O-Ton

Kulturmagazin mit Charakter

Foto © Peter C. Theis

Aktuelle Aufführungen

Zum ersten Mal vor Publikum

WIE EIN LABENDES GLAS WASSER FÜR DEN DURSTIGEN
(Johann Sebastian Bach, Johann Paul von Westhoff)

Besuch am
24. April 2021
(Einmalige Aufführung)

 

Friedenskirche in Wildau

Die Frühlingssonne an diesem Nachmittag versucht ihr bestes, den kalten Wind zu erwärmen. Nur schüchtern zeigt sich frisches, grünes Laub auf den Bäumen rund um die Friedenskirche in Wildau. Nicht schüchtern sind die Besucher, die sich in die Kirche wagen, gesundheitverordnungskonform in Listen eintragen und ihre Maske aufsetzen. Endlich wieder ein Konzert, bei dem Publikum dabei sein kann! Eingeladen zur musikalischen Andacht haben das Baroque E-Motion Trio mit drei Musikerinnen – Kerstin Linder-Dewan, Barockvioline, Beni Araki am Cembalo und Julia Kursawe spielt Barockcello und Cello Piccolo – zu einem Programm mit Musik von Johann Paul von Westhoff und Johann Sebastian Bach.

Dieses kleine Konzert, das nicht in einer Großstadt, sondern in einer Gemeinde im ländlichen Brandenburg mit gerade mal 11.000 Einwohnern stattgefunden hat, ist Sinnbild für die unglaubliche Vielfalt der Musikszene, die im ganzen Land in normalen Zeiten stattfinden kann. Hat es sich finanziell für die Musikerinnen gelohnt? Sicherlich nicht. Hat es sich musikalisch für die Musikerinnen gelohnt? Sicherlich ja. Hat es das anwesende Publikum bereichert und beglückt? Eindeutig ja. Gerade in diesen Zeiten, in denen sowohl die Musikerinnen wie auch das Publikum eine normale Erfahrung mit Musik in Echtzeit und -raum, nicht nur die Zweidimensionalität der Fernseh- oder Onlinewelt erleben wollen.

Das gerade mal knapp 60 Minuten lange Programm setzt ein mit der Gambensonate Nr. 1 in G-Dur von Johann Sebastian Bach.  Es folgt eine kurze Andacht von dem Kantor der Kirche, dann eine Collage aus Werken von Johann Paul von Westhoff, bestehend aus der Sonate Nr. 3 D-Moll, Nr. 6 G-Moll und Solosuite Nr. 6 D-Dur für Barockcello. Die Auswahl des Programms ist insofern interessant, als die Werke von Westhoff nicht oft im gängigen Repertoire vorkommen.  Sollten sie aber, da Westhoff – geboren 1656 in Dresden und gestorben 1705 in Weimar – einer der führenden Violinisten seiner Zeit war. Er galt auch als sehr gelehrt, sprach viele Sprachen und schon im Alter von nur 15 Jahren wurde er als Sprachlehrer für die jungen sächsischen Prinzen Johann Georg und Friedrich August, der spätere August der Starke, engagiert. Westhoff war auch als Komponist bekannt, besonders mit Werken für sein Instrument, die Violine. Ende des 17. Jahrhunderts war Westhoff als Konzertmeister am Hof von Sachsen-Weimar tätig wie auch Johann Sebastian Bach. Folglich muss Bach die Werke von Westhoff gekannt haben. Seine Suiten für Violine ohne Bass von 1696 gelten als vom Westhoffschen Geist beeinflusst.

Foto © Peter C. Theis

Das Baroque E-Motion Trio ist eine lose Zusammenführung von Musikern, gegründet von der Barockcellistin Julia Kursawe im Jahre 2007. In der Vergangenheit hat das Trio schon am Budapester Barockfestival und den Uckermärkischen Musikwochen teilgenommen.  Für dieses Projekt kamen noch Kerstin Linder-Dewan mit ihrer über 300 Jahre alten Barockvioline und Beni Araki mit einem modernen Nachbau eines französischen Cembalos aus dem frühen 18. Jahrhundert mit wunderschön bemaltem Deckel und Resonanzboden. Eigentlich hätten es drei verschiedene Programme an drei verschiedenen Orten in Berlin und Brandenburg werden sollen. Pandemiebedingt wurden zwei davon abgesagt, und so blieb nur die Friedenskirche in Wildau übrig, gefördert vom Bezirkskulturfonds Berlin Treptow-Köpenick. Hier können dann auch – besonders die Werke von Johann Paul von Westhoff – mit ihren ausdrucksstarken, virtuosen Melodien zur Geltung kommen. Die Darbietungen des Trios machen durchaus Lust, mehr von diesem Komponisten zu hören.

Für die drei Musikerinnen war es der erste Auftritt vor Publikum in diesem Jahr. Ansonsten verbringen sie ihre Zeit in Interaktion mit Schülern und Kollegen vor dem Bildschirm. Alle drei sind sich einig, dass die virtuellen Treffen, Proben oder Lehrstunden zwar eine brauchbare Alternative darstellen, aber nie die menschliche Unmittelbarkeit und Nähe ersetzen können und werden.

Die kurze musikalische Andacht ist wie labendes Wasser für einen Durstigen – sowohl die Musikerinnen wie auch das Publikum sind ausgetrocknet und empfinden dieses Rinnsal als Zeichen der Hoffnung für eine baldige Rückkehr in die Normalität.

Zenaida des Aubris