O-Ton

Kulturmagazin mit Charakter

Concentus Musicus Wien - Foto © privat

Aktuelle Aufführungen

Auf Mozarts Spuren

MOZARTS EUROPA
(Wolfgang Amadeus Mozart et al.)

Besuch am
23. und 24. Juni 2021
(Einmalige Aufführungen)

 

Mozartfest Würzburg, Kaisersaal/Weißer Saal, Residenz Würzburg

Mozart auf seinen Reisen zu begleiten, gelingt dem Würzburger Mozartfest mit einer Reihe begeisternder Konzerte. Vor allem Italien inspirierte das Wunderkind bei den Aufenthalten in Mailand und Neapel. Diese Musikmetropole und ihr Musizierstil regten Mozart ab 1770 zu frühreifen Schöpfungen an. Um seine Vorbilder kennenzulernen und die Werke des 14- bis 15-jährigen daran zu messen, ist der glanzvolle Italien-Abend im Kaisersaal der Residenz bestens geeignet. Auf der ersten Italienreise entstand Mozarts großer Mailänder Erfolg, die Opera seria Mitridate, Rè di Ponto. Die Ouvertüre dazu bietet einen Vorgeschmack auf weitere herrliche Hörerlebnisse, denn das im Stehen spielende Originalklang-Ensemble Il Giardino Armonico begeistert gleich nach einem duftigen Beginn mit viel Schwung, fein abgestimmtem, leuchtendem Klang und melodischem Schmelz; schön, wie die einzelnen Stimmen ausgewogen ineinandergreifen. Dass Mozart damals noch den üblichen Anforderungen an beeindruckende Gesangsakrobatik entsprach wie bei der furiosen Arie aus Betulia liberata, einem oratorienähnlichen Stück, demonstriert souverän Christiane Karg. Sie führt vor, was eine „geläufige Kehle“ ausmacht, begeistert mit Glanz, Klarheit, Lockerheit und unglaublicher Atem-Kondition ihres schönen Soprans in dieser Bravournummer, jeder Primadonna würdig, und die hochschwangere Sängerin im grau-silbernen Kleid hat offensichtlich auch Spaß daran. Eine andere Seite schlägt sie auf mit Niccolò Jommellis Arie Misera me! aus Armida abbandonata, dessen Oper die Mozarts in Neapel bewundern konnten. Hier dominieren melodisches Lamento, emotionaler Ausdruck, delikate Süße, dramatisch bewegte Seufzer, unterstützt vom Orchester in feinen Schattierungen, innere Spannung der stets perfekt sitzenden Stimme. Bei Johann Adolf Hasses eher konventioneller Arie aus seiner Oper Ruggiero mit dem Titel Faró ben io fra poco setzt die Sängerin ihre Stimme wie ein Instrument ein, beeindruckt mit großartigen Höhen und lockeren Verzierungen.

Christiane Karg – Foto © Thorsten Krienke

Dass Mozart gegenüber dem älteren, arrivierten Komponisten beim Wettstreit in Mailand beim Publikum und bei Hofe Erfolge feiern konnte mit seiner Serenata Ascanio in Alba, führt die Arie Infelici affetti miei wirkungsvoll vor durch die starken Gefühlsausbrüche, mitreißende, dramatische Steigerungen und wunderbaren Höhenglanz. Auch die Arie Pallid’ombre aus dem Mitridate gefällt mit Fülle, Wohlklang und dramatisch gestaltete Legati. Mit dem Lucio Silla, entstanden und uraufgeführt auf der zweiten Italienreise in Mailand, hatte Mozart weniger Glück. Wie ausdrucksstark aber gerade diese Oper ist, zeigt Karg mit der Arie Odo o mi sembra ; das Rezitativ gestaltet sie äußerst lebendig, als Ausdruck von Verzweiflung, während in den ariosen Teilen Freudiges betont wird und packende Dramatik überwiegt. Dass das Publikum im Kaisersaal danach ganz aus dem Häuschen ist und eine Zugabe verlangt, steigert die Begeisterung noch mit einem himmlischen Alleluja aus der 1773 entstandenen Motette Exsultate, Jubilate. Das hervorragende Orchester trägt dabei immer die Gesangsdarbietung durch Differenzierung von Tonstärke, Leuchtkraft und rhythmischen Impulsen. Mozart war sicher von Vorbildern beeinflusst. Das zeigt die Sinfonia D-Dur des „Vaters der Sinfonie“ Giovanni Battista Sammartini, wohl 1770 entstanden, mit freudigem Streicher-Brio, delikatem Andante und schwungvollem Presto und stets durchhörbaren feinen Figuren. Konzertmeister Stefano Barneschi leitet dabei mit viel Einsatz. Das frühe Streichquartett Mozarts G-Dur KV 156 verweist schon auf Späteres durch delikate Abstufungen, auch dunklere Wendungen, ein schicksalhaftes Adagio und einen manchmal fast gespenstischen Schlusssatz, während der unbeschwerte Kontretanz B-Dur KV 123 einfach nur gute Laune versprüht.

