O-Ton

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Aktuelle Aufführungen

Gelungene Wiederentdeckung

ACHILLE ET POLYXÈNE
(Jean-Baptiste Lully)

Besuch am
1. September 2022
(Premiere)

 

Schlosstheater im Neuen Palais, Potsdam^

In einem königlichen Rahmen – das wunderschön renovierte kleine Schlosstheater im Neuen Palais in Potsdam – findet eine für einen anderen König komponierte Oper statt:  die Tragédie lyrique Achille et Polyxène. Die Entstehung dieser Oper hat eine bewegte Geschichte: Jean-Baptiste Lully komponierte Ouvertüre und ersten Akt, starb dann aber an den Folgen eines Unfalls. Sein Schüler, Pascal Collase, beendete das Werk, das dann noch zusätzlich mit den Ballettmusiken von Louis Lestang und Louis-Guillaume Pécour ausgeschmückt wurde. Die aktuelle Produktion des Göttinger Barockorchesters unter Leitung von seinem Chefdirigenten Antonius Adamske ist die erste Komplettaufführung seit der Uraufführung 1687. Inklusive der diversen Balletteinlagen und Pause kommt es somit zu fast vier Stunden Spielzeit.

Der Inhalt erzählt die komplizierte Geschichte von den Beziehungen zwischen dem griechischen Held Achilles und seine wachsende und verbotene Liebe zur trojanischen Prinzessin Polyxène, der Tochter des Feindes. Die Liaison wird im Laufe der Oper zwar von Priamos, König von Troja und Vater der Polyxène gesegnet, aber letztendlich greift die Göttin Juno ein und bringt Achilles im Zuge einer persönlichen Intrige zu Fall. Polyxène, die die Liebe von Achilles erwidert, nimmt sich am Ende aus Trauer um den Geliebten das Leben. Kein Happy End. Regisseurin Theresa von Halle und Ausstatterin Felicia Riegel verdeutlichen die eigentliche Antikriegsbotschaft des Stückes mit sparsamen Mitteln und Requisiten – Totenköpfe werden würdevoll auf die Bühne gelegt, symbolisch für alle, die in Kriegen umkommen; Sandsäcke werden multifunktionell als Burgen oder Lager eingesetzt. Wegen der komplizierten Wendungen der Handlung sind die deutschen Übertitel besonders hilfreich, da mit geringer Verständlichkeit auf Französisch gesungen wird.

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Der Tenor von Martin Platz als Achilles strahlte in barocker Eleganz, wobei sein schlanker und jungenhafter Körper die Antithese von einem stereotypischen Helden darstellt. Julia Kirchner setzt ihren schönen, silbernen Sopran als Polyxène ein. Unter den vielen kleineren Rollen fällt Sopran Marysol Schalit in der Rolle der verschmähten Geliebten von Achilles als Prinzessin Briseis für ihr sehr engagiertes, emotionales Rollenengagement auf.

Ballett als Teil einer Oper war im 17. Jahrhundert selbstverständlich.  Immerhin war der französische Sonnenkönig Louis XIV. ein exzellenter Tänzer wie auch Lully, der oft Teil der königlichen Tanzformation war. Die Tanzsprache der damaligen Zeit war äußerst formell und ausdrucksvoll, da sie einen gesellschaftlichen Anlass zum direkten Austausch zwischen Mann und Frau erlaubte. Hierüber gibt es sicherlich viele philosophischen Abhandlungen. Das Barocktanzensemble Athen an der Leine führte die gesamten Balletteinlagen in dieser sehr minimalistischen Produktion durch, inklusive eines kurzweiligen Kastagnetten-Duos. Dass sich dennoch der Abend durch das Ballett in die Länge zieht, ist sicherlich kein kritischer Punkt, nur eine Feststellung ob der gegenwärtigen schnelllebigen Zeit.

In dem winzigen, in die Breite gezogenen Graben des Potsdamer Hoftheaters zwängen sich die Mitglieder des Göttinger Barockorchesters ein. Die Geigen sind an diesem Sommerabend sehr anfällig und müssen oft gestimmt werden, was eher zur authentischen Atmosphäre beiträgt und die offensichtliche Spielfreudigkeit der Musiker überhaupt nicht beeinträchtigt. Besonders zu erwähnen ist Axel Meier, der eine Unzahl an Perkussions-, Timballes und anderen stimmungserzeugenden Instrumenten bedient. Antonius Adamske, zusammen mit Sabine Erdmann an den beiden Cembali, dirigiert im hohen Graben mit sichtlichem Engagement und Liebe zum Stück.

Warmer Applaus für das gesamte Ensemble für die gelungene Wiederentdeckung.

Zenaida des Aubris