O-Ton

Kulturmagazin mit Charakter

Tokyo Symphony Orchestra - Foto © O-Ton

Aktuelle Aufführungen

Begegnung der Kulturen

TOKYO SYMPHONY ORCHESTRA

Besuch am
31. März 2018

 

Suntory Hall, Tokyo

Inmitten großer, moderner Büro- und Hotelkomplexe liegt die Suntory Hall, einer von mehreren Konzertsälen in der japanischen Hauptstadt Tokyo und Heimat des Tokyo Symphony Orchestra. Ein kleiner geschmackvoll gestalteter Platz öffnet sich, von verschiedenen Restaurants und Geschäftspassagen umgeben. Er ist Herbert von Karajan gewidmet, der in Japan sehr verehrt wurde. Eine Namensplakette ganz im Stil Salzburger Straßenschilder erinnert daran.

Gerade ist Kirschblüte, und es tummeln sich Jung und Alt unter zwei kleinen dekorativen Kirschbäumen. Eine Zeltreihe mit Essständen bietet europäische Spezialitäten, die die lokale Bevölkerung mit Begeisterung als Hanami, dem berühmten Picknick unter den blühenden Bäumen, zu sich nimmt.  Auch drinnen in der luxuriösen Konzerthalle erwarten die Besucher europäische Spezialitäten, diesmal sinnlich aus der Hand zweier für Ihr Heimatland bedeutender und heimische Naturstimmungen vermittelnder Komponisten. Jean Sibelius für Finnland und Anton Bruckner für Österreich.

Ruhig und andächtig huschen die Konzertbegeisterten über den plüschigen Teppichboden oder auf Rolltreppen in den 1987 eröffneten Saal, der im Stil und Aufteilung an die Berliner Philharmonie erinnert.

POINTS OF HONOR

Programm
Dirigent
Orchester
Solisten
Publikum
Chat-Faktor

Das Tokyo Symphony Orchestra ist ein renommierter Klangkörper in Japan und hat in seinem Bestehen mit allen bedeutenden Dirigenten zusammengearbeitet. Derzeit ist Jonathan Nott sein musikalischer Leiter. Diesen Konzertabend leitet der Engländer Mark Wigglesworth, der auch als Operndirigent und musikalischer Leiter der English National Opera internationale Aufmerksamkeit auf sich zieht. Jennifer Pike übernimmt den Solopart des Violinkonzertes von Jean Sibelius.  Zögerlich zittrig beginnt das ruhige Pianissimo. Orchester und Solist versuchen, Gefühl und Leichtigkeit im ersten Satz zu verbinden und treffen sich nicht immer. Auch in der Tempoführung gibt es Unebenheiten, die im Fortlauf des Konzertes wegfallen. Selbstbewusst und exakt gestaltet Jennifer Pike die Solokadenz. Elegisch, einfühlsam und harmonisch klingt der Schlusssatz aus. Dafür gibt es viel Beifall, den die Solistin mit einer Zugabe aus der Sarabande D-moll von Johann Sebastian Bach belohnt.

Mit der 4. Symphonie von Anton Bruckner, der „Romantischen“, wird ein anspruchsvolles großes symphonisches Werk in das Programm genommen. Alle Instrumentengruppen sind technisch sowie im Zusammenspiel gefordert. Allen voran obliegt den Bläsern in der Partitur, eine Vielzahl von Leitthemen vorzustellen. Mancher Einsatz will nicht gelingen und verschleppt so Spannungsbögen im Aufbau, typisch für den tiefgläubigen Anton Bruckner, die er mit reinigender, göttlicher Naturgewalt in nichts auflöst. Das erfordert exaktes Spiel und aufmerksames Miteinander mit klarer Anleitung des Dirigenten. Hier zeigen sich immer wieder Defizite besonders im Dirigat. Mark Wigglesworth versinkt in romantischer, breiter Stabführung, Takt und Einsätze verschwimmen. Das würzige, beliebte Scherzo zwischen Jagdszene und Volkstanz zerfließt trotz aller Mühen der disziplinierten Musiker. Das epische Finale gelingt über weite Strecken mitreißend gefühlvoll, der Spannungsbogen und die Schlussauflösung verpuffen. Aber die große Dramatik des Komponisten hat den Saal ausgefüllt und das Publikum wieder einmal gebannt.

Herzlich freimütig wird lange applaudiert. Danach höflich und diszipliniert ohne Geräuschkulisse der Heimweg angetreten. Asiatische und europäische Stilelemente und Kultur vermischen sich bei dem Besuch des Konzertes und werden zum lohnenden Reiseerlebnis.

Helmut Pitsch