Das Publikum ist äußerst dankbar über die Einblicke in die frühe Meisterschaft Mozarts und diesen wirklich mitreißenden Abend.

Julien Prégardien – Foto © privat

Mozarts Aufenthalt in Wien ist für ihn prägend. Diese wichtige Station in seinem Leben zeichnet der Abend mit dem Concentus Musicus Wien und dem Tenor Julian Prégardien nach.  Zuerst begeben sie sich auf die Spuren der damaligen Türkenmode mit dem Singspiel Die Entführung aus dem Serail von 1782. Mit starken Kontrasten, fein duftig, dann mit mächtigem Schmackes und mitreißendem Schwung gestaltet das Wiener Orchester unter Stefan Gottfried die Ouvertüre, und Prégadien als Belmonte gefällt gleich mit Hier soll ich dich denn sehen, Konstanze durch sein jugendlich-viriles Timbre, seinen natürlichen stimmlichen Glanz und beste Textverständlichkeit. Ein türkischer Marsch C-Dur von Michael Haydn sorgt für die nötige „orientalische“ Atmosphäre, bevor dann der Tenor mit der berühmten Szene Konstanze dich wiederzusehen und der folgenden Arie sehnsuchtsvollen Ausdruck, Freude und feurige Liebesglut gestaltet, sein ängstlich klopfendes Herz zusammen mit dem Orchester hören lässt und mit gefühlvollem Ausdruck begeistert. Mozart hatte für seinen Freund Michael Haydn auch eine Einleitung für dessen G-Dur-Sinfonie geschrieben. Sie setzt vor dem ersten Satz starke Akzente, die werden aber durch die beschwingten, gute Laune verbreitenden Klänge Haydns abgelöst, durch ein lieblich weiches, versöhnliches Andante ohne allzu trübe Gedanken, alles endet in einem schnellen, geläufigen Finale mit scheinbarer Dramatik. Dass der erste Belmonte Valentin Adamberger die Konzertarie Per pietà KV 420, eigentlich für ihn geschrieben, aus irgendwelchen Gründen abgelehnt hatte, wird den Sänger im Nachhinein gewurmt haben, denn nach den spielerischen Streicherfiguren kann sich absoluter Stimmglanz entfalten; Prégardien gelingt das ausdrucksvoll, mit klingenden Linien, weich angesetzten Höhen und geradezu plastischer Verdeutlichung des vergeblichen Wartens auf Antwort.

Zur selben Zeit wie Mozart und aus demselben Anlass wie für die Entführung schrieb Joseph Haydn die Oper Orlando paladino nach dem Märchenstoff von Ariost. Die Ouvertüre, durchpulst von Energie, mit anmutigen Streicherfiguren und Wechseln in Tonstärke und Tempi bereitet schon vor auf die kontrastreiche Handlung. Mit der Arie Angelica, mio ben lässt Prégardien den Wandel des Orlando vom Liebenden zum Irrsinnigen heftig miterleben in Kraft und variablen Färbungen. Dass Mozart 1783 die Haffner-Sinfonie in D-Dur KV 385 auf die Schnelle in Nachtschichten schrieb, merkt man dem Werk nicht an, und das Orchester befolgt seine Anweisung, dass die Tempi eher forsch sein sollten, gerne. Nach mächtigem Auftakt, markanten Akzenten, geschliffenem Brio, Schwelgen im Lieblichen, einem geschwinden Menuett, gebremst nur durch ein gemütliches Trio, rast der Schlusssatz, vibrierend vor Lebenslust, dahin, entschieden und mitreißend.

Langer, begeisterter Beifall.

Renate Freyeisen