Kulturmagazin mit Charakter
Aktuelle Aufführungen
LIEBE
(Hagen Rether)
Besuch am
30. Mai 2022
(Einmalige Aufführung)
Wie viele andere Häuser haben auch die Ruhrfestspiele in den letzten zwei Jahren ihr Programm coronabedingt erheblich einschränken müssen. Und so kann man dem Bürgermeister der gastgebenden Stadt Recklinghausen, Christoph Tesche, durchaus glauben, dass er sich genau wie Intendant Olaf Kröck und die Besucher der Ruhrfestspiele sehr freut, in diesem Jahr wieder ein volles Programm mit mehr als 90 Vorstellungen an 6 Spielstätten, dazu noch ein digitales Programmangebot anbieten zu können. Mit dem Motto „Haltung und Hoffnung“ bezieht sich Kröck auf „ die Kunst der Wahrnehmung und Empfindungen“, Theater und Kunst können helfen, „eine Position einzunehmen, Haltung zu beziehen“, genau das, was der Solist des Abends, Hagen Rether, dann dem Publikum im gut besetzten Großen Haus fast zwei Stunden anbietet. Er geht kurz auf die vergangenen mageren zwei Jahre ein und erklärt dem Publikum, dass er sich geweigert habe, die Corona-Lücke mit digitalen Medien zu füllen. Er weigert sich, noch mehr Plastik auf neuen CD zu produzieren. Bei seinem Gang durch die öffentlichen Medien bekommen natürlich die Talkshows und ihre Dauergäste ihr Fett weg. Dem Erzeroberer Putin setzt er mächtig zu und degradiert ihn zum „Tankwart mit Atomwaffen“. Bei den Grünen entdeckt er Elemente einer Ökodiktatur, und bei dem wohlmeinenden Feminismus sucht er nach kommunikativen Elementen.
Foto © Richard Huber
Hagen Rether, lange Zeit in den Medien als literarischer Kabarettist bekannt, zeigt sich in seinem stets variierten Programm von seiner politischen Seite, tagesaktuell, breit angesetzt, bissig bis bitterböse, mal nach links, mal nach rechts austeilend, wortschöpferisch, assoziativ und ätzend genau. Da ist viel Platz für humorvolle, kabarettistische Assoziationen. Da werden weder die Mächtigen noch die Unterdrückten geschont. Da werden Namen genannt und Parteien etikettiert, dass es dem Zuhörer oft schwer fällt, den Pointen zu folgen. Die Altvorderen einer kleinen, gelben Partei bekommen genau so ihr Fett wie Vertreter der blauweißen Farben. Ob jung und unerfahren, wie die Dame mit der hohen Stimme, oder Schwergewichte und Altgediente aus der politischen Arena …
Die Vorsitzenden zweier durchaus verschiedener Parteien haben es Rether besonders angetan, sie tauchen gleich mehrfach auf. Und deren Ruf nach „Wachstum – Wachstum – Wachstum“ animiert Rether zu bitterböser Kritik an der so genannten freien und sozialen Marktwirtschaft …
Wer unter den Zuschauern sich in den letzten Wochen so genannten Kabarett-Sendungen oder Comedies in den social media angeschaut hat, wird von der Schärfe, Originalität und den ruhigen, aber messerscharfen Argumenten und Formulierungen des Hagen Rether beeindruckt sein. Hier kommen wirklich Witz und Sachkenntnis zusammen, hier tragen Kunst und Wahrnehmung dazu bei, Positionen zu klären und „Haltung zu beziehen“ – und das alles in einem Tonfall, der die Besucher immer wieder zu Lachsalven und immer neuem Beifall animiert – ein amüsanter, ein erheiternder Abend voller bissiger Kommentare.
Horst Dichanz