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Aktuelle Aufführungen
COME TI PIACE
(Diverse Komponisten)
Gesehen am
23. November 2020
(Einmaliger Livestream)
Im Rahmen ihrer Reihe Montagsstücke durfte nun auch der Nachwuchs der Bayerischen Staatsoper München ein live im Stream übertragenes Konzert geben. Unter dem Titel Come ti piace gab es ein Konzert mit Angehörigen des Opernstudios. Eine schöne Möglichkeit, sich hier einer breiteren Öffentlichkeit zu zeigen und Stücke vorzutragen, die die jungen Sänger schon studiert und auch in ihrem Repertoire haben, aber als Rolle noch nicht auf der großen Bühne zeigen konnten. Und dass sich die Oper um guten Nachwuchs keine Sorgen machen muss, beweisen die jungen Sänger, die fast alle neu am Opernstudio der Bayerischen Staatsoper sind. Das Programm ist genauso bunt und vielfältig, wie die Sänger es sind. Begleitet werden die Sänger von zwei jungen Pianisten, die ebenfalls Angehörige des Opernstudios sind.
Foto © Wilfried Hösl
Es beginnt mit Ausschnitten aus Mozarts La Clemenza di Tito, und das erste Duett Come ti piace imponi hat diesem Konzert auch den Namen gegeben. Die Sopranistin Eliza Boom und die Mezzosopranistin Yajie Zhang dürfen hier das Eis brechen, was sie auf berückende Art tun. Der Tenor James Ley folgt mit der lyrischen Arie Se all’impero und lässt mit dem Schönklang seiner Stimme aufhorchen. Vengo … aspettate … Sesto! Das Terzett mit Boom und Zhang wird durch den Bassbariton Christian Valle komplettiert und mit dramatischen Steigerungen dargeboten, bevor die Sopranistin Sarah Gilford mit S’altro che lacrime ihr Können zeigen darf. Ganz zart und lyrisch legt sie diese Arie an. Zum Finale dieses ersten Konzertteils Tu, è ver, m’assolvi kommen alle Beteiligten zusammen, ergänzt um die Sopranistin Juliana Zara. Beeindruckend die ausgeprägte Harmonie der Stimmen in diesem Finale, das wie die Stücke zuvor elegant von Michael Pandya am Klavier begleitet wurde.
Der zweite Konzertabschnitt ist Charles Gounod Oper Faust gewidmet. Mit der großen Arie Faites – lui mes aveux darf Zhang ihren warmen und wohl timbrierten Mezzosopran entfalten. Da hört man schon den zukünftigen Cherubino oder Octavian.
Nach dem eher witzigen Quartett Prenez mon bras, dargeboten von Sarah Gilford, Yajie Zhang, Andres Agudelo und Christian Valle, singen Sarah Gilford und der Tenor Andres Agudelo das wunderbare Duett Il se fait tard mit großer Innigkeit. Dabei werden sie von Ewa Danilewska am Klavier feinfühlig begleitet.
Foto © Wilfried Hösl
Im dritten Teil gibt es einen Leckerbissen der Belcanto-Opern mit Donizettis Don Pasquale. Mit dem Duett Udite … Bella siccome un angelo geben Theodore Platt mit noblem Bariton und Christian Valle mit ausdrucksstarkem Bassbariton eine musikalische Visitenkarte ab, die Valle mit Ah! Un foco insolito noch unterstreichen darf. Bei dem Duett Prender moglie wird Valle durch den lyrischen Tenor George Vîrban unterstützt. Eine Perle des Belcanto-Gesangs, die Zara und Platt mit dem Duett Pronto io son wunderbar komplettieren, Danilewska ist die Begleiterin am Klavier im Hintergrund.
Das große Finale des Konzertes junger Stimmen gehört Johann Strauß und seiner Fledermaus. James Ley und der Bariton Andrew Hamilton vergnügen sich bei dem herrlichen Duett Komm mit mir zum Souper. Eliza Boom zeigt mit dem anspruchsvollen Csárdás der Rosalinde Klänge der Heimat, dass die Rosalinde sicher eine zukünftige Rolle in ihrem Repertoire sein wird. Eine schöne, schlanke Stimmführung und leuchtende Höhen sind da schon mal eine gute Voraussetzung. Champagnerlaune verbreiten Zara, Zhang und Ley mit Im Feuerstrom der Reben. Den Schlusspunkt setzt Hamilton mit dem Lied Brüderlein und Schwesterlein, in das alle Protagonisten als Chorersatz einstimmen, hier ist wieder Michael Pandya am Klavier.
Es ist ein bemerkenswertes Konzert, mit frischen jungen Stimmen aus vielen Nationen, die im Opernstudio der Bayerischen Staatsoper München ihre ersten Erfahrungen sammeln dürfen, bevor es dann auf die große Bühne geht. Auffällig ist nur, dass unter den vier Sängerinnen und sechs Sängern kein einziger aus Deutschland ist. Da stellt sich die Frage, ob wir in Deutschland ein Nachwuchsproblem haben. Sind in puncto Ausbildung andere Länder weiter und die ausländischen jungen Sänger einfach besser? Diese Frage ist schwierig zu beantworten. Eins ist aber klar. Die aktuelle Krise und der Abbau der Kultur wird auch nach Überwinden der Pandemie nicht ohne Folgen bleiben. Gerade die jungen Nachwuchskünstler, die noch kein festes Engagement haben, könnten hier auf der Strecke bleiben. Auch hier haben die Verantwortlichen in Politik und Kultur eine gesellschaftspolitische Verpflichtung, dass das nicht passiert.
Andreas H. Hölscher