und mit der Musik von Adrian Sieber zum Glanzpunkt des Abends. Sieber verwendet als Zwischenmusiken Ausschnitte aus The Dark Side of the Moon von Pink Floyd, was nicht nur klanglich, sondern auch thematisch höchst treffend gewählt ist. Umso unverständlicher ist, wenn er bei einigen Zwischenmusiken die Musik nicht verklingen lässt, sondern höchst unpassend abbricht. Da passt die abstrakte Darstellung der Örtlichkeiten schon besser, wenn man lediglich mit Hilfe eines verschieblichen Balkens und eines gemustert bemalten Vorhangs zwischen Hauptbühne und hochgezogenem Graben auch ohne große Erklärungen auskommt.

Die spartanische Ausstattung hat ihren Preis. Wenn auf weiter Bühnenfläche zwei oder drei Personen, mal bis zu neun Darsteller, gewichtig hin- und herschreiten oder herumstehen – sehr viel mehr gibt die Handlung nicht her – wird es schwer, die Spannung zu halten. Da bedarf es wirklich exzellenter Darsteller, die nicht nur ihre Texte in Duktus und Inhalt perfekt modulieren und fehlerfrei parat haben, sondern auch die ausgeklügelten Positionen auf den Zentimeter genau im Kopf haben und streng diszipliniert arbeiten. Improvisation hat Trabusch hier kaum vorgesehen. Thomas Klenk hat nicht nur die Schauspiel-, sondern auch die nötige Lebenserfahrung, um den Kurfürsten brillant darzustellen. Seine Auseinandersetzung mit Natalie – sehr ernsthaft gespielt von Johanna Meinhard, die damit ihrer Rolle mehr als gerecht wird – gehört zu den überzeugendsten Dialogen. Die Kurfürstin bekommt nur wenig Gelegenheit, sich zu profilieren, aber das gelingt Bettina Hauenschild mit zurückgenommener Haltung. Martin Liema zeigt die feinen Nuancen des Prinzen von Homburg im Träumerischen wie im Moralischen sehr genau. Ihm zur Seite steht Cedric von Borries als Graf Hohenzollern mit viel Glaubwürdigkeit. Ob man Alexander Darkow die kleinen Überzogenheiten als Rittmeister von der Golz angedeihen lassen musste, sei dahingestellt. Das eine oder andere Schmunzeln jedenfalls entlockt er dem Publikum. Stefan Lorch als Feldmarschall Dörfling, Matthias Fuchs in der Rolle des Obristen Kottwitz und Anton Koelbl, der den Grafen Truchß darstellt, können ebenfalls in ihren Darstellungen überzeugen.

Dem Publikum gefällt ein hochkonzentriertes, spielfreudig auftretendes Ensemble, dem es trotz aller Syntax-Wucherungen gelingt, die Zuschauer über zweieinhalb Stunden im Spiel zu halten. Dafür gibt es im für eine Folgevorstellung gut besuchten Haus viel Beifall.

Michael S. Zerban