Kulturmagazin mit Charakter
Aktuelle Aufführungen
IDOMENEO
(Wolfgang Amadeus Mozart)
Besuch am
12. Juni 2021
(Einmalige Aufführung)
Bei der konzertanten Aufführung von Mozarts Oper Idomeneo im Kaisersaal der Residenz zu Würzburg stimmt alles, der Einklang der Musik mit Lichterglanz, Gold, Stuck und Raumpracht, und selbst die etwas „steinerne“ Akustik hört sich sogar aus der Ferne im Weißen Saal wie geschaffen für die Einheit von Architektur und Klangzauber an.
Dass man auf eine Inszenierung verzichtet wegen des historischen Ambientes und nicht zuletzt auch wegen der Corona-Beschränkungen, erweist sich für das Mozartfest keineswegs als Verlust. So konzentriert sich die Aufmerksamkeit umso mehr auf die Sänger und auf die orchestralen Leistungen. Die Oper selbst, für den Münchner Hof für den Karneval 1781 geschrieben nach einem Libretto des Hofkaplans Giambattista Varesco, ist wegen ihrer Handlung ohnedies etwas zwiespältig anzusehen. Mozart hatte sich hierfür nach Konventionen und Vorgaben zu richten, änderte mehrfach, kürzte und fand für den Schlussakt eine Lösung, die eigentlich dem Üblichen widersprach: Bei ihm gibt es ein Happyend, also ein glückliches Liebespaar und Versöhnung der Konflikte mit den Göttern, nicht wie in der opera seria ein tragisches Ende. Das einzig Tragische dabei: Die Liebessehnsucht der Elettra erfüllt sich nicht, sie bleibt sozusagen auf der Strecke, in Eifersucht und Hass zurück.
Maite Beaumont – Foto © Leidig
Obwohl für die Hauptrolle des Königs von Kreta, Idomeneo, beide vorgesehenen Sänger ausgefallen sind, kann kurzfristig noch der italienische Tenor Giulio Pelligra verpflichtet werden, der diesen Part zuletzt in Palermo verkörperte. Er gestaltet mit seiner etwas hell timbrierten Stimme, in der Tiefe etwas flach, die handlungstragenden Rezitative sehr lebendig, zeigt damit den inneren Zwiespalt wegen der von Poseidon geforderten Opferung des Sohnes an; seine große Arie Fuor del mar aber überzeugt mit starkem Impetus, großen Steigerungen, schwungvollen Verzierungen. Als trojanische Prinzessin Ilia gefällt Judith van Wanroij in jeder Beziehung; sie verfügt über einen dramatischen Sopran mit viel rundem, vollem, bruchlosem Glanz vor allem in den delikat angesetzten Höhen, gestaltet die Linien dynamisch aus, so in der Arie Se il padre perdei, und imponiert mit mühelosen Höhen in der Eingangsarie des dritten Aktes Zeffiretti. Ihre Rivalin um die Liebe des kretischen Prinzen, Elettra, Lenneke Ruiten, betört mit ihrer nie angestrengten, großen, weichen Stimme vor allem in der Arie Idol mio mit feinem, lyrischem Schmelz der melodischen Linien, wunderbar leichten, rein glänzenden Höhen, kann aber auch heftigen Furor und Funken sprühende Raserei bieten bei ihrem zornigen Schlussauftritt. Idamante aber, hier von einem herrlich vielschichtigen Mezzosopran, nämlich von Maite Beaumont, gesungen – nicht wie in der Münchner Uraufführung von einem wenig überzeugenden Kastraten – ist der absolute Mittelpunkt dieses Opern-Konzerts. Denn mit großer, glänzender Fülle gestaltet die international gefeierte Sängerin aus Spanien die Rezitative dramatisch bewegt; ihre runde, mit sanftem Elan ausgestattete Stimme verströmt vor allem in den Duetten des dritten Akts mit Ilia reinen Wohllaut und vermag mit klaren, weiten, schön schimmernden Höhen Freude, und im Duett mit dem Vater, Schmerzliches, Trauer sowie friedliche Ergebung in das Schicksal auszudrücken. Nicholas Scott in der Doppelrolle des Vertrauten Arbace und des Oberpriesters des Poseidon gefällt mit seiner starken, tragfähigen, ausdrucksstarken Stimme, und Matthieu Heim gibt der Stimme des Gottes mit seinem großen Bass weihevolle Ausstrahlung. Besondere Anerkennung aber verdient der achtköpfige Chor, allesamt Studierende der Hochschule für Musik in Würzburg, durch seinen ausgewogenen Klang, seine nachdrückliche Gestaltung des Entsetzens über den Meeressturm und den Zorn der Götter sowie die freudige Anrufung der Besänftigung der Elemente am Ende.
Eine Hauptrolle spielt das ausgezeichnete Orchester, ähnlich besetzt wie zu Mozarts Zeit, als die damals beste Kapelle aus Mannheim in München musizierte. Im Kaisersaal begeistern Les Talens Lyriques mit einer Vielzahl von Klangvariationen, durch die hervorragenden Bläser und feinen Streicher, die geradezu plastische Vermittlung von Sturm und aufgewühltem Meer, aber auch durch ganz liebliche Momente, und am Schluss mit einem siegreichen, feierlichen Triumph. Inspiriert werden diese hervorragenden Musiker durch ihren Leiter Christophe Rousset, der auch am Cembalo feinsinnig die Gefühlsregungen unterstützt und auch immer voll innerer Spannung sichtbar das Handlungsgeschehen durchlebt und auf diesem Weg in der Bewegung am Pult das auf das Orchester überträgt.
Das leider zahlenmäßig beschränkte Publikum ist nach dem Ende völlig aus dem Häuschen vor Begeisterung und fordert alle Mitwirkenden immer wieder in stehenden Ovationen vor das Podium.
Renate Freyeisen