O-Ton

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Foto © Paul Leclaire

Aktuelle Aufführungen

Üppige Klänge in bedrückender Düsternis

DIE VÖGEL
(Walter Braunfels)

Besuch am
5. Dezember 2021
(Premiere)

 

Oper Köln, Staatenhaus Deutz

Zum zweiten Mal nach 23 Jahren bemüht sich die Kölner Oper, Walter Braunfels mit dessen wohl bester Oper Die Vögel aus seinem Schattendasein zu befreien. Braunfels teilt das Schicksal vieler Kollegen seiner Generation, nach dem Bannstrahl durch die Nazis weitgehend in Vergessenheit geraten und geblieben zu sein.

Dabei gehörte Braunfels noch in den 1920-er Jahren zu den erfolgreichsten zeitgenössischen Opernkomponisten. Nicht zuletzt dank der im Umfeld des Ersten Weltkriegs entstandenen und vor 101 Jahren in München uraufgeführten Oper nach Aristophanes‘ Satire Die Vögel.

Allerdings schneidet Braunfels in dem von ihm selbst verfassten Libretto die komischen Ingredienzen der antiken Vorlage drastisch zurück und stellt die pessimistische politische Botschaft des Stücks in den Mittelpunkt. Auch Regisseurin Nadja Loschky steht in ihrer Kölner Inszenierung nicht so sehr der Sinn nach hintergründigem satirischem Humor. Noch bevor der erste Takt erklingt, erfüllt Kriegslärm die als Schlachtfeld hergerichtete Bühne des Kölner Staatenhauses. Dem Kriegsszenario bleibt die Berliner Regisseurin, mit Ausnahme einer großen Szene, bis zum Ende treu.

Die Handlung in Kürze: Ratefreund und Hoffegut sind von ihren Mitmenschen enttäuscht und suchen ihr Glück im luftigen Reich der Vögel. Der pragmatisch skrupellose Ratefreund wiegelt die Vögel auf, ihr Reich durch eine befestigte Stadt zu sichern und den Göttern den Krieg zu erklären. Die Vögel erklären sich zu den Herrschern des Himmels und provozieren Zeus mit ihrem „Wolkenkuckucksheim“, das der Göttervater mit einem Sturm zerstört. Reumütig erkennen die Vögel ihren Hochmut.

Vor allem der sensible Hoffegut spürt, dass sich der Umzug aus einer von Krieg, Unterdrückung und Hybris bestimmten irdischen Welt in ein angeblich besseres „Wolkenkuckucksheim“ lediglich als Flucht in eine anders geschmückte Realität mit den gleichen Machtstrukturen erweist. Folgerichtig unterscheidet sich bei Loschky das Vogelreich von der menschlichen Welt lediglich durch die Schnäbel und Gefieder der Bewohner und deren eierlegende Fortpflanzung. Ansonsten beherrscht bedrückende Düsternis das Szenario aller Ebenen.

Braunfels taucht die Handlung in ein raffiniert und üppig instrumentiertes symphonisches Klangbad, das Gabriel Feltz und das Gürzenich-Orchester leuchtkräftig ertönen lassen, wobei auch sie nicht überspielen können, dass vieles nach Richard Strauss, Korngold, Zemlinsky und anderen Kollegen seiner Generation klingt, aber wenig nach einer unverkennbaren Handschrift.

Und der Einfluss Richard Wagners schlägt sich nicht nur im großen Traumduett des sensiblen Hoffeguts mit der Nachtigall nieder, in dem Hoffegut wie ein Bruder Parsifals und Tristans wirkt. Parallelen, die die Regisseurin tatkräftig unterstützt, wenn sich das triste Kriegsszenario in einen bunten Zaubergarten wie aus dem Parsifal verwandelt. Musikalisch markiert diese Szene den Höhepunkt der Oper und mit dem Bayreuth-erfahrenen Wagner-Tenor Burkhard Fritz ist die kräftezehrende Partie so ideal besetzt wie die der Nachtigall durch die koloraturgewandte Sopranistin Ana Durlovski. Weitere vokale Höhepunkte markieren Samuel Youn mit dem warnenden Monolog des Prometheus und Joshua Bloom mit einer pointierten Darstellung des machtbesessenen Ratefreund. Die vielen kleineren Rollen und die große Chorpartie geben nach längerer Abstinenz dem Ensemble der Kölner Oper Gelegenheit, sich effektvoll zu präsentieren.

Viel Beifall für eine ambitionierte und weitgehend gelungene Erinnerung an ein zu Unrecht vernachlässigtes Werk aus tristen Zeiten.

Pedro Obiera