O-Ton

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Foto © Nik Schölzel

Aktuelle Aufführungen

Doppelabend

DIE GLÜCKLICHE HAND/GIANNI SCHICCHI
(Arnold Schönberg, Giacomo Puccini)

Besuch am
18. September 2021
(Premiere)

 

Mainfrankentheater Würzburg, Blaue Halle

Zwei kurze musikalische Werke, fast zeitgleich entstanden um den Ersten Weltkrieg herum und doch grundverschieden in ihrer inhaltlichen Aussage, werden vom Mainfranken-Theater Würzburg zu einem etwas inhomogenen Doppelabend zusammengeschlossen, nämlich Arnold Schönbergs Drama mit Musik Die glückliche Hand und Giacomo Puccinis Einakter Gianni Schicchi , und daraus entsteht trotz gleichem Bühnenbild keine echte Einheit, denn im ersten Teil herrscht Gewalt, um das Glück für einen Einsamen zu erreichen, das sich dann doch nicht einstellt, im zweiten Teil aber dominieren Witz und List, wodurch schließlich doch Glück, zumindest für ein Liebespaar, verheißen wird.

Ein bisschen entspricht eine solche Kombination dem Spielzeitmotto „Riss durch die Welt“. Schönberg und Puccini zusammenzubinden, mag vielleicht auch musikalisch dadurch gerechtfertigt sein, dass bei ersterem die expressionistische Atonalität die inneren Zerwürfnisse des Mannes unterstreicht, bei letzterem Teil aber die Dissonanzen und Klangfarben die kleinbürgerliche Verwandtschaft mit ihren Erb-Streitigkeiten, ihre Charaktere illustrieren. Regisseur Benjamin Prins reduziert beide Hauptfiguren auf eine mögliche Homosexualität, und Ausstatter Pascal Seibicke setzt das in übergroßen männlichen Aktdarstellungen als Tapete an der Wand sowie Bildern und einer Plastik um. Die Möblierung der Wohnung aber wirkt spießig, unaufgeräumt und kleinkariert, keineswegs avantgardistisch, bildet zumindest bei Schönberg einen Gegensatz zum Antrieb des verhinderten, frustrierten Künstlers; bei Puccini passt ein solches Ambiente eher, auch wenn der verstorbene Donati reich war und sein Vermögen der Kirche vermacht.

In beiden Stücken verkörpert Bariton Kosma Ranuer die Hauptperson. Bei Schönberg hat er analog zu seiner übersteigerten Empfindung als Versager bis ins Falsett zu singen; der Text, von Schönberg selbst, mit einer Absage an das Glücksversprechen durch Musik, wird zusätzlich an die Wand projiziert, und das Philharmonische Orchester Würzburg unter der Leitung von Enrico Calesso, ergänzt durch Männer- und Frauenstimmen, vollzieht die Fassung für Kammerensemble von Eberhard Kloke mit viel Einsatz, steigert sich bis zu heftigen Klängen, als dem Mann von drei seltsamen Henker-Typen die Hand abgehackt wird. Gleich danach passiert im selben Zimmer die Handlung von Gianni Schicchi nach dem Libretto von Giovacchino Forzano, das wiederum auf eine Geschichte von Dante zurückgreift, dort aber in der Hölle endet. Der verstorbene reiche Buoso Donati – der Mann von vorhin – liegt auf der Couch, die spießige, kleinbürgerliche, in sich zerstrittene Verwandtschaft hat sich versammelt, um das Erbe anzutreten. Entsetzen aber bei der Entdeckung des Testaments: Alles bekommen die Mönche! Dagegen hilft nur einer: Gianni Schicchi, dargestellt von Kosma Ranuer! Er soll den Sterbenden vortäuschen und dem Notar ein neues Testament diktieren. Nach vielem Hin und Her gelingt das, aber anders als erwartet: Als Haupterben hat sich der schlaue Gianni Schicchi selbst eingesetzt, die Angehörigen des Donati werden mit Kleinigkeiten abgespeist. Nur einer kann sich freuen: Rinuccio, Roberto Ortiz, denn er darf endlich seine Lauretta, Akiko Tsujii, heiraten, die ihren Vater Gianni mit der berühmten Arie O mio babbino caro liebevoll umschmeichelt und, als die lästigen Erbschleicher weggejagt sind, von ihm die Schlüssel fürs eigene Haus erhält. Vorher aber gebärdet sich die habgierige Gesellschaft, die sich selbst durch ihren Geiz hereingelegt hat, zum Amüsement des Publikums ungeniert enthemmt.

Das komplette Opernensemble, angeführt von Tante Zita, Barbara Schöller, mit Gherardo, Mathew Habib, gefolgt von seiner mondänen Frau Nella, Silke Evers, Schwager Betto, Igor Tsarkov, Vetter Simone, David Hieronimi, mit Sohn Marco, Hinrich Horn, und dessen Frau Ciesca, Anna Pennisi, wuselt alarmiert herum, schickt die Hausangestellte, Hiroe Ito, weg, damit sie nichts von den Machenschaften mitbekommt. In herrlich karikierender Aufmachung und passender Kostümierung stellen sie Zerrbilder von Ehepaaren und Senioren dar, sind dabei in ständiger Bewegung und singen mit viel Vergnügen. Auch Doktor, Taiyu Uchiyama, und Notar, Jakob Mack, begleitet von Schuster, Paul Henrik Schulte, und Färber, Tobias Germershausen, erfüllen ihre Rollen gut. Weniger glaubhaft ist dabei allerdings, wie sich der scheintote Gianni, der noch dazu dauernd an seine vorherige Rolle mit dem verletzten Arm erinnert, in Anwesenheit der testamentarischen Zeugen geriert. Und Ranuer wirkt mit seinem kräftigen Bariton durchaus quicklebendig, nicht siech. Das Orchester unterstreicht alle aufgeregten Aktionen und gesanglichen Äußerungen der Donati-Verwandten mit viel Schwung und klanglich wohltönend.

Diesen gelungenen Spaß der Puccini-Oper beklatscht das Publikum lange mit viel Begeisterung; mit dem Schönberg am Anfang aber sind die meisten nicht einverstanden.

Renate Freyeisen