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DIE ENTFÜHRUNG AUS DEM SERAIL
(Wolfgang Amadeus Mozart)
Besuch am
19. März 2022
(Premiere am 13. März 2022)
Es ist nie falsch, wenn man sich Mozarts Opern aus einer psychologisch orientierten Perspektive nähert. Damit verfolgt auch Kai-Anne Schuhmacher in ihrer Neuinszenierung von Mozarts Singspiel Die Entführung aus dem Serail an der Kölner Oper einen vielversprechenden Ansatz, den sie allerdings nicht konsequent genug ausführt.
Vor elf Jahren stellte Uwe Eric Laufenberg den Ost-West-Konflikt des Harems-Dramas in den Mittelpunkt seiner Inszenierung. Ein Aspekt, der Kai-Anne Schuhmacher überhaupt nicht interessiert. Für sie ist das Serail ein „Ort der Intimität und Verführung, der von Bassa Selim eröffnet wird und den Konstanze und Belmonte durchwandern“. Die Bühne wird damit zum Ort des Unterbewusstseins, in dem vor allem Konstanze ihre Ängste und Hoffnungen ausleben kann.
Den größten Platz des relativ kleinen Staatenhauses 3 nimmt die Spielfläche ein, die Dominique Weber lediglich mit weißen Tüchern auslegt, die sich flexibel in zeltartige Räume oder imposante Gewänder verwandeln und als Projektionsflächen für originelle Schattenspiele nutzen lassen. Bassa Selim versucht, wie ein Magier die Fäden der Handlung zu führen, der Haremswächter Osmin übernimmt an einer Orgel mehrfach wie ein diabolischer Hexenmeister die musikalische Leitung und Konstanze träumt auf aufgetürmten weißen Laken von Schwangerschaft und Glück. Die Haremsgesellschaft kleidet Valerie Hirschmann in originelle, fantastisch skurrile Kostüme.
Foto © Paul Leclaire
Konstanze befreit sich in dem unbewussten Schattenreich aus ihrer Passivität und beweist, zusammen mit Blondchen und allen Frauen des Serails, ihre überlegene Stärke. Gipfelnd in der Marter-Arie, während der die Männer in einer Art Palast-Revolte von den Frauen geradezu zusammengeschlagen werden. Die Stärke der Frauen entspricht durchaus Mozarts psychologisch fein gestrickter Musik. Allerdings überdreht die Regisseurin den Ansatz, wenn sie die Männer, einschließlich Belmonte, unterschätzt und lächerlich aussehen lässt. Das führt nicht nur in Szenen wie der Bacchus-Arie zu klamaukhaften Entgleisungen.
Die 200 Zuschauer in der intim kleinen Spielstätte sind neben dem Gürzenich-Orchester postiert, das Rainer Mühlbach mit Feingefühl und dem nötigen Esprit leitet. Die Besetzung der großen und anspruchsvollen Partien vertraut man nahezu ausschließlich sehr jungen Kräften an, die teilweise noch dem Opernstudio angehören oder erst vor kurzem aus dem Studio ins Ensemble übernommen wurden. Damit kann man sich an frischen, wenn auch technisch noch nicht ganz ausgereiften Stimmen und spielfreudigen Akteuren erfreuen.
Den schwierigsten Part hat Kathrin Zukowski als Konstanze zu bewältigen, was ihr vortrefflich gelingt, auch wenn es ihrer Stimme in den Höhen noch an geschmeidiger Flexibilität fehlt. Ein Problem, das auch dem Tenor von SeungJick Kim als Belmonte nicht ganz fremd ist. Dennoch beeindrucken beide durch ihre stimmlichen und gestalterischen Gesamtleistungen. Was auch für Rebecca Murphy als Blonde und Dustin Drosdziok als Pedrillo gilt, die beide noch dem Opernstudio angehören. Lucas Singer als Osmin und Florian Reiners als Bassa Selim garnieren das Ganze mit einer Prise dämonischen Charismas.
Begeisterter Beifall für eine originelle, in großen Teilen überzeugende und kurzweilige Neuproduktion der beliebten Mozart-Oper.
Pedro Obiera