O-Ton

Kulturmagazin mit Charakter

Foto © Wilfried Hösl

Aktuelle Aufführungen

Auf dem Weg in die große Welt

ARIENABEND DES OPERNSTUDIOS
(Diverse Komponisten)

Besuch am
27. November 2023
(Einmalige Aufführung)

 

Nationaltheater München

Das Cuvilliés-Theater, 1751 bis 55 nach den Entwürfen Architekten François Cuvilliés‘ dem Älteren gebaut, war nach seiner Eröffnung Schauplatz vieler glanzvoller Barockopern in unmittelbarer Nähe zur Münchner Residenz. 1944 wurde das Theatergebäude zerstört und nur die in Holz geschnitzten, farbig gefassten Rangeinbauten des Zuschauerraums blieben erhalten, da sie rechtzeitig ausgelagert worden waren. 1958 wurde das Theater als neues Cuvilliés-Theater in den Apothekenstock der Münchner Residenz eingebaut, und es stellt heute mit seinem in weiß-rot-gold gehaltenen Theaterraum und seinem ornamentalen Schmuck im style rocaille schon per se einen Publikumsmagneten dar. Kommen da noch die Mitglieder des Opernstudios der Bayerischen Staatsoper dazu, garantiert das ein ausverkauftes Haus.

Elf junge Sänger stellen sich dem Publikum und treten mit sichtbarer Spielfreude auf die Bühne. Sie alle haben schon beachtliche Wege hinter sich, kommen von der Juilliard School in New York, dem Royal Conservatoire of Scotland und der Guildhall School of Music and Drama, der Seoul National University, vom Institut supérieur de Musique et de pédagogie de Namur, der Glenn Gould School im Royal Conservatory of Music in Toronto, der Karol Lipiński Musikakademie in Breslau, der Barratt Due Institution of Music, der São Paulo Municipal School of Music, dem Institute of Contemporary Art in Moskau und zum Teil auch schon von anderen Opernstudios. Um aufgenommen zu werden, müssen sie sich zudem einem Aufnahmeverfahren stellen, sie sind schon jetzt die Crème de la crème des Sängernachwuchses.

Foto © Wilfried Hösl

Dementsprechend groß ist die Spannung im Publikum. Von den vier ursprünglichen Programmblöcken hatte man einen streichen müssen, da eine Sängerin erkrankt ist. Es blieben drei dramaturgisch und choreografisch durchdachte Ausschnitte mit verschiedenen Arien und Ensembles aus Gaetano Donizettis Don Pasquale, Jules Massenets Hérodiade und Giacomo Puccinis La Rondine. Vier der Sänger sind bereits seit der letzten Spielzeit im Opernstudio der Bayerischen Staatsoper, die anderen sind jetzt erst dazu gekommen.

Gleich zu Beginn lassen der brasilianische Bariton Vitor Bispo und der polnische Bass Pawel Horodyski in Duetten aus Don Pasquale aufhorchen und packen mit ihrer gewinnenden Art sofort das Publikum. Bispo singt sehr geschmeidig und besitzt einen gut durchgebildeten Bariton mit durchaus dunklen Farben, klingt dabei sehr agil. Horodyski gestaltet komödiantisch souverän. Er hat die Tiefe, die man von einem Bass erwartet, leicht schwarz, mit guter Kraft. Koloratursopran Seonwoo Lee aus Südkorea gefällt dem Publikum mit ihren sauberen extremen Höhen, später am Abend punktet sie auch mit einer abwechslungsreichen Mimik und Körpersprache. Liam Bonthrone aus Schottland hat schon mehrere kleine Partien an der Staatsoper übernommen. Er führt einen kernigen Tenor auf langem Atem, hell und bei Bedarf weich.

Massenets Hérodiade verlangt von den folgenden fünf Sängern eine andere Tongebung, üppiger, voluminöser. Der Brite Thomas Mole schafft es überzeugend, seine Begeisterung für Salomé zu vermitteln, er gestaltet gut, mit guter Messa di Voce bei einem kräftigen, gut verständlichen Bass. Mezzosopranistin Natalie Lewis aus den USA nimmt auf der Bühne ihre Zuhörer sofort mit großer Intensität gefangen, tief innen im Körper ist sie mit ihrer Stimme schon angekommen. Ihr Timbre ist sehr reich, man denkt an die junge Jessye Norman. Satte Tiefe, kräftige Höhe, gute Atemführung, Töne werden zum Ereignis. Bariton Nikita Volkov aus Zentralrussland singt mit sehr direkter und kräftiger Tongebung, dabei sehr expressiv seine Arie Dors, ô cité perverse.

Foto © Wilfried Hösl

Tenor Alexey Kursanov, ebenfalls aus Russland, hat schon bei mehreren Produktionen mitgewirkt und singt bei den Tschaikowski-Ouvertüren des Bayerischen Staatsballetts die Tenor-Partie. Er leitet hier den Block zu Puccinis La Rondine sehr souverän mit warmer Tenorstimme ein. Auch die Belgierin Louise Foor überzeugt mit einer intensiven Ausstrahlung und einer schön timbrierten, vielfarbigen Sopranstimme, die auch über Mezzoqualitäten und großer Kraft in der Höhe verfügt. Eirin Rognerud aus Norwegen gefällt mit ihrer lyrischen Sopranstimme in den diversen Duetten und mit ihrer Spielfreude. Sie wird die Barbarina und die Papagena an der Staatsoper singen. Zachary Rioux aus Kanada ergänzt sie gut in den Duetten als Ruggero, mit einem gut im Brustregister fundierten Tenor.

Die Pianisten Joseph Beesly aus England und Tackyoung Chung aus Südkorea, beide seit einem Jahr beim Opernstudio, begleiteten die Sänger sehr aufmerksam, willig auf kleine choreografische Spielideen eingehend und sehr virtuos.

Nach diesen drei Opern im Kurzdurchlauf kann man sich sicher sein, dass jede kleinere Bühne über diese neuen Stimmen sehr froh wäre. Hier singen die besten, die vielversprechendsten Nachwuchssänger. Es wird sich zeigen, wer von ihnen den Sprung auf die großen internationalen Bühnen schaffen wird. Das Publikum feiert das Ensemble des Abends mit Begeisterung und erwirkte eine wunderbar lebendige Fassung von dem Finale aus dem zweiten Akt von Gilbert und Sullivans Oper The Sorcerer: Now the banquet , die alle Herzen erfreut.

Jutta Schwegler