O-Ton

Kulturmagazin mit Charakter

Foto © Patrick Hürlimann

Aktuelle Aufführungen

Mit Brahms zu neuen Ufern

LE PIANO SYMPHONIQUE LUZERN
(Johannes Brahms)

Besuch am
10. und 11. Februar 2022
(Einmalige Aufführungen)

 

Luzerner Sinfonieorchester im KKL Luzern

Le Piano Symphonique Luzern nennt sich ein neues Musikfestival, mit dem Numa Bischof Ullmann, der Intendant des Luzerner Sinfonieorchesters, die Bedeutung Luzerns als Musikstadt weiter festigen will. Und zwar, unabhängig von dem großformatigen Lucerne Festival im Sommer, mit einer Woche voller überraschender, unkonventioneller Leitideen.

Aufgrund der eingeschränkten Aufführungsmöglichkeiten konzentriert man sich vom 9. bis 13. Februar noch auf einen einzigen Komponisten, nämlich Johannes Brahms, was für die Zukunft nicht die Regel sein soll. Im Mittelpunkt soll aber stets das Klavier stehen, für das Ullmann seit seiner Kindheit eine „extreme Leidenschaft“ hegt. Die wurde noch beflügelt durch die Begegnung mit Martha Argerich, der Ullmann seit seinem Amtsantritt vor 15 Jahren eng verbunden ist. Und große Pianisten wie Rafał Blechacz oder Igor Levit gehören ohnehin zu den Solisten der Luzerner Sinfoniekonzerte.

Mit dem neuen Festival will der Intendant die thematischen Möglichkeiten, die sich mit dem Klavier realisieren lassen, bündeln und erweitern. Wobei nicht nur Soloabende oder Klavierkonzerte mit Orchester gemeint sind, sondern die ganze Gattungs-Palette einschließlich des Klavierlieds und der Kammermusik. Und in diesem Jahr lässt er das Brahms-Festival mit dessen 2. Klavierkonzert und der 2. Sinfonie zwar recht konventionell einläuten, denen zu später Stunde jedoch noch die kaum gespielten Choralvorspiele op. 122 folgen. Brahms‘ ultimativ letzte Werke, die in ihrer abgeklärten, introvertierten Haltung einen ausgeprägten, aber sanft klingenden Kontrast zu den effektvollen Orchesterstücken setzen. Von Suzanne Z’Graggen an der prachtvollen Orgel des Konzertsaals im ebenso prächtigen KKL Luzern, dem unmittelbar am Vierwaldstätter See gelegenen Kultur- und Kongresszentrum, sensibel und farbenreich ausgeführt.

Der Konzertsaal wurde 1999 von dem damaligen Musikchef des Sinfonieorchesters Jonathan Nott „eingeweiht“. Der gesamte Gebäudekomplex geht auf einen Entwurf des französischen Star-Architekten Jean Nouvel zurück, für die vorzügliche Akustik des Konzertsaals ist der New Yorker Akustiker Russell Johnson maßgeblich verantwortlich, der sich am bewährten „Schuhschachtel“-Format des Wiener Musikvereinssaals oder des Amsterdamer Concertgebouws orientierte.

Hakan Demirel und Alice Sara Ott – Foto © Patrick Hürlimann

Seit dieser Saison leitet Michael Sanderling die Geschicke des Orchesters, und er eröffnet das neue Festival an zwei Abenden im gut, aber pandemisch bedingt noch nicht vollbesetzten, an die 2000 Plätze fassenden Konzertsaals mit Brahms‘ 2. Klavierkonzert, das Marc-André Hamelin mit der von ihm gewohnten spieltechnischen Souveränität, aber auch einer gewissen emotionalen Kühle ausführt. Nach der Pause folgt die 2. Sinfonie in einer sorgfältig einstudierten Interpretation ohne besondere gestalterische Höhepunkte. Interessant, dass die anschließenden kleinen Orgel-Beiträge stärker unter die Haut gehen.

Solche Überraschungen entsprechen durchaus dem Konzept des Festivals, für das Ullmann in Zukunft ungewohnte Schwerpunkte und Ideen finden und entwickeln will. Gedacht für eine mit Neuem und Unbekanntem gespickte, von „leidenschaftlicher Offenheit“ geprägte Entdeckungsreise. Eine Kostprobe liefert er bereits jetzt mit Brahms‘ Orgelwerken und dem ganz selten zu hörenden Liederzyklus Die schöne Magelone, für den der Tenor Daniel Behle, der Pianist Sveinung Bjelland und als Sprecher der Schauspieler Hans-Jürgen Schatz gewonnen werden konnten.

Ein sehr spezielles Programm steuert die Pianistin Alice Sara Ott bei. Unter dem Titel Echoes of Life kombiniert sie die 24 Préludes op. 28 von Frédéric Chopin mit neuen Stücken von Francesco Tristano, Nino Rota, Arvo Pärt und anderen, zu denen sie von Hakan Demirel während der Pandemie gedrehte Videosequenzen unterschiedlicher Inhalte über die Leinwand flimmern lässt. Eine direkte Verbindung zwischen Musik und der „digitalen Kunstinstallation“ ist allerdings nicht auszumachen. Und ein wenig irritiert, dass die Préludes von Chopin als musikalisches Zentrum unter ihren Händen wesentlich weniger inspiriert klingen als die neueren Stücke.

Risiken scheut Numa Bischof Ullmann generell nicht. Er sprudelt über vor Ideen. Und er belässt es nicht bei Konzerten und Festivals. Etwas abgelegen vom Stadtzentrum ist mit dem „Südpol“ ein weiterer Gebäudekomplex entstanden, der den Probensaal des Sinfonieorchesters, die Musikhochschule, die Musikschule, Studios für künstlerische Experimente aller Art und einen kleineren Konzertsaal umfasst. Ein Zentrum, mit dem er als Musikvermittler Menschen jeden Alters, jeder Herkunft und im Rahmen eines Inklusionsprojekts auch jeder körperlichen Beschaffenheit ansprechen will.

All das möchte Ullmann vor dem kulturhistorischen Hintergrund Luzerns verstanden wissen. Schließlich wohnte hier Richard Wagner eine Zeit lang während seines Exils, woran ein kleines Museum am Vierwaldstädter See erinnert. Hier besuchte auch Franz Liszt seinen Schwiegersohn und Sergej Rachmaninow, Alexander Skrjabin und Sergej Prokofieff sind nur einige der berühmten Komponisten, die hier weilten und die kulturelle Aura der Stadt schätzten.

Seien wir gespannt auf die künftigen Pläne Ullmanns im Rahmen des Klavierfestivals Le Piano Symphonique Luzern.

Pedro Obiera