O-Ton

Kulturmagazin mit Charakter

Foto © Werner Häußner

Aktuelle Aufführungen

Auf Sparflamme gelungen

OPER UNPLUGGED
(Diverse Komponisten)

Besuch am
8. Juli 2020
(Einmalige Aufführung)

 

Mainfrankentheater, Würzburg, Großes Haus

Ein emotionaler Abschied von Altvertrautem: Als Oper unplugged feiert unter dem Motto   Das gibt’s nur einmal das Mainfrankentheater Würzburg mit leiser Wehmut die letzten Stunden im nunmehr über 50 Jahre alten Gebäude, bevor das Große Haus für mindestens zwei Jahre saniert wird. Dafür sind bis jetzt 75 Millionen Euro veranschlagt, aber immerhin steht schon der Rohbau für das „Kleine Haus“ mit 330 Sitzplätzen; hoffentlich kann es ab April nächsten Jahres in Betrieb genommen werden, vordringlich für Schauspiel, Ballettabende und zeitgenössisches Musiktheater.

Intendant Markus Trabusch, Moderator der Abschiedsgala, freut sich schon auf die Wiedereröffnung des ganzen Hauses, das dann als Staatstheater fungiert. Klugerweise hat ihn nach erfolgreicher Spielzeit der Würzburger Stadtrat für weitere fünf Jahre nach einigem Gezerre mit immerhin 30 zu 20 Stimmen im Amt bestätigt, und so kann er nun für die Zukunft planen. Der Zuschauerraum im Großen Haus wird, mit neuer Bestuhlung ausgerüstet, weniger Sitzplätze haben, denn der Orchestergraben wird vergrößert. Neben der energetischen Sanierung, der technischen Ertüchtigung aller Einrichtungen, einer neuen Ober- und Untermaschinerie der Bühne, neuen Fluchtwegen, einer doppelten Unterstützung für Hörgeschädigte durch Induktion und W-Lan gehört auch ein weiteres Stockwerk auf dem  Dach zum Umbau. Dort befindet sich dann auch ein großzügiger Orchesterprobensaal.

Foto © Werner Häußner

Das Würzburger Publikum, traditionell auf das Musiktheater fixiert, konnte bei der ausverkauften Abschiedsgala mit Corona-bedingten Beschränkungen für 100 maskenbewehrte Teilnehmende noch einmal in sparsam ausgestatteter Bühnenumgebung seine Lieblinge erleben. Die gute Nachricht dabei: Nahezu alle werden bleiben. So wird der bunte Reigen der Gesangsdarbietungen, von den Sängerinnen und Sängern persönlich vorgeschlagen und in eine lockere Reihenfolge gebracht, auch ausgiebig beklatscht als abwechslungsreiche Unterhaltung mit einer Prise Wehmut. Am Klavier begleiten den Abend je zur Hälfte André Callegaro und Silvia Vassalo Paleologo. Den Anfang macht der Bariton Daniel Fiolka mit der munteren Nummer der Comedian Harmonists Mein kleiner grüner Kaktus und dem leicht veränderten Titelsong Das gibt’s nur einmal. Barbara Schöller beweist ihre Qualitäten im Musical sehr beziehungsreich mit dem packenden Life is a cabaret, bevor Mathew Habib seine komödiantische Seite in der Arie über den Wurm aus der amerikanischen Oper The Ghosts of Versailles mit großer Stimme zeigt. Ein wenig mehr Schmelz hätte man vielleicht dem Schluss-Song der Olympischen Spiele von Barcelona Amigos para siempre von Andrew Lloyd Webber gewünscht – der Bariton Kosma Ranuer verabschiedet sich damit von seiner ehemaligen Wirkungsstätte. Dass die italienische Mezzosopranistin Marzia Marzo die Schönheit einer lauen Sommernacht in einer Barchetta auf der Lagune verträumt und subtil besingen kann, ist klar, und auch die Canzone von de Curtis Non ti scordar di me, berühmt geworden als Vergiss mein nicht durch Beniamino Gigli, weist bedeutungsvoll auf romantische Gefühle in ausdrucksvoller Gestaltung hin. Der Bass Igor Tsarkov stammt aus Russland; das unterstreicht er mit gelungenen Ausschnitten aus Michail Glinkas Ruslan und Ljudmila im Rondo des Farlaf und später in der Romanze O net, molju, ne uhoduil! von Rachmaninow.

Mit Liedvorträgen glänzen der neu verpflichtete, unangestrengt stimmstarke Bariton Hinrich Horn in Schumanns sehr differenziert angelegter Ballade des Harfners und in Pizzettis Petrarca-Sonett und Silke Evers mit ihrem strahlenden Sopran in Pizzettis Nachtigall-Sonett, der Beschwörung des Schönen von Ullmann und der bekannten Zueignung von Strauss, die mit der nachdrücklichen Botschaft schließt Habe Dank! Den Höhepunkt dieses kurzweiligen Abends bilden dann Opern-Ausschnitte, angeführt von Mathew Habib mit der wunderbar dahinschmelzenden Arie des Edgardo aus Donizettis Lucia di Lammermoor, und das Traumpaar der Würzburger Bühne, der Tenor Roberto Ortiz und die Sopranistin Akiho Tsujii, auch persönlich liiert, darf alle Corona-Distanz vergessen, sich küssen und umarmen und in Szenen und Duetten aus Verdis La Traviata und Puccinis La Bohème Liebende hinreißend darstellen, und die wunderbare Harmonie und der Glanz der herrlichen Stimmen ist dabei ein einziger Genuss. Barbara Schöllers begeisterndes Chanson Je ne regrette rien lässt dann noch einmal an all die schönen Stunden zurückdenken, die viele trotz abgeschabter, ausgeleierter Sessel, abgenutzter Stufen und nicht immer befriedigender Technik hier erleben durften.

Nun ist aber zu hoffen, dass auch die provisorische Ausweich-Spielstätte in der Blauen Halle von VaQtech wieder Publikum anlockt, dass in den rund 500 Leute fassenden Saal mehr als die jetzt erlaubten 100 hinein dürfen und dass der geplante, Corona-taugliche Rumpf-Spielplan bis Januar verwirklicht werden kann, natürlich ohne Massenszenen und Chor, mit kleinem Orchester, mit Schwerpunkt auf dem Barock und dem 20. Jahrhundert. Genaueres wird noch bekannt gegeben.

Renate Freyeisen