O-Ton

Kulturmagazin mit Charakter

Bildschirmfoto

Aktuelle Aufführungen

Ein Strauß bunter Sträuße

STRAUS & STRAUSS & CO.
(Diverse Komponisten)

Gesehen am
20. Februar 2021
(Premiere/Livestream)

 

Gärtnerplatztheater, München

Vor genau drei Monaten, nämlich am 21. November 2020, zeigte das Gärtnerplatztheater dem Coronavirus und dem Lockdown die rote Karte und startete mit der Übertragung von Hänsel und Gretel eine erfolgreiche Serie von Livestreams. Nun steht bereits die zehnte Übertragung aus dem Gärtnerplatztheater auf dem Programm, und das darf man vorwegnehmen, ein richtiges Schmankerl! Mit dem bezeichnenden Titel Straus & Strauss & Co. steht ein buntes Opern- und Operettenmedley auf dem Programmzettel, quasi ein „Best of“, was das Gärtnerplatztheater zu bieten hat. Von Oscar Straus bis Richard Strauss reicht die Palette, allerdings verzichtet man auf Johann Strauss, was aber dem farbenfrohen Strauß an Melodien keinen Abbruch tut. Corona-konform, mit reduziertem Orchester auf der Bühne, dem Herrenchor in den Rängen und Logen verteilt, und gebührendem Abstand der Sänger auf der Bühne. Alles, was an körperlicher Nähe fehlt, wird durch Schöngesang im Ausdruck wettgemacht.

Das Konzert beginnt atypisch, nicht mit einer festlichen oder schwungvollen Ouvertüre, sondern mit der Arie des Bajazzo Si può, si può aus Pagliacci von Ruggero Leoncavallo. Vielleicht ein augenzwinkernder Hinweis, dass wir die momentane Situation mehr von der komödiantischen Seite betrachten sollen. Doch Vorsicht! Der Bajazzo nimmt, wie wir wissen, kein gutes Ende. Matija Meić interpretiert die Arie mit markantem Bariton und wird dabei kunstvoll von Ekaterina Tarnopolskaja am Flügel begleitet. Nach diesem Intro aber beginnt das eigentliche Konzert mit der Ouvertüre aus Mozarts Le nozze di Figaro, die Anthony Bramall mit der Kammerbesetzung des Orchesters des Staatstheaters am Gärtnerplatz schwungvoll dirigiert. Der GMD wechselt sich bei diesem Konzert mit Andreas Kowalewitz ab. Bramall ist für die große Oper zuständig, Kowalewitz übernimmt den Operettenpart. Auch das bedeutet Abwechslung und Farbenreichtum. Irgendwie, so hat man das Gefühl, sollen mit dem Konzert alle negativen Gedanken, die uns momentan aufgrund der Pandemie heimsuchen, zumindest mal für 90 Minuten weggefegt werden.

Bildschirmfoto

Freunde, das Leben ist lebenswert aus Giuditta von Franz Lehár ruft uns der Tenor Lucian Krasznec zu. Und dieser Weckruf funktioniert, wir haben trotz aller Restriktionen immer noch die Kunst, die Musik, den Gesang, auch wenn nur virtuell, aber er ist da und bereichert unser Leben. Und es geht fröhlich weiter, mit dem herrlich komödiantischen Duett Un segreto d’importanza aus Gioachino Rossinis Opera buffa La Cenerentola. Daniel Gutmann und Levente Páll liefern sich hier das heitere musikalische Duell. Erst vor vierzehn Tagen standen sie im Livestream der herrlichen Oper auf der Bühne des Gärtnerplatztheaters. Bevor Gyula Rab mit der Paradearie des Don Ramiro So, ritrovarla io giuro, ebenfalls aus La Cenerentola mit Spinto-Tenor und hohem C begeistert, sorgen Jennifer O’Loughlin und Alexandros Tsilogiannis mit dem bekannten Duett Parigi, o cara aus Verdis La traviata für den ersten Gänsehautmoment des Abends. Nach dem schmachtenden Verdi kommt Walzerseligkeit. Die Operette Ein Walzertraum von Oscar Straus ist leider etwas in Vergessenheit geraten. 1907 uraufgeführt, stand diese wunderbare Operette zuletzt in den neunziger Jahren auf dem Spielplan des Gärtnerplatztheaters. Leise, ganz leise klingt’s durch den Raum, liebliche Weise, Walzertraum ist dieses anrührende Duett des Leutnant Niki mit seinem Freund, dem Leutnant Montschi. Ursprünglich für Tenor und Bariton komponiert, singen es an diesem Abend zwei Tenöre, Juan Carlos Falcón und Alexandros Tsilogiannis, und lassen die Walzerseligkeit einer lang vergangenen Zeit wieder aufleben. Dann gibt es einen großen Sprung von Oscar Straus zu Richard Strauss‘ Lieben, hassen, hoffen, zagen, die Arie des Harlekin aus Ariadne auf Naxos wird von dem Bariton Daniel Gutmann mit sehr viel Gefühl und Wohlklang vorgetragen. Nach Strauss wird es wieder feurig. Camille Schnoor verkündet mit starkem Ausdruck: Meine Lippen, sie küssen so heiß aus Franz Lehárs Giuditta. Zum Finale des ersten Teils gibt es ein wunderbares Quartett aus Giuseppe Verdis Rigoletto. Jennifer O’Loughlin, Anna-Katharina Tonauer, Lucian Krasznec und Matija Meić sorgen mit Bella figlia dell’amore für einen musikalischen Höhepunkt.

