O-Ton

Kulturmagazin mit Charakter

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Aktuelle Aufführungen

Quer durch die Bank

OPER VON GRANDIOSER UNGLEICHHEIT
(Diverse Komponisten)

Besuch am
4. August 2020
(Premiere)

 

Theater-Werk München, Akademischer Gesangsverein

Da trifft Richard Wagners Schwanenritter Lohengrin im wasserblauen Umhang mit Hermelinbesatz auf die Fürstin Maria Theresia von Werdenberg, besser bekannt als die Marschallin aus Richard Strauss‘ Rosenkavalier, oder deren jugendlicher Verführer Octavian auf das Blumenmädchen Eliza aus Carl Loewes berühmten Musical My fair Lady. Die Straßen von London sind der beeindruckende Saal des Akademischen Gesangsvereins in München, ein ehrwürdiges geräumiges Gebäude mitten in der Stadt. Die Akustik im Raum ist sehr gut, eine erhöhte Bühne in die Tiefe gehend mit Vorhang ist auch vorhanden. Corona-bedingt sind nur wenige Sitzreihen in hinteren Teil des Saales aufgestellt, gebührlicher Abstand wird bei offenen Fenstern eingehalten. Skurril sind die Zeiten für Kulturveranstaltungen, da passt die absonderliche Gestaltung des Saales für die Aufführung des Abends mit dem ebenso fragwürdigen, aber vielversprechenden Titel Schwanenflug Oper von grandioser Ungleichheit  dazu. Vom benachbarten Jagdmuseum wurden ausgestopfte Jagdtrophäen aufgestellt, eine Kleiderpuppe mit Barockrobe, ein Kasperltheater und eine lange Tafel auf der einen Seite, auf der anderen Seite Elena Arnovskaya am Klavier und Dirigent Andreas Pascal Heinzmann, die den anspruchsvollen umfangreichen Liederabend  musikalisch souverän und mit Einfühlungsvermögen gestalten. Unklar bleibt die Rolle des eleganten Herren im Smoking mit Seidenschal, der in den Notenblättern vertieft mit Feder den Abend am kleinen Schreibtisch zwischen den Zuschauern verfolgt und ab und an in den Ablauf einsteigt. Laut Programm sollte oder könnte es der Münchner Komponist Richard Strauss sein, aber jegliche Zeichnung fehlt.

Dafür ist die Feder die präsente Verbindung zum Titel und zum munteren Geschehen des Abends. Odette – Elisabeth Margraf – die leidende Schwänin aus dem berühmten Ballett von Peter Tschaikowsky, dessen Melodien immer wieder erklingen – schwingt die Flügel und umgarnt die einzelnen Darsteller, zumeist tragische Liebespaare der Opernliteratur.

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An zwei Abenden präsentiert das Theater-Werk München unter der Regie von Kristina Wuss, Leiterin der Klasse Musik und Regie, die Teilnehmer des diesjährigen Kurses, der als Plattform zur Fortbildung, Praxis, künstlerischen Entwicklung und insbesondere auch zur Vernetzung mit Künstleragenturen dienen soll.

So ermöglicht der Kurs gerade jetzt in schwersten, von Absagen und Einschränkungen geprägten Zeiten den jungen Sängern, sich durch Auftritte Aufmerksamkeit und Gehör zu verschaffen. So ist das umfangreiche Programm mit Arien und Duetten aus Lohengrin, Rosenkavalier, Tosca, Wozzeck, Eugen Onegin, Werther und My Fair Lady mehr als Wunschprogramm der Teilnehmer denn als strukturiertes Programm mit Dramaturgie entstanden. Das Ergebnis kann sich aber sehr wohl sehen und vor allem hören lassen.

Gregor Novak zeigt mit kräftiger, kultivierter Tenorstimme hohe Musikalität in den Rollen von Lenski oder Freddy, Nicole Tschalkin versprüht Charme in wohlgeformten, sicheren Tönen nuancenreich als Marie oder Eliza. Dabei hilft ihre sächsische Herkunft auch noch, die nötige Sprachfärbung kokett hinein zu mischen. Simone Werner zeigt sich wandelbar mit dunkel gefärbtem Mezzo als Octavian und Charlotte.

Kraft und Mystik mit einem Schuss Dramatik serviert Dalva Gedvilaite, die bereits einige Bühnenerfahrung aufweist, als Ortrud. So wie Markus Ahme, der eine kraftvolle und sichere, aber weniger geschmeidige Interpretation des Schwanenritters Lohengrin zeigt. Lenka Möbius ist seine jungfräuliche Elsa von Brabant mit gealtertem Timbre. Besonders fällt Marek Reichert als draufgängerischer, skrupelloser Richter Scarpia auf, der seiner Partnerin Susanne Serfing als Tosca wahrlich Angst einflößt. Insgesamt bleibt sie auch als Marschallin farblos und kann ihr Stimmvermögen wenig artikuliert einsetzen.

Lisa Schneider verleiht der jugendlichen Sophie in den Duetten mit Octavian feine, anmutige Spitzentöne. Manolito Mario Franz hat auch schon als Fernsehdarsteller Bekanntheit erlangt. Hier zeigt er sein sängerisches Vermögen als Cavaradossi oder etwas befremdlich als Stolzing.

Nach über zwei Stunden schließt der Abend mit elegischen Streichertönen von der Bühne. Der Schwan zieht seine letzten Flügelschläge in den sich verdunkelnden Raum. Kurzweilig verläuft der Abend, ein wahres Erkennen Sie die Melodie, gefeierter anspruchsvoller Opernarien und Duett auf hohem Niveau. Das zumeist junge Publikum folgt intensiv und applaudiert kräftig.

Helmut Pitsch