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CHRISTOPH UND JULIAN PRÉGARDIEN SINGEN BEETHOVEN UND SCHUBERT
(Diverse Komponisten)
Gesehen am
31. Januar 2021
(Video on Demand)
Es ist eine etwas außergewöhnliche Zusammenstellung, die uns die Philharmonie de Paris für diesen Liederabend bietet: Schubert-Lieder und -Arien teils mit Arrangements für Orchesterbegleitung verschiedener Komponisten, zwei Sänger, die sich die Interpretation der Lieder teilen und dazu noch modernes Ausdrucksballett.
Das Konzert beginnt mit der Ouvertüre Die Geschöpfe des Prometheus von Beethoven, kraftvoll interpretiert vom Orchestre de Chambre de Paris unter der Leitung von Lars Vogt. Dazu bringt ein Prometheus-Tänzer im dunklen Balkon über der Orchesterestrade in vielen Drehungen und Windungen das den Göttern gestohlene Feuer herunter.
Es folgt eine Reihe von vier Schubertliedern. Eindrucksvoller als der Tanz ist das das Lied Prometheus. Durch die Orchesterbegleitung von Max Reger wird das dramatische Lied zu einer dramatischen Opernszene, schön interpretiert von Julian Prégardien mit heller, in den dramatischen Passagen schneidend-heller Heldentenorstimme. Im folgenden, sehr lyrischen Greisengesang, übernimmt Vater Christoph Prégardien die Interpretation. Sein immer noch schöner Tenor ist dem Bariton näher gerückt, und trotz der Brahmsschen Orchesterbegleitung schimmert hier mehr Schubert durch als im vorhergehenden Lied. In den beiden nächsten Liedern Der Vater mit dem Kinde und Der Erlkönig singen Vater und Sohn, gemeinsam, teils zusammen, teils im Wechselgesang. Hier wird im Vergleich überdeutlich, wie sehr doch dabei Lars Vogt am Klavier dem Lars Vogt auf dem Dirigentenpult vorzuziehen ist. Mag sein, dass sich bei der Dramatik des Erlkönigs ein Arrangement für Orchester anbietet und Max Reger hat dem wohl nicht widerstehen können. Aber, o wie dramatischer, wie viel aufregender ist doch die Originalklavierbegleitung von Schubert! Die stimmliche Interpretation ist in beiden Fällen sehr gelungen, das Timbre der beiden Stimmen ist sehr ähnlich und der hellere Tenor des Sohns ist sehr schön auf den etwas dunkleren des Vaters abgestimmt. Ob nun das Duett einem-Solo Gesang vorzuziehen ist, soll dahingestellt bleiben.
Bildschirmfoto
Als Zwischenspiel folgt die Coriolan-Ouvertüre von Beethoven. Diesmal von zwei Tänzern begleitet, die auf der Estrade neben dem Orchester einen modernen Ausdruckstanz vollführen und uns auch bei den folgenden Liedern nicht mehr verlassen, was manchmal der Konzentration auf die Musik Abbruch tut.
Der zweite Teil des Schubertprogramms beginnt mit einer Szene und dem Lied vom Wolkenmädchen aus der „großen heroisch-romantischen Oper“ Alfonso und Estrella, interpretiert von Julian Prégardien zuerst, und anschließend, überaus nuanciert und lebendig, von Christoph Prégardien mit der eigentlichen Geschichte vom Wolkenmädchen. Ein fast unbekannter Juwel des Schubert-Repertoires, in dem auch das Thema von Täuschung aus der Winterreise anklingt.
Und gleich das nächste Lied führt auf diese Winterreise. Der Wegweiser ist eines der verzweifeltsten und geheimnisvollsten Lieder dieses Zyklus, in all seiner Kargheit sehr schön gesungen von Julian Prégardien. Auch hier könnte man die Original-Klavierbegleitung vorziehen, aber die auf ein Mindestmaß beschränkte Orchestration Anton Weberns wird Schubert wesentlich gerechter als die oben besprochenen Versuche Brahms und Regers.
Lieder, und besonders Schubertlieder, sind Kleinkunstwerke auf höchstem musikalischem Niveau, in denen der Komponist auf sehr beschränktem Raum eine Idee, eine Handlung, eine Atmosphäre zum Ausdruck gebracht hat, und der Sänger diese geistig nachvollziehen und nur mit seiner Stimme, fast ohne Körpersprache, wiedergeben muss. In Totengräbers Heimweh lässt Vater Prégardien seiner ganzen stimmlichen Interpretationskunst freien Lauf, um das dem Hörer verständlich zu machen, was Schubert ihm hier vorgegeben hat. Sohn Prégardien versucht anschließend dasselbe im Doppelgänger. Vater und Sohn geben im Zwiegesang ein sehr weihevolles Nacht und Träume mit einer entsprechend sanften Orchesterbegleitung der jungen Komponistin Clara Olivares und als Abschluss wieder im Zweigesang Im Abendrot, diesmal wieder mit Klavierbegleitung, sodass die Schubertsche Romantik voll erhalten bleibt.
Besonders in dieser für alle Künstler ungemein schweren Zeit ist es begrüßenswert, dass die Veranstalter eine solche Vielzahlt von Interpreten an diesem Liederabend haben teilnehmen lassen. Normalerweise sind es bei einem Liederabend ja nur zwei. Auch ist es immer interessant, neue Interpretationsmöglichkeiten zu erforschen. Dennoch ist das bei einem so intimen und, man möchte fast sagen, musikalisch fragilem Kleinstkunstwerk wie dem deutschen Kunstlied ungeheuer schwierig und erfordert sehr viel Fingerspitzengefühl.
Trotz alledem, es ist ein schönes Konzert.
Alexander Jordis-Lohausen