Kulturmagazin mit Charakter
Aktuelle Aufführungen
THE BASSARIDS
(Hans Werner Henze)
Besuch am
19. August 2018
(Premiere am 16. August 2018)
Dionysus wurde von Zeus und Semele gezeugt. Semele verbrannte, als sich ihr Gottvater in voller Pracht zeigte. Theben ist seither in zwei Lager gespalten, in Gläubige und Ungläubige: In einem 15-minütigen, teils gesprochenen Prolog ohne Musik zeigt uns Krzysztof Warlikowski zum besseren Verständnis die Vorgeschichte.
Erst hier setzt nun die Oper The Bassarids von Hans Werner Henze ein. Der polnische Regisseur, der als Psychoanalytiker der Oper gilt, ist in erster Linie an den Traumata der handelnden Figuren der auf den Bakchen von Euripides – aus 406 v. Chr. – basierenden antiken, grausamen Geschichte von Wystan Hugh Auden und Chester Simon Kallman interessiert: Pentheus, der Enkel des Gründers von Theben Kadmos, wird König der Stadt. Zur großen Verunsicherung der Situation tragen die Gerüchte von der Rückkehr des Halbgottes Dionysus bei. Zum Schluss eskaliert die Lage: Pentheus wird von der eigenen Mutter geköpft und Theben geht in Flammen auf. Warlikowski zeigt eine zeitlose, aktuelle Story über Radikalisierung und Machtstrukturen sowie die Verführbarkeit der Massen, wobei die Anhänger des Dionysus-Kultes wie blinde Fanatiker ihrem Idol mordlüstern folgen. Pentheus wird zwar als Vertreter des rationalen Prinzips gezeigt. Er steckt jedoch voller Neurosen und zieht ein brutales Unterdrückungssystem mit Folter und Hinrichtungen auf.
Musik | ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() |
Gesang | ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() |
Regie | ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() |
Bühne | ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() |
Publikum | ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() |
Chat-Faktor | ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() |
Die Breitwandbühne der Felsenreitschule ist in drei moderne Einzelräume, die Bühnenbilder hat die ständige Mitstreiterin des Regisseurs Malgorzata Szczesniak erdacht, aufgeteilt, wo Parallelhandlungen stattfinden, die nicht alle gleichzeitig beobachtet werden können. Warlikowski bezieht auch die mehrstöckigen Arkaden der Felsenreitschule ein, wo der mit einer Kapuze verhüllte Dionysos das erste Mal geheimnis- und sehr stimmungsvoll erscheint. Mit präzise geführten Figuren und beeindruckenden Bildern, die viel Blut und Nacktheit zeigen, lässt er die beiden Welten, wie auf einer Kinoleinwand, sehr spannend aufeinanderprallen. Manchmal wird es jedoch auch zu viel des Guten, und die Bühne wirkt überfachtet.
Foto © Bernd Uhlig
Henze, der als einer der größten Opernkomponisten des 20. Jahrhunderts gilt, hat eine spannende Musik mit intensiver Sogwirkung geschrieben. Erfreulich ist, dass das Musikdrama nach der Uraufführung hier im Jahre 1966 jetzt nach 52 Jahren wieder in Salzburg zu hören ist. Die stilistisch reichen, auch spätromantischen Klänge mit Schrankenlosigkeit und Fülle – Dionysos war nun mal der Gott der rauschhaften Maßlosigkeit und Sinnlichkeit – durchaus von melodiöser Schönheit, die aber auch immer wieder von radikalen Brüchen durchzogen und von großer rhythmischer Entfaltung sind, werden von den groß besetzten Wiener Philharmonikern mit einer riesigen, ausgelagerten, seitlich situierten Schlagwerkgruppe unter Kent Nagano mit atmosphärischer Dichte und Sensibilität gespielt.
Gesungen wird auf Englisch und eigentlich ohne Schwachstelle: Sean Panikkar ist der geheimnisvolle Dionysus, ein toller Tenor mit ungebrochener heldischer Kraft, von dem man sicher noch hören wird. Russell Braun singt den König Pentheus mit edlem, stets fokussiertem, aber auch exzessivem Bariton. Willard White singt den Kadmos sehr sicher und markant. Nikolaus Schukoff ist ein höhensicherer und intensiver Seher Teresias und Kalliope im Intermezzo-Spiel Das Urteil der Kalliope. Tanja Arianne Baumgartner singt mit famosem Mezzosopran und intensivem Ausdruck die Agave, Mutter von Pentheus. Vera-Lotte Böcker ist sowohl als Autonoe wie auch als Proserpine tadellos. Karoly Szemerédy ist ein befehlstreuer Captain respektive Adonis mit schönem Organ. Anna Maria Dur singt die Amme Beroe fein. Der Wiener Staatsopernchor, dessen Einstudierung Huw Rhys James besorgte, singt ebenfalls tadellos.
Großer Jubel und immer ein volles Haus.
Helmut Christian Mayer