O-Ton

Kulturmagazin mit Charakter

Foto © Ursula Kaufmann

Aktuelle Aufführungen

Mit Pfiff und ohne Klamauk

ORPHEUS IN DER UNTERWELT
(Jacques Offenbach)

Besuch am
7. Oktober 2023
(Premiere)

 

Folkwang-Universität Essen

 

Mit einer turbulenten Produktion von Jacques Offenbachs brillanter Operette Orpheus in der Unterwelt stellte die Folkwang-Universität erneut ihre Leistungsstärke unter Beweis. Zu erleben ist ein gemeinsamer Kraftakt verschiedener Abteilungen der Hochschule, der beim Premierenpublikum in der sehr gut besuchten Aula mit großer Begeisterung gefeiert wird.

Gastregisseurin Zsófia Geréb, die in dieser Saison auch am Aalto-Theater inszenieren wird, strafft das Werk auf gut 90 Minuten, unterschläägt dabei aber keinen der populären Hits. Auch wenn sie die Spielfreude und jugendliche Dynamik des Ensembles nach Kräften unterstützt, verzichtet sie, im Unterschied zu vielen Inszenierungen an größeren Häusern, auf plakativen Klamauk, so dass der feine Esprit des Stücks nicht zu kurz kommt.

Offenbachs spitzzüngige Attacken gegen die Amouren Napoleons III. spielen für das heutige Publikum keine Rolle mehr. Umso mehr bemüht sie sich um eine detailreiche Charakterisierung der Eurydike, die im Spannungsfeld dreier Männer zwischen Erde, Olymp und Unterwelt hin und hergeworfen wird und am Ende zur Bacchantin erklärt wird. Ein Musterbeispiel weiblicher Fremdbestimmung. Pfiffig die Idee der Bühnenbildnerinnen Linda Tiebel und Maria Savva, mit einem Dutzend transparenter, flexibel ausgeleuchteter Stellwände die verschiedenen Spielorte treffend kenntlich zu machen.

Das Orchester der Folkwang-Universität unter Leitung des Gastdirigenten Rodrigo Tomillo sorgt für eine präzise, ebenso schwungvolle wie einfühlsame instrumentale Basis, die den jungen Sängern eine stabile Orientierungshilfe bietet. Mit dreizehn zum Teil doppelt besetzten Solo-Rollen und zusätzlichen Chorstimmen können erfreulich viele Studenten berücksichtigt werden. Und Offenbachs alles andere als simple oder gesangstechnisch einfache Arien, Couplets und Ensemblesätze sind für angehende Profis so wertvoll wie die Opern Mozarts. Gesungen wird mit viel Engagement und teilweise sehr hochwertigen Leistungen. Die Gesangslehrer, die Professoren Rachel Robins, Martin Wölfel und Andreas Kohn werden wissen, wo noch Korrekturbedarf besteht.

Ganz sicher bei der Aussprache, was angesichts der internationalen Besetzung nicht erstaunlich ist. Wobei die gesprochenen, klug gekürzten Dialoge besondere Probleme bereiten.

Hervorzuheben, und das ist für eine Studenten-Produktion besonders wichtig, ist die geschlossene Ensemble-Leistung, bei der jeder sein Bestes gibt und zum Gesamterfolg beiträgt. Auch wenn sich Jeanne Jansen als Eurydike, Anton Levykin als Pluto oder Junhyuk Lee als Jupiter mit ihren extrem dankbaren Rollen besonders vorteilhaft präsentieren können.

Ein kurzweiliger, unterhaltsamer, keineswegs oberflächlicher Offenbach-Abend auf beachtlichem musikalischem und darstellerischem Niveau.

Pedro Obiera