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DIE FRAU OHNE SCHATTEN
(Richard Strauss)
Besuch am
20. September 2023
(Premiere am 17. September 2023)
Mit einem extrem aufwändigen Schwergewicht des Repertoires startet die Kölner Oper in die neue Saison. Richard Strauss‘ Oper Die Frau ohne Schatten ist im Deutzer Staatenhaus in einer ehrgeizigen Produktion zu erleben, die Licht, aber auch mehr Schatten wirft als die Titelfigur.
Wie schon beim Rosenkavalier schwebte Hofmannsthal mit der symbolistisch verschlüsselten Märchenoper ein Werk im Geiste Mozarts vor, worauf Strauss allerdings wenig Rücksicht nahm. Das gigantisch besetzte Gürzenich-Orchester nimmt am rechten Rand mehr Platz ein als die von Johannes Leiacker schlicht und einheitlich dekorierte Spielfläche. Der „Schatten“ symbolisiert die Fruchtbar- und Gebärfähigkeit. Die Kaiserin als Tochter der dämonischen Geistergestalt Keikobad muss einen Schatten finden, damit ihr geliebter Kaiser nicht zur Strafe in Stein verwandelt wird. Mit Hilfe ihrer Amme steigt sie ins verachtete Menschenreich und bringt eine Färberin dazu, ihr ihren Schatten zu überlassen. Als die Kaiserin merkt, dass die Färberin mit dem damit verbundenen Verzicht auf Kindersegen sich und ihren Gatten ins Unglück stürzen würde, lässt die Kaiserin von ihrem Vorhaben ab und trotzdem geht am Ende alles gut aus.
Foto © Matthias Jung
Diese dürren Worte werden nicht im Entferntesten der Komplexität des Werks gerecht. Eine Vielschichtigkeit, die Regisseurin Katharina Thoma zu entflechten und auf eine leichter nachzuvollziehende Ebene zu rücken versucht, was ihr auch im Wesentlichen gelingt. Die Spielfläche besteht lediglich aus einem ovalen Stufenaufgang, den ein massiver Felsblock krönt. Symbolische und magische Zutaten, aber auch mancher effektvolle Bühnenzauber, den Hofmannsthal einfließen lässt, wie ein Erdbeben oder die Geisterwelt Keikobads, werden lediglich angedeutet. Selbst mit Video-Einblendungen geht die Regisseurin sparsam um. Die menschlichen Dimensionen der seelischen Qualen vor allem der Frauen kommen durch die szenische Askese umso deutlicher zum Ausdruck.
Und die Besetzung der drei weiblichen, immens anspruchsvollen Hauptrollen bestimmt auch wesentlich das stimmliche Niveau jeder Produktion dieses Werks. Drei dramatisch geprägte Partien, denen Strauss allerdings nicht weniger lyrische Qualitäten abverlangt. Irmgard Vilsmaier hinterlässt als Amme den geschlossensten Eindruck, Daniela Köhler als Kaiserin gelingen mit ihrer unruhig geführten Stimme die sanfteren Episoden überzeugender als die dramatischen Takte. Wie auch Lise Lindstrom als Färberin, die zum Glück auf hysterische Exzesse verzichtet. AJ Gluckert verfügt für den Kaiser über einen kultivierten, aber doch zu weichen Tenor. Neben Vilsmaier bietet Jordan Shanahan mit seinem voluminösen Bariton als Barak die beste vokale Leistung des Abends.
Für diese Oper hat Strauss die mit Abstand schillerndste und farbigste, aber auch, ungeachtet der Salome und der Elektra, dynamisch explosivste Musik geschrieben. Marc Albrecht steuert das famose Gürzenich-Orchester sicher und differenziert durch den mehr als vierstündigen Abend. Die Größe des Staatenhauses ermöglicht, dass die Sänger auch von stärkeren orchestralen Attacken und Klangräuschen nicht überrollt werden. Eine insgesamt werkdienliche und sängerfreundliche Leistung des Dirigenten.
Langanhaltender Beifall für einen ambitionierten Saison-Auftakt mit Licht und Schatten.
Pedro Obiera