O-Ton

Kulturmagazin mit Charakter

Foto © V. Bianchi

Aktuelle Aufführungen

Hamlet mit Happy End

HAMLET
(Ambroise Thomas)

Besuch am
28. Februar 2023
(Premiere am 26. Februar 2023)

 

Opéra Royal de Wallonie, Liège

Mit einer beeindruckenden Produktion der selten zu sehenden Oper Hamlet von Ambroise Thomas führt Intendant Stefano Pace erfolgreich seine Programmpolitik fort, an der Opéra Royal de Wallonie neben dem italienischen Kernrepertoire die französische Oper verstärkt in den Blickpunkt zu rücken.

Das betrifft auch und besonders Raritäten wie etwa die Opern von Ambroise Thomas. Im 19. Jahrhundert zwar sehr erfolgreich, konnten sich selbst dessen Hauptwerke, Mignon und Hamlet, nicht nachhaltig durchsetzen. Im letzten Jahr stellte man in Lüttich bereits Thomas‘ Goethe-Adaption Mignon auf die Bühne. Es zeigte sich, dass Thomas‘ mit seiner in diesem Werk besonders süßlich gewürzten Tonsprache bei weitem nicht an das Niveau der besten Opern eines Jules Massenets heranreichen kann.

Foto © V. Bianchi

Thomas‘ Hamlet hat den Vorteil, dass sich die Handlung auf eine erheblich stärkere Vorlage stützen kann als die Mignon mit ihrem arg konstruierten Libretto. Auch wenn Thomas den Dänenprinzen am Ende nicht sterben lässt, sondern zum König erhebt. Damit unterstreicht er den gegenüber Shakespeare oberflächlicheren Gestus des Werks als „Grand Opéra“ mit effektvollen Chorszenen, lärmenden Aufmärschen und bizarrem Geisterspuk. Gleichwohl vernachlässigt Thomas auch die hintergründigeren Fassetten des Stoffs nicht, wobei, nicht überraschend, die Monologe Hamlets und die Auftritte der Ophélie die stärksten Akzente setzen.

Und diese beiden Partien sind mit Lionel Lhote und Jodie Devos vorzüglich besetzt. Lhote, Bariton, verkörpert zwar nicht unbedingt das Idealbild eines jugendlichen Prinzen, verleiht der Partie mit seiner markanten Stimme und seiner darstellerischen Präsenz jedoch ein charakteristisches und differenziertes Profil. Jodie Devos, die bereits als Mignon glänzte, verbreitet als Ophélie stimmlich und gestalterisch eine jugendliche Frische und Anmut, wie man sie sich nicht rollendeckender wünschen kann. Und die Wahnsinns-Arie gelingt ihr mit herzzerreißender Eindringlichkeit.

Wie aus Lüttich gewohnt, sind auch die kleineren Partien vortrefflich besetzt. Chor und Orchester unter der Leitung von Guillaume Tournaire runden das hohe musikalische Niveau ab. Tournaire bringt sowohl die effektvollen Tableaus als auch die intimeren Töne des Werks angemessen zum Klingen und sorgt für einen durchweg spannenden Ablauf des mehr als dreistündigen Abends.

Regisseur Cyril Teste vertraut der Stärke der Handlung und verzichtet auf szenische oder konzeptionelle Übergriffe. Er führt die Figuren treffsicher und mit handwerklicher Sorgfalt durch die Handlung, was angesichts der charismatischen Ausstrahlung der Solisten völlig ausreicht. Auf optischen Pomp legen auch Bühnenbildner Ramy Fischler und die Kostümbildnerin Isabelle Deffin wenig Wert. Verschiebbare Wände ermöglichen schnelle Szenenwechsel und bieten zugleich Projektionsflächen für Video-Installationen und raffinierte Lichteffekte. Großflächige Live-Projektionen der Akteure mit ihren Einblicken in Mimik und Gestik unterstreichen die Ausdruckskraft der Figuren.

Begeisterter Beifall für eine sehens- und hörenswerte Rarität auf hohem szenischem und musikalischem Niveau.

Pedro Obiera