O-Ton

Kulturmagazin mit Charakter

Aktuelle Aufführungen

Flaute auf der tristen Bühne

DER FLIEGENDE HOLLÄNDER
(Richard Wagner)

Besuch am
4. April 2023
(Premiere am 2. April 2023)

 

Oper Köln, Staatenhaus Deutz

Im Orchestergraben stürmt es heftig, auf der Bühne geht es eher flau zu in der Kölner Neuinszenierung von Richard Wagners „romantischer Oper“ Der fliegende Holländer. Es war ein Herzenswunsch von François-Xavier Roth, Wagners erstes bedeutendes Werk in seiner vorletzten Saison als Generalmusikdirektor in Köln präsentieren zu dürfen. Und er lässt das Gürzenich-Orchester mächtig aufdrehen. Auch in den lyrischen Passagen nicht immer delikat, aber immer mitreißend. Hinter der Hauptspielfläche postiert, bringt das Orchester die Sänger auch unter Hochdruck nie in Bedrängnis.

Die Emphase, mit der Roth eine effektvolle Basis für eine von Leidenschaft, Entsagung und Verklärung getragene Oper vom Format des Holländers schafft, wird auf der Bühne allerdings nicht erwidert. Gäbe es einen Preis für das tristeste Bühnenbild: Adeline Caron hätte ihn mit der Kulisse ihres heruntergekommenen Containerhafens verdient. Vor dem Orchester prangt ein leeres Holzpodest, das immerhin dem großen Chor viel Platz bietet. Die Holländer-Mannschaft vegetiert links in rostigen Containern, rechts fügt sich die schmucklose Kommandobrücke des norwegischen Schiffes an. Über dem Orchester ist ein Schiffsgang samt einer Reling angebracht. In der Disposition durchaus geschickt, in der Ausführung aber fad und stimmungslos.

Und das betrifft auch die Inszenierung von Benjamin Lazar, der die Figuren nahezu orientierungslos über die Bühne wandeln lässt. Von profilierter Charakterisierung, von subtiler Personenführung oder gar von Emphase keine Spur. Selbst in der Begegnung von Senta und ihrem ersehnten Holländer nicht. Auffällig, dass ausgerechnet die Auseinandersetzungen Sentas mit ihrem verlassenen Verlobten Erik Leben auf die Bühne bringen.

Und natürlich der Gespensterspuk im dritten Akt. Dass die zunächst fröhlich feiernden Norweger in wilden Kostümen der russischen Masleniza-Tradition auftreten, bringt zwar ein wenig Farbe ins Geschehen. Der vom Regisseur beabsichtigte Hinweis auf den Zerfall der Sowjetunion wirkt jedoch ebenso aufgesetzt wie sinnlos. Die gefürchteten Matrosen des Geisterschiffes bleiben starr und harmlos wie Puppen und werden von den Norwegern böse traktiert. Lazars Versuch, jedes „romantische“ Accessoire aus dem Stück zu eliminieren, lässt natürlich auch für einen verklärenden Schluss keinen Raum. Es kommt nicht zu einer Vereinigung von Senta und dem Holländer in besseren Welten. Sie schleicht sich von der Bühne und lässt zwei tief deprimierte Liebhaber, den Holländer und Erik, zurück.

Das alles wäre diskutabel, wenn sich die nüchterne Werksicht mit der mit heißer Nadel gestrickten Musik verbinden ließe. Gerade das ist nicht der Fall, was sich auch auf die Sänger überträgt. Die statische Personenführung und die blasse Charakterzeichnung führen auch zu entsprechend blutarmen Gesangsleistungen. Vor allem bei der Gestalt des Holländers, auch wenn Joachim Goltz – alternierend mit James Rutherford – der Partie stimmlich gewachsen ist. Charisma welcher Art auch immer sucht man bei ihm vergebens. Am Daland von Lucas Singer ist gesanglich ebenfalls nichts auszusetzen. Ingela Brimberg als Senta gelingt es dagegen nicht, sich richtig freizusingen, und sie hat mit den hoch gelegenen Kraftakten vor allem im dritten Akt hörbare Probleme. Den geschlossensten Eindruck hinterlässt ausgerechnet Young Woo Kim mit seinem kraftvollen Tenor in der undankbaren Rolle des Erik. Auch Seunglick Kim als Steuermann kann überzeugen. Und der verstärkte Chor der Kölner Oper beeindruckt durch seine Schlagkraft.

Insgesamt eine problematische Produktion mit lodernden Orchesterklängen, durchschnittlichen Gesangsleistungen und einer tristen Inszenierung. Dennoch viel Beifall für die musikalischen Akteure.

Pedro Obiera