O-Ton

Kulturmagazin mit Charakter

Bilder ähnlich der besuchten Aufführung - Foto © Innsbrucker Festwochen der Alten Musik

Aktuelle Aufführungen

Wenn die Geister singen

IDALMA
(Bernardo Pasquini)

Besuch am
23. Juni 2023
(Premiere)

 

Musikfestspiele Potsdam Sanssouci, Neues Palais Sanssouci, Potsdam

Bekanntlich geistert es ja oft in alten Gemäuern. So auch hier, in Alessandra Premolis Inszenierung von Idalma von Bernardo Pasquini, in der dritten der diesjährigen barocken Darbietungen der Musikfestspiele Potsdam Sanssouci als Koproduktion mit den Innsbrucker Festwochen der Alten Musik.

Im späten 17. Jahrhundert war Bernardo Pasquini eine Berühmtheit in Italien und es war für ihn eine große Ehre, den Auftrag einer Oper zum römischen Karneval von 1680 zu komponieren. Mit seinem Librettisten Giuseppe Domenico de Totis hat er dann auch eine Verwirrkomödie hervorgebracht, die an Modernität heutzutage nichts verloren hat. Es geht um Liebe, Eifersucht, Beständigkeit und Intrigen – was sonst?

Die Handlung dreht sich um Idalma, eine junge adelige Dame von außergewöhnlicher Schönheit. Ein Ur-Ahn von Don Giovanni, Lindoro, verliebt sich in sie, überredet sie, ihn heimlich gegen den Willen ihres Vaters zu heiraten und mit ihm nach Rom zu ziehen. Dort wird er ihrer bald überdrüssig und will zurück zu seiner alten Flamme, Irene, die mittlerweile seinen Freund Celindo geheiratet hat. Natürlich kommt es zu einem Happy End – nach drei Akten in fast vier Stunden inklusive zwei Pausen. Bis es so weit ist und beide Paare mit ihren jeweiligen angetrauten Partnern glücklich werden, gibt es noch jede Menge Verwirrungen, die von zwei Dienern, Dorillo und Pantano, sowie dem ältlichen Eigenbrötler Almiro, kommentiert werden. Der Untertitel der Oper chi la dura la vince – wer durchhält, gewinnt – bezieht sich in erster Linie auf die Beständigkeit der Liebe der beiden Damen, Idalma und Irene, die zu ihren Männern stehen, obwohl die es mit der Treue nicht so recht ernst nehmen.

Foto © Innsbrucker Festwochen der Alten Musik

Bühnenbildnerin Nathalia Deana schafft als Einheitsbühnenbild eine Eingangshalle in einem italienischen Palazzo. Vom alten Glanz sind noch einige Podeste und Gemälde übriggeblieben. Hier finden sich die Figuren des 17. Jahrhunderts ein, in aufwändigen, schönen, historischen Kostümen von Anna Missaglia. Regisseurin Premoli sorgt für den amüsanten Einfall, dass stumme Akteure – eine schicke Architektin und zwei Bauarbeiter – immer wieder auftauchen und Renovierungsarbeiten durchführen. Sie sehen die Geister der Vergangenheit nicht, bekommen aber doch mit, dass etwas nicht ganz stimmt: Der Zigarettenanzünder will nicht recht, weil er von einem unsichtbaren Geist ausgeblasen wird, ein Sofa ist plötzlich besonders schwer durch das Gewicht von Almiro, Lichter, die auf Koloratursoprantöne reagieren, umgekehrt auch der Page Dorillo, der schnell versteht, wie man ein Selfie aufnimmt – kleine Spielereien, die zur Erheiterung des Publikums beitragen.

Alessandro De Marchi und Giovanna Barbati haben die Partitur neu überarbeitet auf der Grundlage der etwa 350 Jahre alten vergessenen Handschrift, die sich in der Bibliothèque Nationale de France befindet. Diese Neufassung beeindruckt mit einem Feuerwerk an musikalischen Pointen. Das unter De Marchis Leitung munter aufspielende Innsbrucker Festwochenorchester liefert dazu eine Vielfalt an Klangfarben, Rhythmen und Tempi.  Der kleine Graben des Theaters ist so voll mit Theorbe, Gitarre, Doppelharfe, Gambe und Cembalo, dass De Marchi keinen Platz hat und sein Ensemble von außerhalb dirigiert – das ermöglicht ihm einen besonders guten Blickkontakt zu den Sängern.

Foto © Innsbrucker Festwochen der Alten Musik

Die durchweg überzeugenden Sänger – es wird sogar verständlich auf italienisch gesungen – zeigen eine erfrischende Spielfreude auf. Arianna Venditelli ist Idalma, eine Sopranistin mit intonationssicheren Koloraturen mit einem Hauch an verliebter Verträumtheit, die ihrer Rolle durchaus entspricht. Tenor Anicio Zorzi Giustiniani ist kurzfristig eingesprungen und singt aus dem Graben – seine Rolle wird auf der Bühne von der Regisseurin gemimt. Margherita Maria Sala ist eine Irene, die weiß, was sie will und wie sie es bekommt. Mit einem schönen, warmen Alt und viel Charme und Witz beherrscht sie die Bühne. Ihr Partner ist Celindo, der von Tenor Juan Sancho mit lyrischem Schmelz gesungen wird. Bariton Morgan Pearse gibt einen wunderbaren komödiantischen Almiro, Bruder von Irene und passionierter Jäger, der erst schießen und dann reden will. Bass Rocco Cavaluzzi setzt den gewieften Diener Pantano ins rechte Licht. Als sein Gegenspieler ist der Page Dorillo von Anita Rosati mit hellem und wendigem Sopran gesungen. Beide kommentieren und lenken die Amouren und Geschäfte ihrer Herrschaften, auch zu ihren eigenen Gunsten.

Die Musikfestspiele Potsdam Sanssouci hatten heuer das Motto Die Freundschaft. Die künstlerische Leiterin, Dorothee Oberlinger, hat mit der Auswahl der drei Opern L’Huomo von Wilhelmine von Bayreuth, David et Jonathas von Marc-Antoine Charpentier und zuletzt Idalma von Bernardo Pasquini gezeigt, dass sie über ein feines Gespür für musikalische und dramatische Qualität verfügt, ohne die Komponenten der intelligenten Unterhaltung zu vergessen. Der Erfolg der drei Opern – über 95 Prozent ausverkaufte Vorstellungen – beweisen, dass das Publikum die Auswahl und das Genre durchaus würdigt. Man darf auf das Programm unter dem Motto Tanz im kommenden Jahr gespannt sein.

Zenaida des Aubris