Kulturmagazin mit Charakter
Aktuelle Aufführungen
MASCHINENHAUSMUSIK
(Eva Risser, Kee Avil)
Besuch am
23. August 2023
(Einmalige Aufführung)
Es sind nicht selten kleinere Events, die an Innovation und Frische manches Großprojekt der Ruhrtriennale überflügeln. Dazu gehören traditionell die „Maschinenhausmusiken“ in der meist ausverkauften Essener Zeche Carl. Im ersten von vier Abenden entführen jetzt die Französin Eve Risser und die Kanadierin Kee Avil das Publikum in Bereiche der Musik jenseits aller Gattungsgrenzen.
Eve Risser nimmt an einem aufgedeckten Klavier Platz, ausgestattet mit einigen präparierten Saiten und einer integrierten Rhythmusmaschine. Eine fantasievolle Künstlerin, die vielversprechend angekündigt wird: „Zehn Jahre erforschte Eve Risser die Eingeweide des Konzertflügels. Dann entdeckte sie ihre Faszination für die perkussive und rhythmische Magie, die im Körper des ganz gewöhnlichen Klaviers schlummert.“ In ihrer mit einer Stunde etwas lang geratenen Performance Aprés un Rȇve beschwört sie assoziativ die elegische Welt, die Gabriel Fauré in seinem gleichnamigen Klavierstück anklingen lässt. Reminiszenzen an und Essenzen aus dem romantischen Charakterstück verfremdet sie mit Hilfe der von John Cage salonfähig gemachten Präparationen der Saiten mit verschiedenen Materialien, von Filzstoffen bis Metallschrauben. Womit die Musikerin ihre „klassische“ Herkunft nicht verleugnet. Allerdings nur kurz, um die Vorbilder improvisatorisch und elektronisch rasch zu zerrupfen, bevor sie in einen recht gefälligen Tonfall verfällt, wie man ihn von den auf Dauer monotonen Dauerschleifen der Minimal Music kennt.
Foto © Sabrina Richmann
Radikalere experimentelle Töne stimmte nach der Pause Kee Avil mit zehn kurzen Beiträgen an. Was sie als Sängerin und E-Gitarristin mit Unterstützung raffiniert gemixter elektronischer Samples hören lässt, sind erfreulich individuell gestrickte Klang- und Seelenlandschaften. Inmitten der diffizil gestalteten, oft auch brutalen instrumentalen Geräuschkulisse wirkt die Stimme der Sängerin irritierend verhalten, schüchtern, introvertiert, verletzlich. Stockende, aufkeimende Gesangslinien immer wieder unterbrechend, entfaltet Avis eine düstere, dennoch energiegeladene, durch Videoprojektionen diverser Mikroorganismen zum audio-visuellen Gesamtkunstwerk erweiterte Klangwelt. Das alles mit bestrickendem persönlichem Charisma und der seltenen Kunst, sich angemessen kurz zu fassen und damit höchst konzentrierte Substrate ihrer Kreativität zu liefern. Ihre Lieder begreift sie als Skulpturen: „Es beginnt mit einem ersten Wort, Gefühl oder Klang, was ich zu einer definierten Form weitermodelliere und in einer imaginären Struktur befestige. Manchmal ist meine Rolle aber auch, an dessen äußerer Hülle zu schaben, um ihre wahre Gestalt freizulegen und ihren Platz im großen Ganzen sichtbar zu machen.“ Entsprechend schillernd und fasziniert wirken ihre Klangexperimente für Singstimme, E-Gitarre und Electronics.
Entsprechend begeisterter Beifall für beide Künstlerinnen. Am folgenden Mittwoch dürften Saxofonist Mats Gustafsson, Kontrabassist Barry Guy und Jordina Millà am Klavier für weitere Überraschungen im Rahmen der Maschinenhausmusik sorgen.
Pedro Obiera