O-Ton

Kulturmagazin mit Charakter

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Aktuelle Aufführungen

Picknick mit Musik

UNCLE REMUS DUO
(Uncle Remus)

Besuch am
11. August 2022
(Einmalige Aufführung)

 

Schloss Eulenbroich, Innenhof, Rösrath

Warum fährt man nach Rösrath? Weil man dort wohnt, könnte die etwas ketzerische Antwort lauten. Eine gute Autobahnanbindung macht die Stadt mit knapp 30.000 Einwohnern interessant für Menschen, die in Köln arbeiten und naturnah wohnen wollen. Es locken die Naherholungsgebiete Königsforst und Wahner Heide. In den Bergisch Gladbacher Stadtteilen Refrath und Bensberg, die noch näher an Köln liegen, haben sich die Immobilienpreise längst der rheinischen Großstadt angeglichen, inzwischen ziehen allerdings auch die Immobilienpreise in Rösrath deutlich an. Das Problem von „Schlafstädten“ ist, dass dort das öffentliche Leben schnell zum Erliegen kommt. Dagegen wehren sich die Stadtpolitiker in Rösrath. Schließlich habe die Stadt zwei Pfunde, mit denen sie wuchern könne. Zum einen gebe es ein überdurchschnittliches Bildungspotenzial – das sich allerdings bislang eher in Köln auszahlt – und zum andern sei der ehrenamtliche Einsatz extrem hoch. Etwa zehn Prozent der Einwohner seien ehrenamtlich engagiert. Viele davon im kulturellen Bereich. Kultur? In Rösrath gibt es das Kulturzentrum Schloss Eulenbroich. Seit sieben Jahren wird dort zu den Sommerkonzerten eingeladen, Open-Air-Veranstaltungen auf der Schlosswiese mit dem Titel Saitenklänge unplugged.

Ist der Weg zum Parkplatz des Schlosses noch einigermaßen gut ausgezeichnet, können die ortsunkundigen Neuankömmlinge froh sein, dass Berthold Kalsbach, ehrenamtlicher Geschäftsführer der gemeinnützigen Schlossbetreibergesellschaft, zeitgleich mit ihnen ankommt. Er führt die Gruppe zu einem hässlichen Betonriegel, in dem es ein „Schlupfloch“, eine unscheinbare Tür, gibt. Von dort geht es zwischen Restaurant und Bildungswerkstatt zum Innenbereich des Ensembles. Direkt an die Betonfassade schließt sich eine hölzerne Terrasse an, die in einer Brücke über die Reste des Schlossgrabens im Innenhof mündet. Rechts davon liegt quer das historische Schloss. Ihm gegenüber findet sich der „offizielle“ Zugang. Zwischen alt und neu liegt die Schlosswiese. Um das Publikum nicht brutzeln zu lassen, haben die Veranstalter die Aufführung in den Schlosshof verlegt. Und so ist die kleine Bühne gegenüber der Brücke vor dem anschließenden Waldstück aufgebaut. Seit halb acht morgens sei man beschäftigt gewesen, den Innenhof herzurichten, Sitzgelegenheiten und Tische aufzubauen, berichtet Lisa-Ann Wittkopf, die die hübsche Berufsbezeichnung Schlossmanagerin trägt. Da müssen sich die Menschen, die mit Decken, Stühlen und Liegen angereist sind, zurücknehmen. Aber schließlich sind alle untergebracht, Tupperdosen, Gläser und Flaschen werden ausgepackt und auf den Tischen ausgebreitet. Schließlich gibt es noch den Untertitel Picknick-Konzerte. Es ist unglaublich. Viele dieser Menschen haben offenbar seit Tagen nichts mehr gegessen oder getrunken und vermutlich seit Jahren nicht mehr miteinander geredet.

