O-Ton

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Klostergarten Knechtsteden - Foto © O-Ton

Aktuelle Aufführungen

Von allen Seiten betrachtet

BEETHOVENS MUSIKWELT – EIN PASTICCIO
(Diverse Komponisten)

Besuch am
22. September 2020
(Einmalige Aufführung)

 

Festival Alte Musik Knechtsteden, Klosterbasilika

Im nächsten Jahr wird Hermann Max 80 Jahre alt. Die Corona-Krise brachte zwar auch sein Festival Alte Musik in Knechtsteden in Bedrängnis, konnte es aber nicht ausbremsen. Auch wenn allerorts vieles zum Beethoven-Jahr der Pandemie zum Opfer gefallen ist: Der Künstlerische Leiter zog seine prall gefüllte Festwoche nahezu unverändert durch. Dazu gehörte auch ein dreistündiges Pasticcio, das das musikalische Umfeld Beethovens aus allen möglichen Perspektiven beleuchtet. Im ersten Teil erklingen Werke von Komponisten, die bereits den kleinen Beethoven geprägt haben, den zweiten Teil bestimmen Musiker, denen er in seiner Bonner Zeit begegnet ist und im dritten Teil  sind Kollegen vertreten, mit denen er sich in Wien auseinandersetzen musste.

Dafür bietet Max seine vertrauten Ensembles auf, also die Rheinische Kantorei, Das Kleine Konzert sowie vier Gesangssolisten und den Pianisten Tobias Koch am Hammerflügel. Daneben erläutern in jedem Teil unter der straffen Moderation von Bernd Heyden Dirigent Max und die Kustodin des Bonner Beethoven-Hauses, Julia Ronge, etliche Aspekte zum Leben und Schaffen Beethovens. Die Ensembles teilt Max auf, postiert sie an den Enden der langgestreckten Klosterbasilika und lässt sie abwechselnd musizieren. Damit können die Abstandsregeln eingehalten werden und die Besucher erwartet eine Art zweichöriges Konzert.

Foto © Michael Rathmann

Der erste Teil des Programms ist Johann Sebastian sowie Carl Philipp Emanuel Bach gewidmet. Damit wird Max der Tatsache gerecht, dass Beethoven die ersten wichtigen Impulse von der Musik Bachs empfing, die sein gesamtes Schaffen prägte und besonders intensiv sein Spätwerk beeinflusste. Das für Bach signifikante Spannungsverhältnis zwischen freier Improvisation und gebundener Form beschäftigte auch Beethoven zeitlebens. Und die „Fantasie“ als Gattung der „freien Schönheit“, wie sie Kant nannte, wurde durch Carl Philipp Emanuel wesentlich geprägt, den Beethoven ebenfalls schätzte. Insofern bestimmt den ersten Teil des Pasticcios eine kluge Zusammenstellung von Ausschnitten aus Bachs Messe in A-Dur, der h-Moll-Messe, für Beethoven ohnehin die größte Komposition aller Zeiten, dem Wohltemperierten Klavier, dessen b-Moll-Fuge im Original auf dem Hammerflügel und in einer Bearbeitung Beethovens für Streichquintett erklingt sowie einer fantasieartigen Klaviersonate Carl Philipp Emanuels.

Im zweiten Teil – Beethoven & Bonn – wird ein starker Akzent auf die Bonner Familie Ries gelegt. Johann Ries war ein Nachbar der der Familie und der erste Geigenlehrer Beethovens, dessen Sohn Ferdinand wurde in Wien einer der engsten Vertrauten des Meisters. Interessant die Begegnung mit hörenswerten Kompositionen der beiden und zwar in großer stilistischer Bandbreite von geistlicher Musik bis zum Klavierlied und einem imposanten Klavier-Quintett Ferdinands.

Eine Betrachtung Beethovens aus seiner Wiener Zeit darf natürlich nicht Haydn und Mozart auslassen. Dabei belässt es Max auch nicht. Er steuert ein Salve Regina von Antonio Salieri bei, der Beethoven mit dem Operngesang vertraut machte. Auch Johann Nepomuk Hummel darf nicht fehlen. Beethoven und Hummel traten zeitweise auf dem Klavier als Konkurrenten auf, respektierten sich aber als Komponisten. Zu hören ist diesmal nicht das berühmte Trompetenkonzert Hummels, sondern ein Ausschnitt aus einem seiner Oratorien, das seine Nähe zu den Chorwerken Beethovens nicht verleugnen kann. Auch wenn es nicht die Höhe des Agnus Dei aus Beethovens Messe in C-Dur erreicht, mit dem das üppige Konzert schließt.

Max‘ Ensembles zeigen sich auch nach der monatelangen Zwangspause auf gewohnt hohem Niveau. Auch bei der Auswahl der Gesangssolisten beweist Max wie gewohnt ein glückliches Händchen. Zu nennen sind hier Sopranistin Kerstin Dietl, Altistin Magdalena Hinz, Tenor Andreas Post, Bassist Carsten Krüger und am Hammerflügel mit vielfältigen Aufgaben bedacht der Pianist Tobias Koch.

Pedro Obiera