O-Ton

Kulturmagazin mit Charakter

Foto © Ruth Wischmann

Aktuelle Aufführungen

Talentförderung unter fürstlicher Obhut

LGT YOUNG SOLOISTS
(Philip Glass, Airat Ichmouratov, Astor Piazzolla)

Besuch am
21. September 2021
(Einmalige Aufführung)

 

Musikverein Wien, Brahms-Saal

Kulturelle Blütezeiten hatten ihre Höhepunkte nicht selten einer Symbiose von Geld, dynastischem Glanz und kreativer Genialität zu verdanken. Auch Haydn, Mozart und Beethoven profitierten von dieser glücklichen Liaison. Alle drei Meister profitierten auch vom Vermögen und Kunstverständnis des Fürstenhauses von Liechtenstein. Dass Beethoven seine Klaviersonate Nr. 13 in Es-Dur op. 27,1 der Fürstin Josephine von Liechtenstein widmete, ist nur ein Beispiel der tief verwurzelten Beziehungen zwischen dem Adelsgeschlecht und der musikalischen Elite der damaligen Zeit. Heute verdienen die Nachkommen unter dem schlichten Firmennamen LGT als international weit verzweigter Finanz-Trust ihr Geld. Dabei lässt der „Liechtenstein Global Trust“ auch nicht die Kunst zu kurz kommen, wobei die Nachwuchsförderung im Mittelpunkt steht.

Eins der fruchtbarsten Ergebnisse dieses Engagements ist die Gründung der LGT Young Soloists, für die seit 2013 der Geiger Alexander Gilman hochbegabte Streicher im Alter von 14 bis 23 Jahren aus aller Herren Länder zu einem Ensemble schmiedet, das auf einem derart hohen Niveau musiziert, dass sich Sony entschlossen hat, es als erstes Jugendorchester überhaupt vertraglich an sich zu binden. Bisher liegen bereits fünf Alben vor, zuletzt bei Naxos unter dem Titel Beethoven Recomposed mit der 3. Cello-Sonate und der Kreutzer-Sonate Beethovens in anspruchsvollen Orchesterversionen. Eine Einspielung, die deutlich macht, dass sich alle Musiker nicht nur als Orchestermusiker verstehen sollen, sondern auch die Gelegenheit bekommen, sich als Solisten zu präsentieren. Somit handelt es sich bei den LGT Young Soloists um eine Art streichender „All-Star-Band“ junger Solisten.

Alexander Gilman und Airat Ichmouratov – Foto © Mutesouvenir

Die Pandemie hat natürlich auch die Arbeit der LGT Young Soloists erschwert, aber nicht zum Erliegen bringen können. Am 17. September startete man in London mit 16 Musikern aus 15 Ländern ein neues ehrgeiziges Projekt, das demnächst als Album veröffentlicht wird. Wenige Tage später kann Prinz Philipp von und zu Liechtenstein das Ensemble im ehrwürdigen Brahms-Saal des Wiener Musikvereins begrüßen. Fast rechtzeitig, mit einjähriger Corona-bedingter Verspätung zum 100. Geburtstag des Bankhauses. Im Gepäck hat man gleich zwei dem Haus Liechtenstein gewidmete Auftragswerke. Eins aus der Feder einer komponierenden Berühmtheit, eins aus der Feder eines begabten Nachwuchskomponisten. Interessant, dass der eigens aus Kanada eingereiste russisch-kanadische Komponist und Dirigent Airat Ichmouratov mit seinem Concerto grosso Liechtenstein erheblich mehr kreativen Glanz und jugendliches Feuer versprüht als der prominente Philip Glass mit seiner Liechtenstein Suite. Fraglich, ob die an Philip Glass gerichtete Bitte Alexander Gilmans „um ein jugendlich zugeschnittenes Werk“ von dem minimalistischen Prinzipal erhört wurde. Das Werk erschöpft sich im Wesentlichen in austauschbaren monotonen Endlosschleifen, wie man sie von Glass gewohnt ist. Besondere Herausforderungen stellt es an die Musiker nicht. Schade auch für den 25-jährigen Pianisten Martin James Bartlett, der sein Talent an Glass‘ Tirol Concerto vergeudet. Ein langatmiges, im langsamen Satz endlos auf der Stelle tretendes Werk, das dem Solisten erst im Schlusssatz ein wenig Gelegenheit gibt, seine spieltechnischen Fähigkeiten zur Geltung zu bringen.

Erheblich interessanter verläuft der zweite Teil des Abends. Ichmouratovs Concerto grosso Liechtenstein bezeichnet Alexander Gilman als „eins der schwierigsten Stücke, die je für ein Streicherensemble geschrieben wurden“. Das trifft mit Sicherheit zu. Zugleich handelt es sich um eins der vitalsten, originellsten und brillantesten seiner Art, das jedem der 16 jungen Leute Höchstleistungen abverlangt. Je schwieriger und virtuoser die Anforderungen, umso stärker wachsen die Musiker über sich hinaus. Genau das ist das Futter, das hochbegabte, ehrgeizige junge Leute vom Schlag der Young Soloists brauchen. Die Gattungsbezeichnung „Concerto grosso“ ist nicht zu hoch gegriffen. Tatsächlich werden jedem Mitglied solistische Aufgaben anvertraut, die ebenso beeindruckend gelöst werden wie das lupenrein präzise Zusammenspiel selbst in den virtuosesten und heikelsten Passagen. Die sprühen in den Ecksätzen vor Temperament, wie man sie von den muntersten Sätzen Béla Bartóks kennt und der langsame Satz strahlt den melodischen Charme des Walzers und der Elegie von Tschaikowskys berühmter Serenade aus. Und das mit einer erfreulich persönlichen Handschrift des jungen Komponisten.

Kaum minder anspruchsvoll geht es weiter mit einer Streicherfassung der Vier Jahreszeiten von Astor Piazzolla. Auch das lauter vitale Musik, verbunden mit dankbaren solistischen Parts für drei Geigerinnen, nämlich die Südkoreanerin Haeun Kim, die Türkin Elif Ece Cansever und die Engländerin Lena Segal. Alle 20 Jahre jung und hochtalentiert wie auch ihre Kollegen.

Das Publikum reagiert genauso begeistert wie Seine Durchlaucht Prinz Philipp von und zu Liechtenstein.

Pedro Obiera