O-Ton

Kulturmagazin mit Charakter

North Country - Foto © Bernhard Weis

Aktuelle Aufführungen

Beziehungsprobleme im Sechserpack

SHORTCUTS
(Diverse Choreografen)

Besuch am
24. März 2023
(Premiere)

 

Ballett der Deutschen Oper am Rhein, Theater Duisburg

Mit gleich sechs Choreografien, darunter zwei Uraufführungen, demonstriert das Ballett am Rhein mit seinem neuen Programm im Theater Duisburg seine Vielseitigkeit. Auch wenn sich die Stücke trotz der unterschiedlichen Handschriften der Choreografen thematisch ähneln, verlangen die Shortcuts den Tänzern eine Menge ab.

Zwar dauert keiner der Beiträge länger als 15 Minuten. Gleichwohl wird mehr geboten als sechs kleine Miniaturen. So ist eine stattliche Phalanx maßgeblicher Ikonen der Tanzwelt aufgeboten. Mit dabei Hans van Manen, dessen Short Cut aus dem Jahre 1999 das Motto des Abends signalisiert, ebenso wie William Forsythe, der mit seinem Artifact II besondere Maßstäbe setzt, obwohl die Kreation aus dem Jahre 1984 die älteste des Sechserpacks bildet. Bridget Breiner, langjährige Ballettdirektorin des Gelsenkirchener Balletts im Revier, sowie als Newcomerin die kroatische Choreografin Neshama Nashman steuern jeweils ein nagelneues Werk dazu. Und Virginia Segarra Vidal, Mitglied des Balletts am Rhein, füllt die Pause mit ihren Parallel Bodies in den Foyers und Treppengängen des Theaters mit kleinen Szenen, überwiegend Pas de Deux‘, die die Architektur des Hauses einbeziehen und sich thematisch dem Abend anpassen. Und an dem geht es in allen Stücken um menschliche Beziehungen, um die intakte oder gestörte Kommunikation zwischen einzelnen Menschen, Paaren oder Gemeinschaften.

Kleine Frau – Foto © Bernhard Weis

Im Grunde kristallisieren sich in William Forsythes Artifact II alle Stränge und auch Bewegungsmuster, die sich mehr oder weniger variiert durch die anderen Beiträge des Abends ziehen. Zwei virtuos über die Bühne wirbelnde Paare bewegen sich bei Forsythe im Spannungsfeld zum groß besetzten Corps de Ballett. Immer wieder fällt der Vorhang, immer wieder formieren sich die Tänzer neu. Zu sehen sind eher Schnappschüsse von extremer Verdichtung und Fantasie als geschlossene Szenen. Und das zur strengen Musik der berühmten Violin-Passacaglia Johann Sebastian Bachs. Grandios.

Die von Forsythe angedeuteten Konflikte bestimmen auch die fünf anderen Produktionen. In klassischer Schönheit präsentiert sich Hans van Manens Short Cut, in dem ein Mann um drei Damen buhlt. Zu den lockeren Jazz-artigen Klängen von Igor Strawinskys Ebony Concerto begnügt sich Ballettdirektor neben einer Prise Humor mit einem einzigen Paar, wobei er Futaba Ishizaki und Miguel Martinez Pedro teilweise clowneske Effekte vollführen lässt.

Die Uraufführung von Neshama Nashmans Kreation Eine kleine Frau nach einer Vorlage von Franz Kafka zeigt Elisabeth Vincenti als eine Frau, und ein männliches „Ich“ wird von Miguel Martinez Pedro dargestellt, im Kampf miteinander und gegen eine anonyme Gesellschaft. Interessant, dass die kroatische Choreografin das Selbstbewusstsein der Frau extrem stärkt und den männlichen Antipoden in die Knie zwingt.

Abstrakter und poetischer geht es in Bridget Breiners neuem Stück North Country zu. Zu dezenten Country-Klängen versuchen zwei Paare, zueinander zu kommen. Während die Bühne ansonsten leer bleibt, sorgt in diesem Beitrag die Bühnenbildnerin Jean-Marie Puissant mit floristischem Dekor für lichte Kontraste zur Weite und Verlorenheit der nordamerikanischen, die inneren seelischen Bewegungen reflektierenden Landschaft.

Insgesamt ein buntes, aber konzeptionell nicht willkürlich zusammengewürfeltes Programm, das die Qualitäten des Balletts am Rhein sowohl solistisch als auch im Ensemble wirkungsvoll zur Geltung bringen lässt. Entsprechend begeistert bejubelt das Premieren-Publikum alle Beiträge des kurzweiligen Abends.

Pedro Obiera