O-Ton

Kulturmagazin mit Charakter

Foto © Bernd Uhlig

Aktuelle Aufführungen

Wenn das Hirn ewig lebt

UPLOAD
(Michel van der Aa)

Besuch am
18. April 2022
(Premiere)

 

Oper Köln, Staatenhaus Deutz

Auf eine fantastische Reise zwischen realer und virtueller Welt schickt uns der niederländische Multimedia-Künstler Michel van der Aa in seiner neuen Oper Upload, die jetzt im Kölner Staatenhaus als deutsche Erstaufführung gezeigt wird. Eine technisch aufwändige Produktion, in der analoge Klänge der Sänger und des Ensembles Musikfabrik mit elektronischen Realisierungen ebenso geschickt und effektiv verschmolzen werden wie beeindruckende Filmlandschaften mit den real agierenden Solisten aus Fleisch und Blut.

Mehrere unterschiedlich große Leinwände füllt van der Aa mit seinen Kreationen aus einer anderen Welt. Als Krönung senkt sich ein gewaltiger Baldachin über die Zuschauertribüne. Es ist ein reizvolles Gedankenspiel, das van der Aa 80 Minuten lang thematisiert. Ein Vater beschließt, seinen Körper sterben und seinen Geist, also seine im Hirn abgespeicherten Daten, für alle Ewigkeit „uploaden“ zu lassen. Mit der Hoffnung, unangenehme Erinnerungen löschen und sich auf eine rosigere Zukunft vorbereiten zu können. Allerdings lässt er sich damit auf eine Reise ohne Wiederkehr ein. Schnell erkennt er, dass ihm zukünftige Visionen versperrt bleiben und die künstliche Welt weit weniger zu bieten hat als die reale mit ihren schmerzlicheren, aber auch glücklicheren Momenten.

Die einzige Möglichkeit, diesen Irrweg verlassen zu können, bietet die Löschung des Uploads, die er aber nicht selbst veranlassen kann, sondern nur eine ihm nahestehende bevollmächtigte Person. In diesem Fall ist es als einzige Angehörige seine Tochter, die dadurch in schlimme Gewissensnöte getrieben wird und sich weigert, die völlige Existenz ihres Vaters auslöschen zu wollen. Von der Aufgabe, über ein ewiges, aber unglückliches Leben oder den unauslöschlichen Tod ihres Vaters entscheiden zu müssen, zeigt sie sich ebenso überfordert wie viele Angehörige, die heute schon vor der Gewissensfrage stehen, lebenserhaltende Maßnahmen schwer kranker Angehörigen einstellen zu lassen.

Foto © Bernd Uhlig

In der konsequenten Inszenierung des Komponisten agiert die grandiose Julia Bullock als Tochter stets in der Realität, während der Vater nach dem Upload wie ein Gespenst auf der Leinwand zu sehen ist. Van der Aa visualisiert die Gedanken des Vaters auf den zahlreichen Leinwänden in teilweise atemberaubend fantasievollen Film-Projektionen. Das Ganze taucht er in eine irreal schwebende Klanglandschaft, die die dreizehn Musiker der Kölner Musikfabrik exzellent ertönen lassen. Dass er mitunter zu stereotypen minimalistischen Formeln greift, stört in diesem Fall nicht wesentlich. Die Singstimmen sind rezitativisch eng an den Text angelehnt und werden von Julia Bullock und Roderick Williams in der Rolle des Vaters optimal umgesetzt.

Theoretische Erörterungen des eingeblendeten Klinikpersonals zur Zukunftsträchtigkeit des zweifelhaften Verfahrens hätte man sich sparen können. Allerdings führen diese wissenschaftlich theoretischen Unterbrechungen immerhin dazu, sich nicht zu distanzlos den Gedankenflügen des Vaters hinzugeben.

Vom immensen technischen Aufwand, den die ursprünglich für die Amsterdamer Oper vorgesehene und erst mit Verspätung bei den Bregenzer Festspielen erstmals gezeigte Oper erfordert, wird man angesichts des werkdienlichen Einsatzes der Multimedia-Formate nicht abgelenkt.

Viel Beifall für eine anregende Oper auf der Höhe der Zeit.

Pedro Obiera