Kulturmagazin mit Charakter
Aktuelle Aufführungen
DIE COMEDIAN HARMONISTS
(Diverse Komponisten)
Besuch am
6. Juni 2024
(Premiere am 19. Oktober 2019)
Ein hochmotiviertes Sextett fängt mit dem ersten Ton sein Publikum ein und führt es durch ein höchst amüsantes, gut choreografiertes und zum Schluss zum Nachdenken anregendes Programm: Die Comedian Harmonists erobern weiterhin im Kleinen Haus die Zuschauer in Würzburg, und wer noch keine Karte hat, kann sich höchstens um zurückgegebene Tickets bemühen, aber es lohnt sich.
Andere Ensembles mit einem ähnlichen Programm, buchbar in ganz Deutschland, arbeiten auf den großen Bühnen mit Mikrofonunterstützung. Hier am Mainfrankentheater hat man sich für eine sehr authentische Version der legendären Geschichte entschieden. Franz Wittenbrink hat die Noten mit teils sehr berührenden Harmonien dafür eingerichtet, Gottfried Greiffenhagen das Buch geschrieben, und man hat es ähnlich gemacht wie bei den wirklichen Comedian Harmonists. Aus dem Würzburger Schauspielensemble kommen Hannes Berg und Loris Kubeng, der sich mit Elan in sämtliche weiblichen und männlichen Figuren stecken lässt, die für die Rahmenhandlung nötig sind. Daniel Fiolka, Bassist, und Jakob Mack, Opernchor, sind ebenfalls am Mainfrankentheater. Hinzu kommen der Mediziner und Sänger Martin Pauli und Pianist Frank Sodemann, die das Sextett vervollständigen. Durch eine solche Mischung – im Übrigen in der Zusammensetzung recht ähnlich zum originalen Ensemble – entsteht ein Sound, wie man ihn sich, wenn man die alten Aufnahmen der Comedians anhört, heute vorstellen würde. Nicht glattgeschliffen, sondern jede Stimme charakteristisch und sehr individuell.
Foto © Nik Schölzel
Die Geschichte ist hinreichend bekannt, im Berlin 1927 von dem Nicht-Sänger Harry Frommermann gegründet, erlebt das Ensemble bald einen unglaublichen Aufstieg im Vorkriegsdeutschland, trennt sich aber nach dem Berufsverbot für die drei jüdischen Mitglieder durch die Nationalsozialisten im Jahre 1935. Alle überleben den zweiten Weltkrieg, mussten aber zum Teil danach in bitterer Armut leben.
Andreas Wiedermann als Regisseur hat dem Ensemble einen von der Musik der 1930-er Jahre inspirierten Raum geschaffen, der sich hervorragend eignet. Im Hintergrund hängt ein überdimensionierter Grammophontrichter, der nicht nur als Schalltrichter, sondern auch als Projektionsfläche für eingespielte schwarz-weiße Videofetzen von Jürgen Bergbauer dient – Überleitungen zu neuen Szenen – die Menschen, Märsche, die bombastische Architektur der Nationalsozialisten und schließlich den dirigierenden Herbert von Karajan mit den Philharmonikern in der Berliner Philharmonie zeigen. Den Mittelpunkt der Bühne bildet eine schwarze Scheibe, einer Langspielplatte nachempfunden, sie kann sich drehen und neue Szenen entstehen lassen. Zusammen mit den vielen Koffern, die allenthalben herumstehen, kreieren die Akteure die Geschichte der Gruppe, gut in Szene gesetzt durch das Licht von Mariella von Vequel-Westernach. Die Kostüme wechseln, entwickeln sich, Aylin Kaip zeichnet für sie verantwortlich, sie hat mit gutem Gespür in der Kleidung den Aufstieg der Sänger dokumentiert.
In der Choreografie von Elisabeth Margraf liefern die sechs zwei Stunden beste Unterhaltung, teils mit tänzerischen und fast schon akrobatischen Einlagen wickeln sie das Publikum um den Finger, der bei Veronika, der Lenz ist da den Spargel wachsen lässt. Man muss immer wieder schmunzeln und auch herzhaft lachen, bis bei einem Auftritt im Deutschen Theater damals mit einer Ansage Juden im Publikum aufgefordert werden, den Saal zu verlassen. Beklemmung und Frohsinn stehen nebeneinander.
Die Sänger geben sich voll hinein in das Geschehen, verzaubern die Zuhörer mit den bekannten Melodien wie Ein kleiner grüner Kaktus, bieten mit Falsetttönen und Lautmalereien beste Unterhaltung und lassen kleine Unreinheiten genauso wie damals das Original zu. Frank Sodemann leitet den Abend sehr umsichtig und souverän vom Klavier aus. Am Ende, nach Irgendwo auf der Welt gibt’s ein kleines bisschen Glück, hat man sie alle liebgewonnen, sich mit ihnen gefreut und gelitten.
Ein großer, begeisterter Applaus des Würzburger Publikums fordert drei Zugaben.
Jutta Schwegler