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Mit Hammer und Hantelscheibe

DER TALK ZUM RING: DAS RHEINGOLD
(Axel Kober, Dorian Dreher)

Gesehen am
7. April 2020
(Video on demand)

 

Deutsche Oper am Rhein Düsseldorf Duisburg

Axel Kober, Generalmusikdirektor der Deutschen Oper am Rhein Düsseldorf und Duisburg und sein Team leiden wie alle KünstlerInnen unter den derzeit geltenden Rahmenbedingungen, die die Corona-Epidemie der deutschen Theaterlandschaft aufgezwungen hat. In Düsseldorf haben sie zusätzlich noch Phantomschmerzen: Vom 7. bis zum 13. April wollten sie im Opernhaus Richard Wagners Ring des Nibelungen  als Zyklus auf die Bühne bringen, doch statt Wagners betörenden Klangfluten aus dem Orchestergraben lauschen sie derzeit mehr dem eintönigen Tropfen des heimischen Wasserhahns. Axel Kober fand, dass es höchste Zeit war, daran etwas zu ändern. Wenn schon kein Ring auf der Bühne, dann wenigstens etwas Erhellendes, Einleuchtendes und vielleicht auch was Neues zum Ring, und zwar aus den eigenen vier Wänden. Die Idee ist, dass GMD Axel Kober und Spielleiter Dorian Dreher an allen vier Vorstellungstagen des Rings mal zu zweit, mal mit hochkarätigen Überraschungsgästen über Das Rheingold, Die Walküre, Siegfried und Götterdämmerung plaudern und dabei etwas den „Phantomschmerz“ des entgangenen Wagner-Erlebnisses zu lindern versuchen.

So begrüßt Kober in der ersten Folge dieser neuen digitalen Talkreihe die Zuschauer via Stream vom heimischen Klavier mit den ersten Takten in Es-Dur des Rheingoldes. Zuerst hört man die Duisburger Philharmoniker mit einem Livemitschnitt aus der Duisburger Mercatorhalle vom vergangenen November, dann blendet der Ton auf das Klavier über. Im Hintergrund sieht man ein gerahmtes Opernplakat vom Rheingold. Kober ist leger gekleidet, locker und ganz natürlich, und er lädt das Publikum ein, gemeinsam mit Dreher über den Ring und insbesondere das Rheingold zu besprechen. Dreher ist per Video zugeschaltet, sitzt vor einer großen Regalwand und erzählt von seinen Aufgaben als Spielleiter und Regieassistent für den Ring. In lockerer Atmosphäre werfen sich die beiden gekonnt die Bälle zu. Von den berühmten ersten 136 Takten des Rheingold ausgehend, besprechen sie das Zusammenwirken von Szene und Musik bei Wagner und insbesondere im Ring.

Dreher erzählt herrliche Anekdoten über die besondere Sprache im Rheingold, besonders über die ersten und sicherlich komischsten Worte im ganzen Ring: „Weia! Waga! Woge, du Welle, walle zur Wiege! Wagala weia! wallala weiala weia!“

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Kober nimmt den Faden auf, unterlegt es am Klavier mit Musikbeispielen und spricht über die wagnertypischen „W“-Alliterationen wie „Weiche Wotan, weiche!“ oder „Winterstürme wichen dem Wonnemund“. Neben den Leitmotiven werden aber auch wagnertypische Instrumente wie die Wagner-Tuben angesprochen. Ein besonderes Alleinstellungsmerkmal haben die Ambosse im Rheingold. Wagner selbst hat 18 Ambosse vorgeschrieben, doch darüber verfügt natürlich kein Orchester, mal davon abgesehen, dass der Klang viel zu laut wäre. Da bedarf es manchmal der Kreativität der eigenen Orchestermusiker.

Der Orchesterschlagzeuger der Duisburger Philharmoniker, Christoph Lamberty, wird aus dem heimischen Wohnzimmer per Video zugeschaltet und erläutert sehr plastisch, mit welchen Hilfsmitteln man die Ambosse imitieren kann. Eine Möglichkeit sind alte Eisenbahnschienen oder Eisenplatten, aber auch gusseiserne Hantelscheiben können taugen. Lamberty demonstriert das überzeugend mit zwei Hantelscheiben, einem Goldschmiedehammer und einem konventionellen 300-Gramm-Hammer. Dabei machen die drei auch etwas Eigenwerbung für den konzertant aufgezeichneten Ring aus der Duisburger Mercatorhalle vom vergangenen November. Das Rheingold ist bereits als CD erhältlich, und die Aufnahme der Walküre wird in der kommenden Woche erscheinen.

Mit dem Schluss des Rheingoldes, dem „Einzug der Götter nach Walhall“, endet der erste digitale Talk zum Ring des Nibelungen. Nachdem Dreher noch erklärt hat, warum Wagner sich bei der Uraufführung des Rheingold nicht an seine eigenen Regieanweisungen gehalten hat, lädt er die Zuschauer ein, Fragen zu stellen, die dann in den nächsten drei Folgen so gut es geht beantwortet werden können. So wie es begonnen hat, endet nach 48 min der erste Talk. Kober spielt die letzten Takte aus dem Rheingold am heimischen Klavier, dann folgt die Überblendung zum Orchester.

Es ist eine kurzweilige, interessante Gesprächsrunde, die auch für wagnerunkundiges Publikum bestens geeignet ist. Der einzige Wermutstropfen: Die Sehnsucht nach dem Ring auf der Bühne ist größer geworden, der Phantomschmerz hat zugenommen.

Es lohnt sich in jedem Fall am Ball zu bleiben. Der Talk zur Walküre wird am 9. April um18 Uhr gezeigt, zum Siegfried am 11. April um 17 Uhr und zur Götterdämmerung am 13. April um 17 Uhr. Und hier kann man sich den ersten Talk noch anschauen.

Andreas H. Hölscher