O-Ton

Kulturmagazin mit Charakter

Bilder ähnlich der besuchten Aufführung - Foto © Uli Spitznagel

Aktuelle Aufführungen

Verstohlene Tränen unter dem Sternenhimmel

DER LIEBESTRANK
(Gaetano Donizetti)

Besuch am
30. Juli 2023
(Premiere am 27. Juli 2023)

 

Junge Oper Schloss Weikersheim

Die Jeunesses Musicales haben ihr großzügiges Domizil in Weikersheim, im Norden Baden-Württembergs nahe der Grenze zu Bayern an der „lieblichen Tauber“ liegend. Hier finden jeden Monat internationale Kurse für begabte junge Musiker statt. Unter anderem auch die Opernakademie, die alle zwei Jahre im Schlosshof oder in der nahe gelegenen Tauberphilharmonie mit einer feinen Akustik stattfindet, in der bei Konzerten auch Größen wie Igor Levit, Grigory Sokolov und Christian Gerhaher auftreten.

In diesem Jahr hat sich die Opernakademie den Liebestrank von Gaetano Donizetti unter der Regie von Jakob Peters-Messer vorgenommen. Gemeinsam mit dem sehr kreativen Bühnenbildner und Lichtdesigner Guido Petzold und Kostümbildnerin Angela C. Schuett hat Peters-Messer eine spritzige, gut durchdachte, unterhaltsame und sehr schön anzusehende Inszenierung im Innenhof des Renaissance-Schlosses auf die Bretter gebracht, die für die jungen Mitwirkenden die Welt bedeuten und durchaus auch einen Sprung in größere Häuser bedeuten können.

Peters-Messer verlegt die Handlung in das Italien der 1950-er Jahre, was das informative Programmheft von Dramaturgin Clara M. Richter schon vorher erläutert. Eine einfache Holzbühne erinnert an Jahrmarktaufführungen, die schrägen Holzpfeiler, die die Konstruktion stützen, Lichterketten und der Schriftzug Capri an einen Zirkus. Der etwas erhöhte rechte Teil der Bühne ist einem kleinen Café vorbehalten, den eine Frauenfigur im Stil der 50-er Jahre dominiert. Adina inszeniert sich hier als gebildete Lady, die anfangs auf den Burschen vom Land, Nemorino, herabschaut. Belcore tritt als Carabiniere in Uniform auf, Dulcamara knattert als Zirkusdompteur oder Magier in einer knallblauen Piaggio Ape auf die Bühne. Den gleich erscheinenden Interessierten verkauft er seine Zaubertränke in kleinen Bocksbeuteln, man ist schließlich in Badisch-Franken. Die wunderbar die Inszenierung unterstreichenden Kostüme von Schuett zeigen sich zunächst in schwarz-weiß, später, als auch Nemorino sich in einen Clown umschminkt und Adina als Columbine erscheint, mimen auch die Chormitglieder mit bunten Halskrausen Figuren der Commedia dell‘ arte. Am Ende ist alles gut, und die beiden Liebenden finden sich bei Mondenschein und Sternenhimmel. Den konnten bisher zwei Aufführungen bieten, die anderen mussten wegen schlechten Wetters halbszenisch in der Tauberphilharmonie stattfinden.

Auch die Personenregie ist alles andere als langweilig. Nemorino und Adina sind gut aufeinander bezogen, viele kleine Details lassen die Zuschauer immer wieder genau hinsehen und den Faden nicht verlieren, wobei man bei der kleinen Bühne auf die hilfreichen Übertitel verzichten muss. Allein Nemorinos Spiel mit einer Leiter während einer Arie ist prächtig anzusehen. Viel sehr sinnvoll eingesetzte Bewegung vor allem auch durch den Chor, der das Geschehen kommentiert, machen die Abläufe dennoch gut verständlich. Öfters nutzt Peters-Messer das Stilmittel des Einfrierens beim Chor, um einen Hauptdarsteller seine Gedanken äußern zu lassen, das kommt gut rüber und wird durch die Lichtregie ordentlich in Szene gesetzt.

Jongyoung Kim als Nemorino zeigt eine weiche, lyrische Tenorstimme, die Belcanto-geschult ist. Ein Tenor mit guter Höhe, dessen Stimme sich sehr lebendig durch die Koloraturen der Partitur Donizettis bewegt. Er hat keinerlei Probleme, über das Orchester zu kommen und singt ein tadelloses Italienisch. Dabei zeigt er ein gutes Piano und eine schöne Messa di voce. Immer aber ist die Stimme Ausdruck von Emotion, man nimmt ihm den Leidenden und Verliebten gerne ab. Und seine große Arie Una furtiva lacrima gestaltet er sehr ruhig, sehr reif, mit schönen Farben – das Publikum dankt es ihm mit großem Zwischenapplaus.

Daneben tun sich die anderen männlichen Darsteller etwas schwer. Kanghyuk Lee als Belcore hat einen recht kräftigen Bariton, mit dem er auftrumpfen kann, was zur Rolle gut passt. Mit der Zeit wird er geschmeidiger, wirkt aber insgesamt etwas eindimensional. Bariton Jinseok Kim als Dulcamara singt seine Rolle mit Nachdruck, wirkt zum Teil angeschlagen, kann aber durch sein Spiel überzeugen und vieles wett machen.

Lydia Kakopierou verkörpert die kleine Rolle der Gianetta im Tüllkleidchen mit viel Grazie und einem warmen Mezzosopran, der sich deutlich über die Frauenstimmen erhebt. Hyerin Park als Adina schwebt mit ihrer obertonreichen Sopranstimme, die durchwegs technisch sehr gut und blitzsauber geführt ist, leicht über dem Orchester. Perfekter Schöngesang, dem noch ein wenig die Emotionen fehlen und der sich durchaus noch mehr Öffnung leisten könnte.

Der internationale, sehr spielfreudige Projektchor, von Lukas Rommelpacher, Constantin Schiffner, Klara Janus, Daeun Song und Nanami Yamane einstudiert, zeigt sich von seiner besten Seite, singt sauber, rhythmisch präzise und klangschön. Leider findet sich nur ein Tenor, der sich allerdings wacker schlägt.

Als Orchester gastiert derzeit die Junge Philharmonie Friaul unter Fausto Nardi in Weikersheim, die viel Verve und italienischen Schmelz in den Liebestrank legt. Manche Akzente könnten am Anfang besser kommen, manches klingt im Schlosshof etwas dumpf, aber nach und nach bringt Nardi die besten Nachwuchstalente Italiens zur Hochform.

Die Zuschauer im nicht ganz ausverkauften Schlosshof feiern die jungen Ausnahmetalente mit großer Begeisterung und gehen beschwingt nach Hause.

Jutta Schwegler