Bildschirmfoto

Ohne Pause wird der zweite Teil schwungvoll eröffnet mit dem Walzer op. 79 Gold und Silber von Franz Lehár. Maximilian Mayer traut sich anschließend mit einer ganz besonderen Operettenarie auf die Bühne. Die Arie Du bist die Welt für mich aus Der singende Traum komponierte Richard Tauber einst für sich und ist auch heute noch eine Paradearie für jeden Tenor in einem Operettenkonzert. Ohne Orchester, nur vom Flügel und einer Violine begleitet, gestaltet Mayer die Arie mit wohlklingendem Timbre, leichter Höhe und einer schönen baritonalen Mittellage. Dass Jennifer O’Loughlin zu den herausragenden Sängerinnen des Gärtnerplatztheaters und weit darüber hinaus zählt, beweist sie mit der großen Arie O luce di quest’anima aus Linda di Chamounix von Gaetano Donizetti. Mit perlenden Koloraturen und strahlenden Höhen ist dieser Auftritt einer der Höhepunkte des Konzertes. Nach hohen Spitzentönen folgen die Tiefen des Basses. Der Bassbariton Timos Sirlantzis zeigt mit der Arie des Don Basilio La calunnia è un venticello aus Rossinis Il barbiere di Siviglia alle Facetten, die seine Stimme hergibt. Schöne markante Deklamation und wunderbare Bögen machen die Arie zu einem Genuss. Die Sopranistin Mária Celeng ist verliebt, das behauptet sie zumindest mit der Arie Ich bin verliebt aus Schön ist die Welt von Franz Lehár.

Die Drei Tenöre – Domingo, Pavarotti und Carreras – waren gestern. Heute gibt es fünf Tenöre, auch gerne die „Herzensbrecher“ genannt. Juan Carlos Falcón, Lucian Krasznec, Maximilian Mayer, Gyula Rab und Alexandros Tsilogiannis brechen mit dem Klassiker Dein ist mein ganzes Herz aus Lehárs Das Land des Lächelns mit Gesang und Ausdruck wohl viele Frauenherzen an diesem Abend. Ein schöner Einfall, mit Pep und Herz. Das große Finale an diesem Abend gilt Gioachino Rossinis Il barbiere di Siviglia. Mit dem großen Sextett Fredda ed immobile … Mi par d’esser con la testa verabschieden sich Anna Agathonos, Jennifer O’Loughlin, Gyula Rab, Ludwig Mittelhammer, Levente Páll und Timos Sirlantzis. Ein bunter Strauß schöner Opern- und Operettenmelodien wird in 90 Minuten präsentiert, und man darf hoffen, dass der Funke von der Bühne auf die Zuschauer an den Bildschirmen überspringt. Die Zuschauer, wie immer einige wenige Mitglieder und Mitarbeiter des Gärtnerplatztheaters, danken ihren Kollegen nach dem Konzert mit langanhaltendem Applaus.

Anthony Bramall und Andreas Kowalewitz haben mit dem Orchester des Staatstheaters am Gärtnerplatz schwungvoll den bunten Melodienstrauß gebunden, und auch der Herrenchor des Gärtnerplatztheaters, einstudiert von Felix Meybier, weiß bei seinen Auftritten auf den Rängen und in den Logen zu überzeugen. Kameraführung, Bild und Tonqualität haben mittlerweile ein hohes Niveau erreicht. Man kann nur hoffen, dass das Gärtnerplatztheater in seinen Bemühungen nicht nachlässt und die Zuschauer auch weiterhin, solange der Lockdown besteht, mit Livestreams verwöhnt.

Andreas H. Hölscher