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Der letzte Auftritt

GEDENKKONZERT
(Diverse Komponisten)

Gesehen am
8. März 2021
(Premiere am 7. März 2021/Stream)

 

Opéra Royal de Liège

Im Hintergrund der Bühne ist eine Projektion mit einem wunderbaren Foto von Stefano Mazzonis di Pralafera und der Aufschrift „Forza Opera“ zu sehen. Davor das Orchester und die Chöre der Lütticher Oper, die ihren Chef mit einem letzten Applaus ehren. Es gibt für den Ehrenbürger der Stadt Liège kein großartiges Begräbnis in Zeiten von Corona. Aber das Gedenkkonzert hat sich die Opéra Royal de Liège nicht nehmen lassen. Den einen oder anderen wird die Wut gepackt haben, dass man selbst das nicht vor Publikum aufführen konnte. Aber es hilft nichts. Und so wird das letzte Konzert für den Intendanten im Stream einem Millionenpublikum zugänglich. Einem Intendanten, der allzu bereit war für die Öffnung zum Internet, mag das ein Trost sein.

Der Sprössling eines piemontesischen Adelsgeschlechts studierte Jura und Musik in Rom. Schon bald galt seine Liebe der Inszenierung von Opern. Nach zahlreichen Stationen vor allem in Italien fand Pralafera 2007 seine künstlerische Heimat als Intendant der Oper in Lüttich. Mit plüschigen Inszenierungen, die er mit international angesehenen Sängern besetzte, zeigte er eine sehr eigene Handschrift und sorgte bald für überregionale Aufmerksamkeit. Im Juli kommenden Jahres hatte er seinen Rückzug geplant, als ihn am 7. Februar infolge eines Krebsleidens der Tod ereilte. Die Erschütterung ist groß. Die von ihm berufene Musikdirektorin Speranza Scappucci hat das letzte Konzert für Pralafera zusammengestellt und dirigiert es mit Verve. An mancher Stelle wirkt es so, als würfe sie dem Verstorbenen ihre Arme entgegen, aber nie so, dass der Kitsch regiert.

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Stefano Mazzonis di Pralafera war ein großer Verdi-Anhänger. Aber bevor seiner Leidenschaft gehuldigt wird, eröffnet das Orchester mit dem Adagio pour Cordes von Samuel Barber. Scappucci hält sich weiterhin bedeckt, wenn sie zwischen Orchesterstücken wie dem Adagio des Concerto pour Clarinette en la majeur von Wolfgang Amadeus Mozart, dem Souvenir d’un lieu cher von Tschaikowsky, dem Ave verum corpus wiederum von Mozart und Opernstücken wie der Meditation de Thaïs von Jules Massenet oder dem Intermezzo aus der Cavalleria rusticana von Pietro Mascagni wechselt.

Zwischen den Stücken werden Fotos von einem lebenslustigen, engagierten Pralafera gezeigt, die an sein Leben an der Oper und in der Familie erinnern. Der Kinderchor war ihm ein besonders Anliegen. Verdis Gefangenenchor aus Nabucco beschließt das Konzert als gebührendes Finale. „Flieg, Gedanke, auf goldenen Schwingen“ rufen Chormitglieder und Orchester ihrem so sehr geliebten Chef hinterher, der die Oper von Liège als einer der drei königlichen Opern in Belgien aus dem Mittelmaß herausführte. Dass der Opernregisseur in seinen Inszenierungen sehr italienisch dachte, geriet ihm in Belgien zum Erfolg. Und dort haben seine Anhänger einen gelungenen Abschied gefeiert. Er hätte noch viel vorgehabt – das wurde im Konzert deutlich.

Michael S. Zerban