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Aktuelle Aufführungen
ABSCHLUSSFEIER
(Dominik Hertrich, Christina Binta)
Besuch am
27. September 2023
(Erste Hauptprobe)
Die Regeln sind festgelegt. Um ein neues Stück im Theater aufzuführen, wird es zunächst geprobt. Dabei unterscheidet man zwischen den Proben und den Endproben. Zu den Endproben zählen die beiden Hauptproben, in denen erstmals der Durchlauf, also das Spielen eines Stückes in der Originaldekoration, in Kostümen und in der vollständigen Beleuchtung von Anfang bis Ende stattfindet, und die Generalprobe. Für alle Proben gilt, dass sie „Schutzräume“ für die Darsteller sind. Hier dürfen und sollen sie sich ausprobieren, Fehler ausdrücklich eingeschlossen. Deshalb werden bei den Proben im Grundsatz keine Besucher zugelassen. Das kann durchaus so weit gehen, einem Journalisten den Besuch zu verwehren. Hat er keine Zeit, zur Premiere zu kommen, hat er halt Pech gehabt. Dass die Regel immer häufiger mit der so genannten „öffentlichen Generalprobe“ durchbrochen wird, kann man diskutieren. Will man es positiv ausdrücken, ist die Anwesenheit von Besuchern bei der öffentlichen GP nützlich, weil der Regisseur hier noch einmal nützliche Hinweise sammeln kann, indem er die Reaktionen der Besucher beobachtet. Auf keinen Fall gilt das für die Hauptproben. Zwar steht hier das Konzept, und die Darsteller sollten zu diesem Zeitpunkt auch ihre Texte und Rollen beherrschen, aber einen zuverlässigen Blick auf das endgültig aufzuführende Stück bieten sie nicht.
Dominik Hertrich – Foto © O-Ton
Und schon gar nicht, wenn es um eine Serienproduktion wie im Rabbit-Hole-Theater in Essen geht. Seit Mai findet am jeweils letzten Donnerstag des Monats eine neue Folge zur Produktion Abschlussfeier statt. Hier sind die Zeitpläne – ähnlich der Serien, die man aus dem Fernsehen kennt – außerordentlich eng gestrickt. Seit Montag haben die Darsteller ihre Texte, am Mittwoch finden die erste Probe und die erste Hauptprobe, am Donnerstag die zweite Hauptprobe, die Generalprobe und die Uraufführung statt. Da werden Entscheidungen oft im Sekundentakt getroffen und verworfen oder korrigiert. Was die Hauptprobe mit der Uraufführung gemein hat, ist das Konzept des Stücks. Um die Kontinuität der Berichterstattung zu der Serie gewährleisten zu können, hat das Ensemble beschlossen, ausnahmsweise den Besuch von O-Ton zur ersten Hauptprobe zuzulassen.
Einmal mehr hat sich die Bühne zur neuen Folge komplett verändert. Zwar hängt im Hintergrund wieder die Videoleinwand, aber der Raum davor ist nicht wiederzuerkennen. Das Chaos des Katastrophenschutzraums, den das Theater seit Beginn der „großen Invasion“ darstellt, ist einer Theaterbühne gewichen. Wie seit der letzten Folge bekannt, hat Raymond McTheater den Auftrag, die Welt zu retten, indem er die Besucher aus der anderen Welt zum Lachen bringt. Es muss also ein neues Stück her. Von dem es noch nicht viel gibt, außer eben der Bühnendekoration. Links steht das Klavier, in der rechten Hälfte ist ein Turm von Kartons aufgebaut, davor steht in der rechten Ecke eine Leiter, die bis zur Decke reicht. In diesem Umfeld kehrt also nun das Theater in das Theater ein. Es scheint einen großen Plan des Theaterpatrons zu existieren, auch wenn sich im Laufe der Handlung herausstellt, dass er selbst damit noch nicht ansatzweise einverstanden ist. Da tritt Tochter Bonnie im Häschenkostüm auf, um Urschlamm zu spielen. Was verworfen wird.
Selina Koenen – Foto © O-Ton
Tom Markward wird als Sprecher eingesetzt, erbringt aber nicht die gewünschte Leistung. Papadopoulos verzweifelt und zieht sich zu seiner Modelleisenbahn zurück. Zwischendurch wird es gruselig, wenn Dominik Hertrich und Christina Binta, die für das Buch zur Serie verantwortlich sind, daran erinnern, dass die Katastrophe außerhalb der geschützten Räume furchtbare Ausmaße annimmt. Eine Frau klopft an die Außentür. Bonnie öffnet den Vorhang und fragt sie, ob sie sprechen könne. Als sie verneint, verweigert die Tochter des Theaterchefs ihr gnadenlos den Zutritt. Währenddessen ist Salamanca Kronenberg, bekanntlich die beste Schauspielerin der Welt, damit beschäftigt, sich auch im neuen Stück zu profilieren. Ihr wird schon mal das Kostüm von Prinzessin Leia aus Star Wars zuerkannt. Außerdem stehen ihre beiden Monologe fest, die von Zitaten strotzen. Währenddessen zweifelt Rick Maelstrom eher grundsätzlich an seiner Rolle und dem Stück insgesamt. Für Menschen, die jetzt noch in die Serie einsteigen wollen, scheint diese Situation ideal.
Hertrich und Binta gelingt es wunderbar, das Chaos eines Theaterbetriebs nachzuzeichnen. Auch wenn es der Realität so wenig entspricht. Denn die Besprechung vor der ersten Hauptprobe wird von Regisseur Hertrich sehr zielorientiert in einer hochkonzentrierten Arbeitsatmosphäre geleitet. Anders kann auch aus der Uraufführung am nächsten Abend nichts werden. Und dass die an die Erfolge der vorangegangenen Folgen anknüpfen wird, daran besteht am Ende des langen Probenabends kein Zweifel. Der optimistische Zuschauer wird darin bestärkt, dass es Papadopoulos und seinem Team trotz aller Schwierigkeiten gelingen wird, mit der Anwesenheit der außerirdischen Besucher bei der für sie inszenierten Aufführung für ein gutes Ende der Serie zu sorgen. Hoffentlich.
Die nächste und vorletzte Folge findet am 26. Oktober statt.
Michael S. Zerban