O-Ton

Kulturmagazin mit Charakter

Foto © Stephan Walzl

Aktuelle Aufführungen

Ein frustrierter Galan

DON PASQUALE
(Gaetano Donizetti)

Besuch am
12. September 2020
(Premiere)

 

Oldenburgisches Staatstheater

Als wäre das Oldenburgische Staatstheater für diese romantische Oper des 19. Jahrhunderts gebaut: 1842 wird das Theater als Großherzogliches Hoftheater selbständig, kurze Zeit später vollendet Hofbaumeister Gerhard Schnitger das Haus als Großherzogliches Residenztheater im italienischen Renaissancestil. Der fürstliche Theaterbau mit reichlicher Stuckverzierung, Goldverblendungen,  auf drei Ebenen verteilten Balkonen und einer imposanten Gestaltung des Zuschauerraums bietet einen perfekten Hintergrund für das Bild dieses fürstlich-sorglosen Lebens bei Hofe, bei dem sich die  Durchlauchtigsten anstrengen müssen, um nicht vor Langeweile zu sterben.

Die Personen und ihre Absichten sind bekannt: Don Pasquale, ein älterer Herr, ledig, reich und gelangweilt, Norina, eine junge, attraktive Frau, verwitwet, auf der Suche nach „dem Einen“, am liebsten reich ausgestattet, Ernesto, ein junger, feuriger Neffe des Hausherrn, dem Norina ausgesprochen gut gefällt, Malatesta, der langjährige Freund und Berater des Don Pasquale, Carlotto, ein windiger Notar und Rechtsverdreher und schließlich der Kammerdiener, von Mykola Pavlenko umwerfend komisch als eine Art Szenenclown gespielt.

Don Pasquale, gewichtig und überzeugend dargestellt von Donato di Stefano, füllt in jeder Beziehung den Bühnenraum. Physisch braucht er reichlich Platz, stimmlich beherrscht er die Bühne, sein voluminöser, wohl klingender Bass füllt auch klanglich die Szene. Schade, dass die verwitwete zierlich-nette Dame Norina das nicht wahr nimmt, sich überhaupt nicht beeindruckt zeigt. Sie befasst sich eher mit ihrem Outfit und ist stolz auf ein wandfüllendes Schuhregal, das den Bühnenraum nach hinten abschließt. Gut 350 Paar Schuhe haben Theaterfreunde aus Oldenburg gesammelt und dem Theater für diese originelle Bühnendekoration zur Verfügung gestellt, damit die modeverrückte Norina täglich ihre Schuhe wechseln kann. Ein Verwirrspiel zwischen Don Pasquale, seinem Neffen,  der angebeteten Norina und einer erfundenen Schwester Sofronia des Notars sorgen  für witzige Unterhaltung, musikalisch bestens in Szene gesetzt von Vito Cristofaro und dem Oldenburgischen Staatsorchester. Man merkt den Musikern die Freude an, die sich nach längerer Pause endlich wieder den harmonischen Klängen romantischer Musik hingeben können. Die eingängige Musik und die durchweg ausgezeichneten Stimmen tun ein Übriges, auf den Bögen der leicht daher kommenden Musik das leicht-lockere Leben klanglich zu untermalen. Allen voran die Figur und der Klang der Bassstimme von Donato di Stefano, kontrastiert von Martha Eason als ausdrucksstarke, sichere Sopranstimme. Malatestas sonore Baritonstimme gibt dem Notar einen gewissen seriösen Anstrich, Michael Porter als Gast bringt den eher jugendlichen Ernesto etwas ungestüm auf die Bühne.

Christoph von Bernuth hat dieses höfische Neck-mich-Spiel in seiner Zeit angesiedelt und die Figuren in zeitgemäße Kostüme gesteckt. Eine gelungene Idee ist die Ausstaffierung der Bühnenrückwand mit Hunderten von Schuhpaaren, die ebenso zu der verwöhnten Norina gehören wie ihr rot-gebändertes Strumpfband.  Auch wenn heute manche dieser Hasch-mich-Spiele Erwachsener ein wenig seltsam anmuten – Donizettis Musik fängt vieles wieder auf.

Vito Cristofaro hat mit dem Oldenburgischen Staatsorchester einen versierten Klangkörper zur Hand, dessen Spiellaune die Besucher bald ansteckt. Und so gilt denn auch der lang anhaltende Schlussapplaus sowohl dieser leicht-lockeren Aufführung wie der Tatsache, dass das Haus endlich wieder Theater spielt – für sich und für die Zuschauer.

Horst Dichanz