O-Ton

Kulturmagazin mit Charakter

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Aktuelle Aufführungen

Endlich unter freiem Himmel

DER NAME DER ROSE
(Umberto Eco)

Besuch am
11. August 2023
(Premiere am 4. August 2023)

 

Schloss-Spiele Hohenlimburg, Schloss Hohenlimburg, Innenhof, Hagen

Wieder ist der Aufwand riesig. Und die Enttäuschung anfänglich groß. Denn die Hauptattraktion der diesjährigen Schloss-Spiele Hohenlimburg kann erst mal ihre Premiere nicht unter freiem Himmel feiern. Der so genannte Sommer zwingt die Veranstalter in geschlossene Räume. Umso erfreulicher, dass zwischen zwei Regenpausen nun endlich Theater im Innenhof des Schlosses Hohenlimburg gespielt werden kann, der wieder bis auf den letzten Stuhl besetzt ist. Unvergessen die großartige Aufführung vom Herrenhaus im Moor im vergangenen Jahr. Heuer wird die Messlatte noch einmal ein Stück höher gehängt.

Il nome della rosa war der Erstlingsroman des Wissenschaftlers und späteren Schriftstellers Umberto Eco, der mit seinen rund 800 Seiten ein Welterfolg wurde. 1980 in Italien erschienen, gab es die deutsche Übersetzung von Burkhart Kroeber als Der Name der Rose zwei Jahre später. Wiederum vier Jahre später folgte das Kino-Spektakel von Jean-Jacques Annaud mit Sean Connery in der Hauptrolle. Einmal als „historisches Kriminaldrama“ festgelegt, steht die Handlung und das Ambiente der mittelalterlichen Benediktiner-Abtei an den Hängen des Apennins im Vordergrund.

Anna Christina Reske und Mario Weberg – Foto © O-Ton

William von Baskerville, Franziskaner-Mönch, ehemals Inquisitor und Sondergesandter des Papstes, kommt in das Kloster und wird vom dortigen Abt gebeten, Ermittlungen in mehreren Todesfällen aufzunehmen. Am Ende steht der Niedergang der Abtei mit ihrer kostbaren Bibliothek. Im Jahr 2000 fand die Uraufführung der deutschen Bühnenfassung von Claus J. Frankl bei den Luisenburg-Festspielen statt und erfuhr bislang mehr als 60 Produktionen vor allem im Festspiel-Bereich. Der „Theatermann ohne Schublade“ studierte an der heutigen Folkwang-Universität in Essen Musiktheaterregie, arbeitet als Schauspieler, Sänger und Autor. Erstaunlich, dass die Bühnenfassung offenbar bislang keine Überarbeitung erfuhr. Mit zweieinhalb Stunden reiner Aufführungsdauer kommt sie recht langatmig daher. Und nach einer halben Stunde kommt einem die permanente Wiederholung der Begrüßungsformel „Pax vobiscum – Et cum spirito tuo“, also „Friede sei mit Dir – Und mit Deinem Geiste“, zu den Ohren heraus. Das Plusquamperfekt bezeichnet die Vorvergangenheit und wird deshalb häufig falsch verwendet, klingt zudem in der wörtlichen Rede auch schwerfällig. So auch hier. Und wenn die Idee auch schön ist, einen Männerchor zu involvieren, wäre ein wenig mehr Abwechslung statt eines permanenten Kyrie eleison sicher eine Bereicherung.

Bevor aber Musik erschallt, heißt es für die ehrenamtlichen Helfer, zunächst die Besucher mit Getränken zu versorgen. Das geschieht hier mit solcher Geschwindigkeit und Freude, dass manche Gastronomie vor Neid erblassen könnte. Dementsprechend gut ist die Laune bereits, ehe der erste Schauspieler die Bühne betritt, die vielversprechend eingerichtet ist. Im Mittelpunkt ein schwarzes Kreuz, das von innen rot beleuchtet ist. Rechts davon stehen die Schreibpulte des Skriptoriums, also der Schreibstube, die der hier unsichtbaren Bibliothek vorgeschaltet ist. In der Mitte ein ausladender Fauteuil, der dem blinden Seher vorbehalten ist, links davon viel freie Spielfläche. Nach vorn ist die Rampe mit Strohballen begrenzt. Für Licht und Ton sind auch in diesem Jahr Dirk Hering und Stefan Sasse zuständig. Mit der Reichweite der Mikrofonierung gibt es ein wenig Probleme, aber das kann man verschmerzen. Ebenso wie das Licht hier und da mal nach einem anderen Zeitplan eingerichtet zu sein scheint, als ihn die Darsteller haben. Das sind Kleinigkeiten, die vor allem in der ersten Hälfte kaum ins Gewicht fallen, weil man das Licht da ohnehin kaum erkennen kann.

Lüdenscheider Männerchor und Martin Brödemann – Foto © O-Ton

Nun kann also das Hohenlimburger Schloss-Spiel-Ensemble unter der bewährten Leitung von Dario Weberg loslegen. Der Regisseur weiß die sage und schreibe 16 Darsteller gut durch die Räume zu bewegen. Und die Bewegungsabläufe sind auch überwiegend gut einstudiert. Ganz im Gegensatz zu den Texten. Ja, es ist eine Menge Text zu bewältigen, aber was die Darsteller hier an Hängern, Versprechern, Falschbetonungen und Aussetzern präsentieren, erlebt man heute in keiner Laienspielschar mehr. So werden die Dialoge schnell hölzern und trocken, vor allem aber geht dem Ablauf jede Lebendigkeit verloren. Das Erstaunen ist groß, ist man doch vom Vorjahr ganz andere Leistungen gewöhnt. Die Proben sind abgeschlossen, das Stück ist bereits einige Male aufgeführt. Aber an diesem Abend ist der Wurm drin.

Weberg übernimmt auch gleich die Hauptrolle als William von Baskerville. Sein Begleiter ist Anna-Christina Reske in der Rolle des Adson von Melk. Stefan Schroeder wirkt als Abt eher unscheinbar. Da überzeugt Karl Hartmann als der blinde Seher Jorge von Burgus schon eher. Ingo Löwen übernimmt die schwierige Rolle des Remigius, der sehr devot zu sein hat, bis er sich geradezu halsbrecherisch als Teilnehmer einer Verschwörung outet. Salvatore wird von Dirk Stasikowski als eher seltsame Figur dargestellt, die auch sicher den schwierigsten Text zu bewältigen hat. Ein seltsames dreisprachiges Gemisch, häufig mehr gezetert als gesprochen. Es ist der eindrucksvollste Auftritt des Abends. Neben den zahlreichen anderen Rollen fällt Karolin Kersting in der einzigen weiblichen Rolle angenehm mit ihrem Körpereinsatz auf. Es ist sicher nicht so, dass irgendjemand aus dem Ensemble durch Lustlosigkeit auffiele. Im Gegensatz, alle wirken hochmotiviert.

Grund, sich zu langweilen, könnte allenfalls der Lüdenscheider Männerchor unter der Leitung von Stefan Scheidtweiler haben, der sich aber mit der Begleitung von Martin Brödemann am E-Piano tapfer schlägt.

Nach drei Stunden fällt der Applaus herzlich, aber kurz aus. Die Leute wollen eindeutig nach Hause. Um all den andern Platz zu machen, die die Vorstellungen bis Ende August noch besuchen wollen. Denn allein die Atmosphäre des Abends lässt jeden Besuch zu einem Erlebnis werden.

Michael S. Zerban