Kulturmagazin mit Charakter
Aktuelle Aufführungen
SONNENBLUMENSONNTAG
(Diverse Komponisten)
Besuch am
24. September 2023
(Einmalige Aufführung)
Seitdem die Kirchenmusiker ihr Heil nicht mehr allein darin sehen, die Nummern zum Gottesdienst passender Lieder am Sonntag an die Wand zu heften und den Gesang der Gemeinde mit dem Klang der Orgel zu begleiten, lohnt es sich immer häufiger, auch mal einen Blick auf die Plakate am Kircheingang zu werfen. Ja, gewiss gibt es auch da den Kanon der immer gleichen Stücke, aber manchmal …
Johannes Maria Strauss ist Seelsorgebereichsmusiker. Als solcher ist er für die katholischen Kirchen St. Mauritius und Heilig Geist im Meerbuscher Stadtteil Büderich zuständig. Die Berufsbezeichnung klingt ähnlich aufregend wie der Verwaltungsfachangestellte für Kirchenmusik. Aber das täuscht. Gerade die Vielfalt seiner Aktivitäten und der tägliche Umgang mit Menschen macht die Arbeit für Strauss so wertvoll. Neben den liturgischen Aufgaben ist er für die Kinderchöre beider Pfarrgemeinden zuständig, kümmert sich um Laien, die in der Kirche musizieren wollen, ist für die Instrumentalgruppen der Kirchen verantwortlich. Daneben leitet er eine Gruppe der Choralschola, die sich mit gregorianischen und lateinischen Gesängen befasst. Und selbstverständlich wirkt er auch als Chorleiter für den Erwachsenenchor. Das hat ihm seit April zusätzliche Arbeit eingebracht. Seitdem kümmert er sich nämlich auch vorübergehend um den evangelischen Chor in Büderich, dem die Kantorin abhandengekommen ist. Das allerdings begreift er als Herausforderung und Chance. Er entwickelt die Programme für zwei ökumenische Chorauftritte. Der erste fand vor zweieinhalb Wochen statt, der zweite ist für den heutigen Abend in der Mauritius-Kirche vorgesehen.
Johannes Maria Strauss – Foto © O-Ton
Das größte Manko des Abends offenbart sich noch vor Beginn des Konzerts. Ein Hinweisschild vor der Kirche sucht man vergebens. Die Tür ist geschlossen. Da ist es als Glücksfall zu betrachten, dass sich trotzdem viele, überwiegend ältere Menschen im Mittelschiff versammeln. Denn die Akteure haben kaum einen Aufwand für diesen Abend gescheut. Dafür spricht schon das Programmheft, das nicht nur liebevoll gestaltet ist, sondern auch ein Textbuch beinhaltet.
Mit dem Sonnengesang von Dieter Domke, der vor zwei Jahren entstanden ist, eröffnet der Chor dreistimmig in Klavierbegleitung. Strauss hat am Klavier im Mittelgang vor dem Altarraum Platz genommen und dirigiert mit Augenkontakt. Hier braucht sich keiner allein gelassen zu fühlen. Das wird schon bei diesem Gotteslob deutlich. Und so gelingt der Einstand, ehe der Dirigent den Trompeter Jan Blick begrüßt. Mit ihm spielt er das Trompetenkonzert von Alexander Arutjunjan aus dem Jahr 1950. Eigentlich für Trompete und Orchester geschrieben, muss das Klavier hier die Vielzahl der Instrumente ersetzen. Das klingt schön, auch wenn die Trompete dadurch sehr in den Vordergrund tritt. Fanfaren, Dissonanzen werden mit abrupten Brüchen beendet, schließlich klingt es sogar nach Swing. Immer wieder sind höchst anspruchsvolle Passagen zu hören, die ihren Höhepunkt mit dem Trompeten-Solo am Schluss erfahren. Nach einer Viertelstunde lässt Strauss das Spiel ausklingen, um den Besuchern ein wenig Erholung zu gönnen.
Petra Wienands und Mirjam Hasan-Feldschen interpretieren in Klavierbegleitung John Rutters I will sing with the Spirit, und „selbstverständlich“ findet das Publikum dazu auch gleich die deutsche Übersetzung auf den Textblättern. Während die Besucher sich noch nach dem Grund der folgenden Pause fragen, eilt Strauss auf die Orgelempore. Von hier aus sendet er mit drei Choralvorspielen einen späten Geburtstagsgruß an den inzwischen 70-jährigen Kirchenmusiker und Komponisten Gunther Martin Göttsche. Dass zuletzt ein Laudato si! erschallt, sorgt durchaus für Heiterkeit. Wunderbar.
Jan Blick – Foto © O-Ton
Solchermaßen entspannt geht es an die nächste große Aufgabe. Es ist die Missa adventus et quadragesima von Petr Eben aus dem Jahr 1951. Die Orgelstimme hat Strauss für Trompete, Klavier und Kontrabass umgeschrieben. Tom Schwagers gesellt sich damit am Streichinstrument in die Runde. Und der Chor gibt sein Bestes, was angesichts des doch erheblichen Schweregrades der Messe durchaus Bewunderung abverlangt. Rund 20 Minuten lang sind die Choristen zu höchster Konzentration gezwungen, um ungewöhnliche Wendungen und Stimmungswechsel punktgenau hinzubekommen. Am Ende passt alles.
Und dann wird es doch historisch. Im kommenden Monat wird die Mauritius-Kirche 130 Jahre alt. Daran erinnert Strauss mit Hugo Distlers Werk Wo Gott zum Haus nit gibt sein Gunst aus den Spielstücken für die Kleinorgel aus dem Jahr 1938. Dazu begibt Strauss sich an ein Harmonium, dessen Klang – auch das verrät das Programm – dem der Kleinorgeln der Mitte des 20. Jahrhunderts nachempfunden ist. Eine hübsche Idee, die musikalisch eher unbedeutend, aber wichtig als Zwischenspiel zwischen der Messe und dem nächsten Werk erscheint. Denn zum Abschluss hat Strauss ein eigenes Werk aus dem Jahr 2015 auf die Agenda gesetzt, dass nun einmal alle Akteure fordert. Der Chor nimmt Aufstellung, davor die Solistengruppe, zu der sich nun auch Susanne Strauss gesellt, rechts vom Klavier und dem dahinterstehenden Orgeltisch die beiden Instrumentalisten. Einen „etwas parodistischen Gruß an Georg Friedrich Händel“ nennt Strauss die Vertonung des Psalms 45 Ein Braut lied und vnterweisung der kinder Korah. Auch hier hat der Musiker die Orgelstimme der Originalfassung für Trompete, Kontrabass und Klavier neu arrangiert. Auch hier nimmt er den Chor noch einmal ordentlich in die Pflicht, aber die Choristen nehmen die Herausforderung der „neuen Klänge“ gerne an. Und nach rund zehn Minuten steht die Freude über den gelungenen Auftritt den Akteuren ins Gesicht geschrieben.
Das Publikum will gar nicht mehr aufhören zu applaudieren. Wann hat man schon mal solch ein ungewöhnliches Konzert in der Kirche gehört? Die Begeisterung ist riesig, und dankbar nehmen die Besucher den gesungenen Segensgruß zum Abschluss mit nach Hause.
Wer sich selbst einmal ein Bild von dem schönen Klangraum von St. Mauritius verschaffen will, hat dazu am 12. November Gelegenheit. Dann führt der Konzertchor Düsseldorf das Konzert mit dem vielversprechenden Titel Tango Sacrale auf.
Michael S. Zerban