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DIE LUSTIGE WITWE
(Franz Lehár)
Besuch am
5. Dezember 2023
(Premiere am 3. Dezember 2023)
Eine Witwe, die nicht nur lustig ist, sondern auch eine 20 Milliarden schwere Erbschaft auf dem Konto hat, weckt Begehrlichkeiten. Da wird in dem ebenso korrupten wie bankrotten pontevedronischen Fantasie-Staat schnell vergessen, dass man in grauer Vorzeit dem einstigen Bauernmädchen Hanna verboten hat, den höherstehenden Grafen Danilo zu heiraten. Am Ende lässt die großzügige Witwe sogar der Kölner Oper eine Milliarde zufallen.
Eine pfiffige Idee, das bürokratische und diplomatische Chaos der Bananenrepublik mit dem Desaster um das nach zwölf Jahren immer noch nicht fertig sanierte Opernhaus zu verknüpfen. Die Neuinszenierung von Franz Lehárs populärster und wohl auch bester Operette Die lustige Witwe zeigt den Kölnern, wie man aus der abbruchreifen pontevedronischen Botschaft in Paris innerhalb von sieben Tagen einen Luxussalon zaubern kann, in dem die Puppen tanzen.
Was Bühnenbildner Friedrich Eggert an illustren Dekorationen aufbietet, setzt ebenso starke Akzente wie das pittoreske Kostümmeer von Alfred Mayerhofer. Von edelsten Gala-Roben bis zu Teufelsmasken, scharfen Ledercorsagen und putzigen Tutus fährt Mayerhofer ganze Lastwagen an Textilien auf. Wovon besonders die nahezu ständig anwesenden Tänzer profitieren, die für viel Schwung auf der breiten Bühne des Staatenhauses sorgen. Dass auch bärtige Männer in Damenkostümen auftreten müssen, ist zwar heute üblich, muss aber nicht sein.
Foto © Matthias Jung
Regisseur Bernd Mottl erzählt das Stück mit feiner Personenführung und dezenten Anspielungen auf die Kölner Baupolitik turbulent, humorvoll und ohne kalauernde Übertreibungen. Bei aller Vitalität bleibt genug Raum für ruhige, fast introvertierte und nachdenkliche Momente. Man merkt der Titelfigur ebenso wie dem Hallodri Danilo gewisse Skrupel und Gewissensbisse an, wenn sie, die als junges Liebespaar aus Standesdünkeln nicht zusammenkommen konnten, jetzt quasi aus Geldgier miteinander verkuppelt werden sollen. Auch wenn sie sich angesichts schweigender Lippen und flüsternder Geigen näherkommen und am Ende ein Happy End feiern: Ein Schatten bleibt an der „Liebesheirat“ haften. Und das wird in der Inszenierung spürbar, ohne von psychologischen Überinterpretationen irritiert zu werden.
Andrea Sanguineti am Pult des Gürzenich-Orchesters geht musikalisch ähnlich differenziert vor. Die fetzigen Nationaltänze, die Mazurken, Couplets und Walzer spielt der Dirigent mit dem nötigen Schwung aus. Aber auch die leisen Töne sind bei ihm bestens aufgehoben. Und so kann die Titelheldin Elissa Huber ihr Vilja-Lied mühelos und ausdrucksvoll aussingen und zugleich einen Blick in ihre gar nicht immer so „lustige“ Gefühlswelt erlauben. Dass die Sängerin ihre ersten Bühnenerfahrungen als Musical-Darstellerin gesammelt hat, kommt ihr in der Operette sowohl gesanglich als auch darstellerisch zugute. Die Stimmungswechsel meistert sie übergangslos und auch in den Tänzen kann sie auf Augenhöhe mit dem Ballett mithalten.
Miljenko Turk präsentiert einen agilen, stimmlich leichten, aber sicheren Danilo. Claudia Rohrbach als Valencienne bietet eine der besten Gesangsleistungen des Abends und angesichts der homogenen Gesamtleistung fällt es schwer, angesichts der vierzehn Solo-Partien einzelne Sänger hervorzuheben. Wozu auch der Chor in der Einstudierung von Rustam Samedov zu zählen ist. Die Produktion wirkt wie aus einem Guss ohne einen einzigen Ausfall.
Sehr zur Freude des Publikums, das alle Mitwirkenden mit anhaltendem Beifall überschüttet. Nicht nachvollziehbar ist allerdings der Umstand, dass bei einem Kassenfüller wie der Lustigen Witwe bereits bei der zweiten Aufführung große Lücken im Parkett des Staatenhauses klaffen. Was sich in den Folgeaufführungen nicht wesentlich bessern wird.
Pedro Obiera