O-Ton

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Foto © Jonathan Berger

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Mit Pep und Geschmack

IL TURCO IN ITALIA
(Gioacchino Rossini)

Besuch am
21. Oktober 2022
(Premiere)

 

Opéra Royal de Wallonie, Liège

Eine Menge an italienischem Brio, wie man ihn von einer Oper Gioacchino Rossinis erhofft, verströmt die neueste Produktion der Opéra Royal de Wallonie im Lütticher Opernhaus. Auch wenn Il Turco in Italia – Der Türke in Italien – nicht zu den beliebtesten Werken Rossinis zählt und auch nicht ganz die Geschlossenheit des vorangegangenen „Besuchs“ der Italienerin in Algier erreicht, zeigt sich Rossini von seiner gewohnt effektvollen Seite, was sich vor allem in vielen fein gestrickten Ensemblesätzen zeigt.

Dramaturgisch ist auch das Libretto der verwickelten Drei- und Mehrecksgeschichte geschickt angelegt. Dass sich handfeste Klischees über türkische Moralvorstellungen und das Zigeunerleben geradezu überschlagen, wird relativiert durch den ironischen Zungenschlag sowohl des Textes als auch der Musik. Letztlich bleiben auch die italienischen Herren und Damen nicht geschont. Man spürt, dass Rossini mit den Klischees spielt, ohne sie ernst zu nehmen.

Interessant bereits der Handlungsrahmen, bei dem ein Dichter auf der Suche nach einem Theaterstoff dem Treiben eines mit dem reifen Don Geronio und der lebenslustigen jungen Fiorilla ungleich bestückten Ehepaars zusieht und nach etlichen Verwicklungen mit einer Zigeunerin und einem türkischen Selim am Ende sein Theaterstück fertigstellen kann. Auf die Spitze getrieben wird die Turbulenz des Beziehungschaos‘, indem sich Fiorilla neben ihrem Gatten und einem jungen Liebhaber auch noch dem schmucken türkischen Selim „widmet“, um am Ende doch reumütig zu ihrem etwas beschränkten Gemahl zurückzukehren.

Foto © Jonathan Berger

Der ist mit dem fabelhaften Bruno de Simone allerdings grandios besetzt. Der Bariton zählt nicht nur international zu den besten Darstellern im italienischen Fach, sondern verfügt trotz seines vorgerückten Alters über eine in jeder Lage immer noch substanzreiche Stimme und beherrscht auch noch ein perfektes Parlando in Rekordtempo. Eine offensichtlich aussterbende Kunst. Damit kann sein jüngerer Kollege in der Rolle seines türkischen Rivalen Selim nicht dienen. Guido Loconsolo sieht zwar glänzend aus, seine Stimme wirkt aber zu unausgeglichen und in den Höhen zu dünn. Wie das gesangliche Niveau diesmal insgesamt ein wenig unausgeglichen ausfällt. Vorbildlich präsentiert sich Elena Galitskaya als stilistisch flexible und koloraturgewandte Fiorilla. Makellos gestaltet Biagio Pizzuti den dichtenden Beobachter Prosdocimo. Der Rest des Ensembles wird den hohen Anforderungen, die Rossini an seine Sänger stellt, auf mittlerem Niveau gerecht. Zu nennen sind hier Julie Bailly als Zaida und Alexander Marev als Albazar, ein aus türkischer Sklaverei in ein Zigeunerlager geflüchtetes Paar, sowie Mert Süngü als Fiorillas Liebhaber Don Narciso. Allesamt mit dankbaren Arien bedachte Rollen, mit denen die Interpreten jedoch an ihre Grenzen stoßen.

Davon kann bei Maestro Giuseppe Finzi und dem Genre-erprobten Orchester der Lütticher Oper nicht die Rede sein. Sie alle sorgen für einen zügigen, luftig klingenden Ablauf des dreistündigen Abends. Auch Regisseur Fabrice Murgia setzt auf rasante, aber nie überhetzte Tempi, auf leichtfüßigen Esprit und vermeidet plakativen Klamauk. Darin wird er in den raffiniert ausgeleuchteten, mit mehreren Spielpodien versehenen Bühnenbildern von Vincent Lemaire geschickt unterstützt durch eine raffinierte Video-Regie, mit der die Sänger auf Leinwände in Großformat projiziert werden und mit ihrer Mimik auch tiefere Gefühlsregungen sichtbar machen können.

Begeisterter Beifall für einen unterhaltsamen und geschmackvollen Rossini-Abend auf hohem, wenn auch nicht einhellig hohem vokalem Niveau.

Pedro Obiera