Jeffrey Amankwa – Foto © O-Ton

Uncle Remus ist eigentlich eine fünfköpfige Band. Aber an diesem Abend sieht das Format den Auftritt von zwei Musikern vor. Also müssen Schlagzeuger Sven Hansen, Bassist Simon Cohnitz und Gitarrist Frank Herbort zuhause bleiben. Auf der Bühne nehmen Tom Plötzer am E-Piano und Sänger, Texter und Mundharmonika-Spieler Jeffrey Amankwa auf einem Hocker vor dem Mikrofon Platz. Letzterer ist auch für die Namensgebung der Gruppe verantwortlich. Denn er ist ein großer Fan von Onkel Remus, dessen Geschichten längst zu den Meisterwerken amerikanischer Literatur zählen. Im 19. Jahrhundert verfasste der Journalist und Volkskundler Joel Chandler Harris sieben Bücher, in denen Uncle Remus Fabel-, Märchen- und Mythenschatz afrikanischer, indianischer und europäischer Völker wiedergibt. Das Spannende an diesen Geschichten ist, dass sie auserzählt werden. Das ist Amankwas Sache nicht. Allzu oft ergeht er sich in seinen Moderationen in Andeutungen, versagt dem Publikum die eigentliche Pointe. Ausgleichen kann er das durch anhaltend gute Laune, den einen oder anderen dann doch gelungenen Scherz und seine Animationen. Da wird fleißig mitgesungen und im Sitzen getanzt. Aber der Reihe nach.

Kurz vor dem ersten Lockdown veröffentlichten Uncle Remus ihr erstes Album mit dem Titel Keep the Devil Busy – halte den Teufel beschäftigt. Aus der großen Tour, um das neue Programm vorzustellen, wurde nichts. Interessant ist, dass Uncle Remus ihr Album auf der Webseite Bandcamp veröffentlichte. Da kannst du als Musiker dein Album ohne Beteiligung von Labels veröffentlichen. Du bestimmst Umfang und Art des Marketings. Und Bandcamp bekommt erst mal so gut wie keine Provisionen. Klar, dass sich das über die Masse trotzdem rechnet. Die Reichweite ist die Crux. Die Wahrscheinlichkeit, als Band auf Bandcamp gefunden zu werden und plötzlich tausende von Alben zu verkaufen, ist vergleichsweise gering. Überraschungserfolge eingeschlossen. Plötzer erzählt von Verkäufen in Italien und Asien. Aber die Erfahrung der Band sagt, auch wenn das Album gleich einen Preis einheimste, verkauft wird über die Konzerte.

Tom Plötzer – Foto © O-Ton

Auch wenn die Band stark dezimiert ist, gelingt es den beiden Musikern doch von der ersten Sekunde an, das Publikum gefangen zu nehmen. Viel zu persönlich sei das Album geraten, erzählt Amankwa zwischendurch, aber vielleicht macht gerade das neben seiner fantastischen, farbenreichen Stimme die Faszination des Abends aus. Viel Soul gibt es hier zu hören, ja, manch Verschmustes und das ist auch sehr gefällig, aber richtig stark wird es immer dann, wenn tatsächlich die angekündigten Blues-Klänge ertönen. Schöne Akzente setzt Amankwa zusätzlich, wenn er zu einer seiner vier Mundharmonikas greift. Zwei Stunden, unterbrochen von einer kleinen Pause, unterhalten Uncle Remus das Publikum auf das Beste.

Als Zugabe erklingt dann der einzige Song, der nicht aus der Kompositionsstube der Musiker stammt. Aber es hört sich an wie eine Hymne, die den Glanz des Abends noch einmal wunderbar einfängt. Aus dem Jahr 1977 stammt Easy, eine der vielleicht schönsten Blues-Balladen der Musikgeschichte, die Lionel Richie für die Commodores geschrieben hat. Auch hier geht es noch einmal um Liebe, vor allem aber um ein Lebensgefühl, von dem an diesem Abend schon so viel zu hören war. Das Publikum bedankt sich mit frenetischem Applaus.

Zwei Sommerkonzerte stehen in Rösrath noch an. Am 25. August wird Lightning Jules auftreten, und am 8. September beschließt Matthew Robb die schöne Reihe für dieses Jahr. Die Konzerte finden übrigens auch bei regnerischem Wetter statt. Dann empfiehlt es sich, vorher zu reservieren, weil es in der Bildungswerkstatt nur eine begrenzte Zahl von Plätzen gibt.

Michael S. Zerban