Kulturmagazin mit Charakter
Aktuelle Aufführungen
MOZARTFEST WÜRZBURG
(Diverse Komponisten)
Besuch am
27. und 28. Juni 2023
(Einmalige Aufführungen)
Auch ein reines Mozartprogramm ist keineswegs langweilig und kann sein Publikum in die ausverkauften Säle der Würzburger Residenz locken. Mit dem voll packender Spielfreude geradezu überbordenden Ensemble Il Pomo d‘ Oro unter dem von innerer Energie getriebenen Chefdirigenten Maxim Emelyanychev entfaltet das auf historische Aufführungspraxis fixierte Orchester mit vorwiegend jungen Musikern eine unbändige Lust am Musizieren. Dabei ist durch die Schwüle im Kaisersaal immer wieder ein Nachstimmen der Instrumente nötig; das ficht nicht an. Und der Dirigent erweist sich mit seinen raumgreifenden beschwörenden Handbewegungen als perfektionistischer Dompteur, stets gute Laune vermittelnd.
Die Haffner-Sinfonie Nr. 35 D-Dur KV 385 scheint am mächtigen Anfang noch etwas unter der Hitze zu leiden, bei dunklen dramatischen Akzenten und feinen, eleganten Figuren, etwas verwischten Bläser-Einsätzen. Aber alles ist detailverliebt gestaltet, das Menuett gerät kraftvoll, und erst das saftige, mit großem Impetus schnell angetriebene Presto lässt die Spannung entladen. Die Linzer Sinfonie Nr. 36 C-Dur KV 425 verrät mehr stark strukturierten Aufbau; der Dirigent vibriert fast dabei, zeigt Entwicklungen auf, fein abgestufte, schmiegsame Akzente, lässt alles nach dem Menuett mit seinem lieblich sich drehenden Trio mit einem straffen, federnden, leuchtenden und mitreißend dahinwirbelnden Finale enden. Die sich laut äußernde Begeisterung des Publikums ist aber schon beim Violinkonzert Nr. 3 G-Dur KV 216 stark angeheizt. Hier steht der junge russische Geiger Aylen Pritchin im Mittelpunkt. Er fügt sich von Anfang an bestens ins Orchester ein, spielt gleich mit, vollzieht auch körperlich in der Bewegung den Schwung der musikalischen Figuren mit, fasziniert durch die edel feine, schlanke Tongebung und durch die lebendige, scheinbar natürliche Gestaltung des Singens seiner Violine; das kann er im langsamen Satz empfindsam steigern durch reine Klangschönheit, und sich fast überschlagend im hexerisch schnellen Presto endet alles freudig, jugendlich beschwingt.
Foto © Fabian Gebert
Das bestens besuchte Konzert mit dem Philharmonischen Orchester Würzburg unter seinem Dirigenten Enrico Calesso bietet ein Programm, das für die meisten zuerst Unvertrautes aufweist mit Anton Weberns früher, zwölftöniger Sinfonie in zwei Sätzen op. 21 für ein kleines Orchester, eingeleitet vom etwas aufdringlichen Blechbläsern, sich scheinbar zögernd vorantastend in Variationen, mit gelegentlichen Erinnerungen an Melodisches, stark rhythmisch. Auch Mozarts Maurerische Trauermusik c-Moll KV 477 in der Originalfassung auf den Tod zweier Logenbrüder Mozarts klingt düster, dumpf, dunkel; die Bläser tragen dabei den traurigen Charakter bis zu einem eher besänftigenden Schluss. Dazu passt eigentlich Beethovens 7. Sinfonie A-Dur op. 92 mit ihrem Trauermarsch im zweiten Satz. In dem mit wuchtigen Schlägen begonnenen Werk, denen fein federnde Streicherfiguren folgen, gibt es zwar Kontraste von lieblichen Motiven zu starken Akzenten, aber alles wird eher schematisch betont, besitzt wenig Spannung, wirkt ein wenig schematisch, aber wenigstens gelingt der zweite Satz geschmeidig weich. Saftig, rhythmisch kommt der dritte Satz daher mit einem leuchtenden Presto, und ganz auf Kraft setzt der starke, mächtige Schlusssatz. Höhepunkt des Abends aber ist unstrittig der Liedvortrag von Marlis Petersen, derzeit überall in der Welt gefeiert. Zu Recht. Ihr wunderbar klarer, großer, in den Höhen ohne jeden Druck strahlender Sopran kann zwar brillieren und leuchten, wird aber oft vom etwas unstrukturiert auftrumpfenden Orchester fast zugedeckt. Da verschwinden die lyrischen Feinheiten in den Mädchenblumen op. 22 von Richard Strauss in der Bearbeitung von Eberhard Kloke. Zwar neigt die sympathische Sängerin dazu, die Vokale etwas abzudunkeln, was die Verständlichkeit erschwert, aber sie gestaltet die Kornblumen mit delikaten, brillant glänzenden Höhen, weitet die Mohnblumen schimmernd zum weichsten, besten Herzen, Epheu gerät rund und voll mit wunderbaren Steigerungen, fast geheimnisvoll die Augen schildernd; alles ist vollendete Poesie des Gesangs, aber nicht immer mit innerer Anteilnahme vom Orchester unterstützt. Ein weiteres Gesangs-Gedicht über ein schönes Mädchen ist Wasserrose, das von Elfen träumen lässt. Eindrücklicher kann die modern und schlicht im blauen Sommerkleid auftretende Sängerin Alban Bergs Sieben frühe Lieder gestalten; fein formuliert sie den geheimnisvollen Hauch bei der Nacht mit dem warnenden Gib acht! Das Schilflied, ohne jeden Bruch von der Tiefe zur Höhe wechselnd, zeigt tiefe Empfindung beim Weinen über den Verlust der Liebsten. Bei Die Nachtigall vermisst man beim Orchester ein wenig den süßen Schall; immerhin vermeint man im Gesang die Verklärung der Rosen zu spüren, aber bei Traumgekrönt wird man ganz von der wunderbar lichten Kopfstimme betört. Im Zimmer kommt das innerlich Bewegte zur Geltung, Die Liebesode verherrlicht mit schimmerndem Gesang die Träume des Rausches und bei Sommertage möchte man gerne Bild um Bild mitverfolgen in den weiten, glänzend vibrierenden Höhen dieser schönen Stimme. Herzlicher Beifall.
Renate Freyeisen