O-Ton

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Foto © Matthias Stutte

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Komödienstadel mit Gesang

PASSIONÉMENT – VERRÜCKT NACH LIEBE
(André Messager)

Besuch am
4. März 2023
(Deutsche Erstaufführung)

 

Theater Krefeld Mönchengladbach, Theater Krefeld

Intelligente Komödien sind fantastisch. Am besten sind solche, bei denen einem am Schluss das Lachen im Halse stecken bleibt. Aber sie haben ein Problem. Es gibt so wenige davon. Unglücklicherweise finden Besucher eine Komödie umso besser, je platter die Witze, je verdrehter und unglaubwürdiger die Entwicklung ist. Das beflügelt Autoren seit Jahrhunderten. Und so steht die Komödie sich immer wieder selbst im Wege. Der Publikumserfolg ist der Schenkelklopfer, dagegen kommt der feinsinnige Humor selten an.

Das Theater Krefeld Mönchengladbach hat jetzt eine dieser Komödien wieder ausgegraben. Passionnément – Verrückt nach Liebe ist eine Comèdie musicale in drei Akten, die von Maurice Hennequin und Albert Willernetz 1926 geschrieben und von André Messager mit Musik versehen wurde. Ulrich Proschka hat sie ins Deutsche übertragen und für das Krefelder Theater inszeniert. Der amerikanische Millionär William Stevenson reist mit seiner Ehefrau Ketty, dem Dienstmädchen Julia und dem Kapitän Harris auf seiner Jacht Arabella von Amerika nach Frankreich, um dem Franzosen Robert Perceval ein Stück Land in Colorado abzukaufen. Der eifersüchtige Stevenson verlangt von seiner Frau, dass sie in Frankreich eine weißhaarige Perücke und eine blaue Brille trägt, um sie vor den erotischen Nachstellungen der Franzosen zu schützen. Julia und den Kapitän kann Stevenson nicht leiden.

Nach der Ankunft geht es gewohnt turbulent zu. Ein Versuch lohnt, es abzukürzen. Während der Amerikaner mit Perceval in Verhandlungen tritt, lernen wir dessen Affäre Hélène Le Barrois und ihren Ehemann kennen. Letzterer will das Liebespaar auf frischer Tat ertappen. Perceval lernt durch einen Zufall Ketty in ihrer wahren Gestalt kennen, muss aber glauben, ihrer Nichte Margaret zu begegnen und verliebt sich Hals über Kopf in sie. Fast geht eine Schlüsselszene unter, in der Stevenson auf absoluter Alkoholabstinenz seiner Mitreisenden besteht. Ketty verbringt als Margaret eine Liebesnacht mit Robert, während Stevenson sich im Kasino aufhält, Julia bleibt weiter unbefriedigt und klagt lauthals bei jeder Gelegenheit darüber. Als Stevenson vollkommen betrunken aus dem Kasino zurückkehrt, entdeckt er seine Begeisterung für Julia, die Affäre zwischen Ketty und Robert fliegt auf und dank der Betrunkenheit von Stevenson bekommt Robert Ketty und Julia die Aussicht auf Befriedigung durch den Millionär. Champagner als alleinseligmachender Problemlöser: Das ist heutzutage vollkommen politisch unkorrekt, aber so gehört sich das für eine Komödie. Und das Theater Krefeld traut es sich. Kompliment.

Foto © Matthias Stutte

Für hölzerne Dialoge, unzählige Wiederholungen und Gesangsnummern sind zweieinhalb Stunden vorgesehen – im Original gibt es noch eine halbe Stunde mehr – überzogen wird dann noch einmal um zehn Minuten. Kürzen könnte man es ohne jedweden Inhaltsverlust auf anderthalb Stunden. Proschka inszeniert höchst konventionell. Wie es sich für durchschnittliche Komödien gehört, geht es holzschnittartig zu. Christine Knoll hat ihr Bühnenbild und die Tribüne für das Publikum auf der Bühne des Theaters Krefeld parallel zum Zuschauerraum aufgebaut. Eine Drehbühne auf der Bühne sorgt dafür, dass zwei ganz ähnliche Bühnenbilder einander abwechseln. Ist es im ersten Akt die Darstellung der Jacht, sind es später die Räumlichkeiten des Anwesens von Perceval, die aber im Wesentlichen mit dem gleichen Mobiliar auskommen. Bei den Kostümen setzt Knoll ganz auf das Klischee.

Wie auch immer das gelingt, hat das Theater die Zielgruppe an diesem Abend haargenau erwischt. Die Lacher sitzen, jede Gesangsnummer wird beklatscht. Was soll man da noch gegen das Komödienstadel einwenden? Zumal die Besetzung überzeugt, wenn man von Kleinigkeiten absieht. Auch wenn die Musik keine wirklich hohen Anforderungen stellt, verlangt sie von den Sängern doch enorme Konzentration. Denn die Niederrheinischen Sinfoniker sitzen an der Seite der verkleinerten Bühne, also vor dem Zuschauerraum. Was für das Publikum einem Mono-Effekt gleichkommt, dürfte den Sängern die Einsätze erheblich erschweren. Davon lassen sie sich aber in keiner Weise beeindrucken.

Gabriela Kuhn spielt und singt Ketty mit viel Koketterie. Als Dienstmädchen Julia glänzt Mezzosopranistin Kejti Karaj aus dem Opernstudio. Ebenfalls aus der Nachwuchsschmiede kommt Bariton Miha Brkinjač, der einen sympathischen Perceval abgibt, auch wenn der unüberhörbare osteuropäische Akzent nicht so ganz zum französischen Lebemann passen will. Indre Pelakauskaite aus dem Opernstudio stellt die Geliebte von Perceval überzeugend dar und lässt einen schönen Sopran hören. Hayk Deinyan verbreitet mit seinem gekonnten Auftritt als gehörnter Ehemann viel Freude. Die undankbare Rolle des Kapitän Harris, der zumeist grinsend herumstehen muss, wird von Tenor Jakob Kleinschrot souverän gelöst. Auch er kommt aus dem Opernstudio und gefällt, wie die anderen Teilnehmer, nicht nur in der Spielfreude, sondern vor allem in der Stimme. Markus Heinrich muss lange den Unsympathen spielen, erlebt seine Sternstunde dann aber in den letzten zehn Minuten, wenn er den betrunkenen Stevenson großartig interpretiert.

Sebastian Engel hat mit den Niederrheinischen Sinfoniker, die hier in eher kleiner Besetzung antreten, im doppelten Sinn leichtes Spiel. Joaquim Font Plans, der Mann am Klavier des Opernstudios, sekundiert am Flügel den oft süßlichen Klang Messagers, der ganz wunderbar zum Stoff passt.

Freunde der Komödie werden an dieser Operette legère sicher ihre Freude haben. Bei der Premiere wird jede Musiknummer beklatscht, ehe es zum Ende noch einmal rauschenden Applaus für alle Beteiligten gibt.

Michael S. Zerban